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Filmkritik

„The Green Knight“ von David Lowery: Der originellste Ritterfilm seit langem

Seltsamer und origineller hat wohl noch nie jemand von einem Artus-Ritter erzählt: David Lowery verbindet in „The Green Knight“ einen alten Text mit modernem Filmdesign und atemberaubenden Ideen.

„The Green Knight“ von David Lowery. Bild: Telepool/A24

HELDENEPOS Das Ansehen der edlen Helden aus dem Mittelalter hatte vermutlich Mitte der 1970er Jahre einen Tiefpunkt erreicht. Damals brachten Monty Python’s ihren Film „Die Ritter der Kokosnuss“ heraus, danach hätte man König Artus und seine Tafelrunde eigentlich für erledigt halten können, so lächerlich hopsten sie bei den britischen Komikern durch den Wald.

Es kam natürlich anders. Schon wenige Jahre später erschien der dicke Roman „Die Nebel von Avalon“ von Marion Zimmer Bradley, und der allgemeine Aufschwung der Fantasy erfasste auch die alten Epen. Und seit „Game of Thrones“ ist sowieso quasi immer Mittelalter. Man kann sich gut vorstellen, dass David Lowery auch von der Wiederkehr der Faszination für die Welt der fahrenden Ritter sprach, als er sein Projekt „The Green Knight“ auf den Weg brachte.

Filme kosten schließlich Geld, und das muss jemand vorschießen. Man kann sich auch vorstellen, dass Lowery vielleicht nicht in allen Einzelheiten schon verriet, dass er eine sehr schräge Rittergeschichte im Kopf hatte. Denn „The Green Knight“ steht quer zu allen Erwartungen, die Fans von Filmen wie „Excalibur“ (John Boorman, 1981) oder „King Arthur“ (Guy Ritchie, 2017) haben könnten. Lowery erzählt von Gawain, einem der Stars der Tafelrunde, die der sagenumwobene König Artus um sich versammelte. Gawain hat einen vergleichbaren Rang wie Parzival oder Lancelot, er gilt im Vergleich allerdings als tendenziell ein bisschen langweilig, weil er als Ritter vor allem ein Profi ist und von seinen Minnegeschichten nicht so viel erzählt wurde.

Ein Baum von einem Mann: „The Green Knight“ sucht nach der wahren Ritterlichkeit

Bei David Lowery ist Gawain nun gar nicht der „Der grüne Ritter“. Er muss überhaupt erst einmal zum Ritter werden. Denn zu Beginn hat er das ganz und gar nicht im Sinn, er ist ein jugendlicher Tunichtgut, der nur widerstrebend zum Hof kommt, wenn man ihn ruft. Eines Tages aber taucht vor dem König ein Baum von einem Mann auf, den alle als den „Green Knight“ kennen, und der einen Gegner sucht. Gawain muss wohl oder übel die Herausforderung annehmen, sie endet mit einer Niederlage, und einer Bedingung: in einem Jahr erwartet der „Green Knight“ ihn bei sich zu Hause, um sein Leben einzufordern. Das lässt sich erst einmal prima ein paar Monate ignorieren, aber schließlich macht Gawain sich doch auf den Weg. Das ist es nun einmal, was Ritter tun: sie „fahren“ herum, bestehen Heldentaten, und werden dabei zu Edelmännern.

Die Hauptrolle in „The Green Knight“ spielt der britische Schauspieler Dev Patel. Er ist damit der erste Artusritter of color. Und das ist nicht der einzige ungewöhnliche Eingriff von David Lowery. Er hat mit einer Parodie nichts im Sinn, nimmt das Genre aber auf eine merkwürdige Weise ernst: der Artushof hat bei ihm nichts Strahlendes, sondern ist eine finstere Veranstaltung, in die der „Green Knight“, der buchstäblich eher ein Baum als ein Mensch ist, mit schweren Schritten stampft. Als Gawain schließlich unterwegs ist, durchquert er trübe Landschaften, trifft auf missgünstige Gestalten, liegt mehr als nur einmal im Dreck.

Lowery verzerrt die Sache noch durch ungewöhnliche Kamera-Optiken. Insgesamt aber sind seine Effekte ganz und gar stimmig: Es ist ein eigener Kosmos, den er für seinen Film entwirft, halb neuer Mythos, halb dessen groteske Entstellung. Und auf eine unerwartete Weise löst er schließlich sogar das Programm ein, von dem er scheinbar zwei Stunden lang abwich: „The Green Knight“ ist eine genuine Rittergeschichte. Einer der originellsten Filme seit langem.

USA 2020; R: David Lowery; D: Dev Patel, Alicia Vikander, Joel Edgerton; Kinostart: 29.7.


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