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Interview

Schauspielerin Ursula Strauss über „Le Prince“, Mut zum Risiko und österreichisches Hochdeutsch

Die österreichische Schauspielerin Ursula Strauss ist längst auch auf dem deutschen Markt eine Größe. Nun hat sie in „Le Prince“ von Lisa Bierwirth eine Paraderolle: Sie spielt Monika, eine Kunstkuratorin in Frankfurt/Main, die einen Mann aus der kongolesischen Diaspora kennenlernt. Bert Rebhandl sprach anlässlich des Kinostarts von „Le Prince“ für tipBerlin mit Ursula Strauss.

Ursula Strauss in „Le Prince“ von Lisa Bierwirth. Bild: Port au Prince

„Le Prince“ betritt Neuland in vielerlei Hinsicht

tipBerlin Frau Strauss, Sie spielen in „Le Prince“ eine Frau, die sich in einen Mann aus der kongolesischen Diaspora in Frankfurt/Main verliebt. Wie würden Sie diese Monika beschreiben?

Ursula Strauss Monika ist eine für sich selbst stehende Frau. Sie ist sehr klar in dem, was sie will und was sie tut. Die Arbeit einer Kunstkuratorin macht sie mit Leidenschaft. Trotzdem hat sie ein bisschen übersehen, dass sie ab einem gewissen Alter auch überlegen sollte, wie es weitergeht. Sie ignoriert, dass sie Schritte auch nach oben hätte setzen müssen, dass sie Dinge hätte tun sollen, die ihr nicht so liegen, die aber dazugehören in der Berufswelt. Sie wird überrascht von dem Moment, in dem ihr Freund, ehemals auch Lebenspartner, und Chef, plötzlich einen beruflichen Wechsel macht und sie nicht mitnimmt. Da wird ihr der Boden unter den Füßen weggezogen. Sie bekommt dadurch gar nicht so sehr Angst, sie betritt nur einfach Neuland. Und in dem Moment trifft sie auf einen Mann, der auch vollkommenes Neuland repräsentiert.

tipBerlin Das ist Joseph, ein Mann aus dem Kongo, der eigentlich gar nicht in Frankfurt sein dürfte, wegen der Regelungen in seinem Asylverfahren.

„Er trifft sie mit seiner Klarheit und Stärke“

Ursula Strauss Wenn diese Beziehung ausschließlich in den eigenen vier Wänden bleiben würde, hätte sie vielleicht eine Chance. Monika belügt sich auch ein bisschen in ihrem Selbstverständnis, damit so umzugehen, als wäre es nichts Besonderes, als wären das einfach zwei Herzen, die sich berühren. Er trifft sie in einer Einfachheit und Klarheit und Stärke, die sie von jemand anderem nicht bekommen würde. Das ist fast atemberaubend, da öffnet sich Tür und Tor. Da steht ein Mann, der sie nicht einschränken will, der sein eigenes Ding durchzieht. Doch sobald das Außen sich zurückmeldet, geraten die beiden ins Straucheln.

tipBerlin Wie kam die Regisseurin Lisa Bierwirth auf Sie?

Ursula Strauss Als wir uns zum ersten Mal trafen, war sie so hochschwanger, dass ich fast nervös wurde. Wann ist es denn soweit? In zwei Tagen! Ich war bei einem Casting für einen sehr schönen Film in der Endrunde. Ich habe die Rolle nicht bekommen. Aber die Casting-Kamera an diesem Tag hat Lisa Bierwirth gemacht. Zwei Jahre später hat sie mich dann kontaktiert und mir das Drehbuch geschickt. Alles hat – auch wenn es einem nicht sofort klar ist – seinen Sinn.

tipBerlin Wie detailliert war das Drehbuch?

Ursula Strauss Das war alles schon ziemlich durchdacht. Es ging dann in den Proben nur noch um einzelne Wörter und um Überlegungen, wo wir uns ans Buch halten, und wo wir frei spielen sollten. Es gibt aber auch eine Szene zwischen Monika und Ursula, ihrer besten Freundin im Film, da sitzen sie nach einem Abend mit den Kongolesen allein am Tisch. Das ist komplett improvisiert. Auch viele Szenen mit den Menschen in der Bar sind freies Spiel. Das ist alles am Set entstanden. Der größte Spundus war für mich der Beruf der Kuratorin, der mir ja fremd ist. Ich habe das dann in Wien im Museumsquartier mit richtigen Kuratoren recherchiert. 

tipBerlin Für Passi Balende, der Joseph spielt, ist es die erste Filmrolle.

Ursula Strauss Passi Balende ist Rapper. Die größte Herausforderung war für uns, an Pausen zu arbeiten. Das ist für ihn kein logischer Zugang, denn er ist eigentlich meistens damit beschäftigt, auf der Bühne in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit Wörter aneinander zu reihen. Aber ich denke, die Zuschauer werden sehen können, wie gut uns das dann doch gelungen ist.

Ursula Strauss in „Le Prince“ von Lisa Bierwirth. Bild: Port au Prince

tipBerlin Man hat den Eindruck, dass sie vieles mit kaum merklichen Bewegungen im Gesicht spielen. Wie sehr sind Sie sich dieser Arbeit bewusst, wenn Sie vor der Kamera stehen?

Ursula Strauss Beim Spielen selber denke ich dann nicht mehr, beim Erarbeiten aber schon. Lisa Bierwirth hat Wert auf eine gewisse Coolness von Monika gelegt, da hatte ich das Bedürfnis gehabt, das emotionaler zu unterfüttern. Das war der Punkt, an dem wir am meisten gearbeitet haben. Wir haben sehr viel geprobt. Doch wenn ich die Haltung einmal gefunden habe, ist das nicht mehr Thema. Beim Spielen bin ich dann frei, deswegen sind Proben so unheimlich wichtig.

tipBerlin Sie sind Österreicherin, das hört man. Müssen Sie sich um das Hochdeutsche bemühen?

„Deutsch wird mit österreichischer Färbung sehr elegant“

Ursula Strauss Ich bin Österreicherin, bin mit einem Deutschen verheiratet und habe ganz früh in meinem Berufsleben in Kiel Theater gespielt. Für mich ist die Frage: Was ist denn eigentlich Hochdeutsch? Viele Deutschen glauben, sie haben keinen Akzent. Was so nicht stimmt. Ich kann Hochdeutsch, aber ich werde die Österreicherin nie verleugnen wollen und können. Monika sagt ne, nicht na, trotzdem hört man, wo sie herkommt. Bei jemand wie bei der Senta Berger wird die Sprache durch die österreichische Färbung sehr elegant.

tipBerlin Inzwischen sind Sie jedenfalls auch in Deutschland längst ein Begriff.

Ursula Strauss Das geht schon ein bisschen länger so. Ich habe in „Meine fremde Freundin“ mit Stefan Kromer gespielt, der Film war wichtig. Die Resonanz der Zuschauer und Presse war immens. Mittlerweile läuft auch meine Hit-Serie „Schnell ermittelt“ auf den dritten Programmen der ARD und erfreut sich einer wachsenden Beliebtheit. Zu Beginn war Deutschland immer ein Sprung, jetzt verbindet sich das Gottseidank, die Branchen wachsen zusammen.

„Le Prince“ von Lisa Bierwirth. Bild: Port au Prince

tipBerlin Den Durchbruch im Kino hatten Sie 2003 mit „Böse Zellen“ von Barbara Albert. Für das österreichische Kino ist das ein Schlüsselfilm.

Ursula Strauss Ich ging damals immer zu Werbe-Castings und war neben Bügeleisen oder Waschmittel zu sehen, im Hauptberuf habe ich in der Josefstadt Theater gespielt. Nach einer Vorstellung traf ich mich mit Barbara Albert, wir haben lange über „Böse Zellen“ geredet und uns sehr gut verstanden. Am nächsten Tag, ich saß gerade in der Garderobe, rief sie mich an und fragte: Sag mal, hast du das eigentlich verstanden, dass du die Figur der Andrea spielen sollst? Ich musste zugeben: Nein, eigentlich nicht. Wir hatten einfach über den Film gesprochen. Ich habe an dem Abend eine ganze Vorstellung hindurch auf der Bühne eigentlich geweint, es war so ein Weinen vor Glück und Überforderung, ein bisschen Hysterie auch. Das kann man zum Glück ganz gut verstecken auf der Bühne. „Böse Zellen“ war seiner Zeit voraus.

tipBerlin Ein Patchwork-Film mit vielen interessanten Frauenfiguren. 2008 folgte „Revanche“ von Götz Spielmann, das war der nächste Sprung.

Ursula Strauss Ich weiß noch, wir waren alle in einem Landgasthaus einquartiert und haben darüber diskutiert, ob das etwas werden kann, wenn man ständig die Kamera im Rücken hat. Die Kamera war immer im Fluss, wie eine weitere Rolle. Martin Gschlacht hat das fantastisch gemacht. Wir waren alle ganz aufgeregt und gleichzeitig verunsichert. Götz Spielmann war einer der ersten, die das damals so gemacht haben. Ich schätze es, wenn Menschen genau sind. Götz Spielmann lebt die Genauigkeit bis zum Exzess. Er hat ein sehr musikalisches Ohr. Man kann sich darauf verlassen, wenn er zufrieden ist, dann wird es passen, aber er verlangt sehr harte Arbeit. „Revanche“ ist von vorn bis hinten ein durchkomponierter Film, bei dem alles stimmt. Wir waren dann damit bei den Auslands-Oscars. Das war ja alles ein Wahnsinn.

tipBerlin Wie soll es für Sie weitergehen?

„Ich möchte irgendwann einmal Regie führen“: Ursula Strauss über ihre Zukunftspläne

Ursula Strauss Ich habe gerade die Dreharbeiten der internationalen Serie „Maria Theresia“ sowie die Verfilmung von Christine Nöstlingers Bestseller „Geschichten vom Franz“ abgeschlossen. Gerne will ich weiter gute Geschichten im Film erzählen, und ich würde gern wieder Theater spielen. Es ist nicht der Live-Moment, der mir fehlt, sondern die Art, Figuren zu erarbeiten, die Zeit, Sachen entwickeln zu lassen. Auch gerne Klassiker, beim Film befindet man sich ja meistens im Jetzt. Ich würde gern wieder mehr probieren, die Sprache der Klassiker in eine Wahrhaftigkeit zu überführen. Und ich glaube, ich möchte gern irgendwann einmal Regie führen.

tipBerlin Bei einem Film? Gibt es schon ein Projekt?

Ursula Strauss Es gibt ein fertiges Buch. Eine wahre Geschichte, ein historischer Stoff – daran wird es wahrscheinlich scheitern. Zweiter Weltkrieg. Es wird wahrscheinlich niemand das Risiko eingehen, der Frau Strauss für ein Debüt das Geld für einen historischen Stoff zu geben. Das alles ist noch in den Anfängen. Aber ich bin jetzt an dem Punkt, an dem ich es mir zutraue. Ich habe keine Regie-Ausbildung, das ist klar, aber ich kann mit Texten und Schauspielern arbeiten. Ich würde gern analytischer arbeiten. Bei Projekten wie „Le Prince“ ist es meine Aufgabe, eine Figur vor allem emotional zu entwickeln, mich interessiert aber auch der Rest sehr.

tipBerlin Die Filmbranche bemüht sich momentan sehr, Frauen bessere Möglichkeiten einzuräumen. Das könnte helfen.

Ursula Strauss Das könnte mir in die Karten spielen. Möglicherweise habe ich auch kein Talent dafür, aber wenn ich es nicht ausprobiere, weiß ich es nicht. Ich habe oft das Gefühl, in unserem Beruf ist Scheitern nicht mehr erlaubt. Man lernt aber am meisten, wenn etwas nicht gelingt. Kunst wird relevant dadurch, dass man alles aufzeigt, die Perfektion, die Imperfektion, das Können, aber auch das Scheitern.


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