Sie spielte Christiane F. in „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“. Inzwischen ist Natja Brunckhorst auch als Regisseurin etabliert. Ihre neue Komödie „Zwei zu eins“ erzählt vom Sommer der Wende. tipBerlin-Kritiker Bert Rebhandl hat mit der Regisseurin über die Nachwendezeit und ihren neuen Sommerfilm gesprochen.
Natja Brunckhorst kehrt mit „Zwei zu eins“ in die Zeit der Wende zurück
Für Menschen in Berlin, die nicht mehr ganz die Allerjüngsten sind, ist das immer noch eine klassische Frage: Was haben Sie getan, als die Mauer fiel? Natja Brunckhorst musste gerade noch „einen Text lernen. Ich war an der Schauspielschule, und hab das unheimlich wichtig genommen. Die Nachrichten habe ich natürlich mitbekommen.“ Aber die eigene Ausbildung ging vor. Es blieb das Gefühl, ein epochales Ereignis irgendwie verpasst zu haben.
Nun kehrt sie noch einmal in die Zeit der Wende zurück. Dieses Mal als Regisseurin. Natja Brunckhorst hat eine Komödie über den Sommer 1990 gedreht. „Zwei zu eins“. In einem Buch von Peter Ensikat („ich les den gern, das war ein ganz toller Mensch“) fand sie erwähnt, dass seinerzeit das ganze Papiergeld der ehemaligen DDR in einen Stollen gebracht worden war. „Wie bitte? Ein Stollen voller Geld?“ Ja, so war das tatsächlich. Die alten Scheine wurden nicht mehr gebraucht, sie waren aber auch zu robust, um sie einfach zu schreddern oder zu verbrennen. „Es gibt sehr lustige Fotos von dieser Einlagerung. Da sitzen Menschen auf Säcken voller Geld an Förderbändern. Ich habe recherchiert und fand die Geschichte einfach unglaublich.“
So unglaublich, dass daraus eine Komödie entstand. Natja Brunckhorst spitzt die Sache ein wenig zu. Sie erfindet ein paar Leute, die von der Sache Wind bekommen, und weil das Umtauschfenster noch nicht ganz geschlossen ist, könnten sie den Banken, dem Westen, dem Kapitalismus ein Schnippchen schlagen. Sandra Hüller, Max Riemelt, Ronald Zehrfeld, Peter Kurth machen die Viererbande, die in „Zwei zu eins“ ein bisschen wie verhinderte Westernhelden einer vergessenen Gerechtigkeit zum Sieg verhelfen. Nämlich einem positiven Gemeinsinn, der von unten kommt. „Ich fand es lustig, das als einen Streich zu erzählen – kleine Menschen gegen den Staat.“
Natja Brunckhorst über das Wendejahr 1990: Wie eine Schockstarre der Möglichkeit
Über das Jahr 1990 wurde seither viel nachgedacht. Denn solche historischen Chancen kommen ja nicht alle Tage. Natja Brunckhorst interessiert sich auch für die Frage, ob es Alternativen zu einer Wiedervereinigung gegeben hätte, die heute oft als Einverleibung der neuen Bundesländer gesehen wird. Zuerst einmal aber möchte sie den Moment festhalten. „Es gab damals eine große Verunsicherung der Staatsdiener und eine große Freiheit. Viele sagen heute noch: 1990 war die geilste Zeit meines Lebens. Es war ein bisschen wie ein Traum, viele konnten es gar nicht fassen, das war fast wie eine Schockstarre der Möglichkeit. ’91 ging es dann los mit den ganzen Entlassungen, und es kam der Absturz. 1990 war auch ein ganz toller Sommer, wie ich herausgefunden habe. Die Fotos zeigen, dass es viele Hinterhofpartys gab.“ Von dieser Stimmung ist „Zwei zu eins“ geprägt. Ein heiterer, sonniger Film über kleine Konflikte und großen Gemeinschaftsgeist.
Dass Natja Brunckhorst heute dem deutschen Film einen Weg zu einer guten Form von Popularität weist, hat eine lange Vorgeschichte. Ihre Karriere hätte nach ihrem Debüt auch in eine ganz andere Richtung gehen können. 1980 wurde sie mit der Rolle der Christiane F. in „Wir Kinder vom Bahnhof“ ein Star. Da war sie ein Teenager. Dass ihr 1989 die Schauspielschule so wichtig war, hatte auch damit zu tun, dass sie danach die Dinge ein bisschen ernster nahm als andere.
Und bald merkte sie, dann sie mehr wollte. Also begann sie, Drehbücher zu schreiben. Da stieß sie auch auf Widerstände. „Nach dem Motto: Jetzt hast du schon lange Beine, musst du jetzt auch noch schreiben? Klassisches 90er-MeToo.“ Sie blieb unbeirrt, und eines Tages sagte sie bei einem Buch: Das will ich selber machen. Der Film hieß „Alles in bester Ordnung“, ihre erste Regie. Das klappte gut, und mit „Zwei zu eins“ sollte sie sich in der Branche nachdrücklich etabliert haben. „Ich will Kino machen, das ich selber gern sehen will. Ich mag Happyends, ich mag Humor, aber halt intelligent.“
- Zwei zu eins Deutschland 2024; 116 Min.; R: Natja Brunckhorst; D: Sandra Hüller, Max Riemelt, Ronald Zehrfeld, Peter Kurth; Kinostart: 25.7.
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