„Йtonnez moi! – Bringen Sie mich zum Staunen!“ Dieser Satz von Jean Cocteau ist Werner Schroeters Motto, damit die Kunst nicht zum „bürokratischen Kintopp wie im Fernsehen“ gerät. Bei unserem Gespräch über seinen neuen Film „Diese Nacht“ kommt der Regisseur gelassen auf dieses lebenslange Arbeitscredo zu sprechen. Schmal, gezeichnet von einer Krebsbehandlung, hat er sich in einem italienischen Restaurant eingefunden. Mit seinem elegant geschwungenen schwarzen Hut und den bunten Fingerringen ein Dandy mit der Aura des Einsamen, geht der 63-Jährige doch neugierig und offen auf Fragen ein. „Ich finde das toll, dass ich lebe und hier sitze“, sagt er über die anstrengende Interviewroutine.
„Diese Nacht“ ist die Adaption des 1943 entstandenen Romans „Para esta noche“ des uruguayischen Schriftstellers Juan Carlos Onetti. Premiere feierte der Film auf dem Filmfestival von Venedig, wo Werner Schroeter ein Ehren-Löwe für sein Lebenswerk verliehen wurde. Die im portugiesischen Porto gedrehte französisch-deutsche Koproduktion schildert den Zerfall einer einstigen Rebellengruppe in der Nacht ihrer Niederlage, den gegenseitigen Verrat im Angesicht der Rückkehr der alten Herrschaftselite. Ein Arzt und Exrebell (Pascal Greggory) irrt auf der Suche nach seiner Geliebten durch die düstere Stadt, auch er kein „reiner Parzival“, sondern ein „Stalker der Seele“, wie Werner Schroeter den Antihelden des Albtraums beschreibt.
„In dieser einen Nacht“, so Schroeter, „vollzieht sich das Desaster, die Apokalypse einer Gesellschaft. Onetti war inspiriert von spanischen Exilanten, die vom Trauma des Bürgerkriegs in ihrem Land in den 30er Jahren berichteten. Er hat die Geschichte allegorisiert, globalisiert, sodass sie über konkrete historische Bezüge hinaus aktuell ist.“
Die magisch düstere Stadtkulisse, das einem surrealen Film noir entsprechende Personal, nicht zuletzt die dichte Atmosphäre der Musiken von Liszt, Beethoven, Bach, Haydn, Mozart und Rossini verwandeln Schroeters Thriller in eine Elegie, in eine stilisierte Form der Gesellschaftskritik, wie sie sein gesamtes Werk durchzieht. …
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Text: Claudia Lenssen
tip-Bewertung: Sehenswert
Diese Nacht (Nuit de chien), Frankreich/Deutschland/Portugal 2008; Regie: Werner Schroeter; Darsteller: Pascal Greggory (Ossorio), Bruno Todeschini (Morasan), Amira Casar (Irиne); Farbe, 118 Minuten
Kinostart: 2. April 2009
Werner Schroeter ist am 5. April, 20 Uhr, im Kant-Kino zu Gast
Die Filmgalerie 451 bringt zum Filmstart die Schroeter-Filme „Poussiиres d’Amour“, eine Begegnung von europäischen Operndiven mit ihren Lieblingsarien in einer französischen Abtei, und „Palermo oder Wolfsburg“ (Goldener Berlinaler-Bär 1980) auf DVD heraus.