Leid und Ausgrenzung machen nicht zu einem besseren Menschen, wovon beispielsweise die Filme Fassbinders facettenreich zu erzählen wissen. Ungerecht kann man davon werden, selbstherrlich, zornig und arrogant wie der nach einem Unfall querschnittsgelähmte Mittzwanziger Ben. Er schreibt gerade seinen Abschluss in Philosophie und verschleißt dabei seine von Amts wegen bestellten Helfer, tyrannisiert sie, die ihm verlorene Funktionen seines Körpers ersetzten sollen, mit der Verachtung des Platonikers für den eigenen Leib. Als ihm Christian als neue „Schwester“ zugeordnet wird, der ihm das Mitleid verweigert und stur bei der Sache bleibt, entwickelt sich eine vorsichtige Freundschaft, die sogleich wieder gefährdet ist, als die hübsche Musikerin Annika in ihr gemeinsames Leben geradelt kommt.
Der Film wird nicht sentimental, lässt aber leider auch das thematische Potenzial weitgehend ungenutzt und nimmt die konventionellste Erzählroute: der zynische Rollifahrer, die schüchterne Cellistin und der nette Zivi ergeben eine allzu vorhersehbare Menage а trois, die aber doch Spannung gewinnt durch schnoddrigen Ruhrpott-Humor, gelungenen Erzählrhythmus und schauspielerische Präsenz.
Text: Stella Donata Haag
tip-Bewertung: Annehmbar
Orte und Zeiten: „Renn, wenn Du kannst“ im Kino in Berlin
Renn, wenn du kannst, Deutschland 2009; Regie: Dietrich Brüggemann; Darsteller: Robert Gwisdek (Ben), Anna Brüggemann (Annika), Jacob Matschenz (Christian); 116 Minuten
Kinostart: 29. Juli