Li Mei hängt das öde Leben in ihrem abgelegenen chinesischen Bauerndorf zum Halse heraus, sie will die weite Welt sehen. Also macht sie sich eines Tages auf den Weg. Zunächst in die Megalopolis Chongqing und von dort später nach London. Unterwegs lernt sie Männer kennen, verschafft sich Geld, Papiere, Sex. Sie wird ausgebeutet, und sie beutet aus. Sie hat die Heimat hinter sich gelassen und findet keine neue. Ihre Müdigkeit und ihr Hunger sind Symptome von Einsamkeit und Entwurzelung. Der weite Himmel, in den sie am Ende blickt, hat keinen Lichtstreifen am Horizont.
Das Immigrantenschicksal, das Guo Xiaolu in „She, a Chinese“ in einer Folge lose verbundener, szenischer Vignetten schildert, ist weder besonders dramatisch noch sonderlich tragisch. Guo zeigt den Durchschnittstraum eines Durchschnittsmädchens, sie zeigt, wie alle Romantik der Pragmatik zum Opfer fällt, wenn nur noch der eigene Körper Sicherheit bietet. Projektionen des Exotischen, diffuse Sehnsüchte und die Unfähigkeit zur Kommunikation verdichten sich zu einem Netz, das die Figuren gefangen nimmt. Sie bilden Notgemeinschaften, aber sie bleiben einander fremd, unfähig, im Gegenüber den gleichermaßen isoliert allmählich verzweifelnden Außenseiter zu erkennen.
Text: Alexandra Seitz
tip-Bewertung: Sehenswert
Orte und Zeiten: „She, a Chinese“ im Kino in Berlin
She, a Chinese, Deutschland/Großbritannien/Frankreich 2009; Regie: Guo Xiaolu; Darsteller: Lu Huang (Li Mei), Yibo Wei (Spikey), Geoffrey Hutchings (Mr. Hunt); Farbe, 102 Minuten
Kinostart: 4. Februar
Lesen Sie hier: Ein Interview mit Regisseurin Guo Xiaolu