Es ist genau die forcierte Heimeligkeit, die das Gefühl von Bedrohung heraufbeschwört: Das großzügige Heim am Wasser, in dem der junge Polizeiermittler mit Frau und wenige Wochen altem Sohn lebt, leuchtet in üppigster Weihnachtsdekoration im Dauergrau der skandinavischen Wintertage. Die Nächte sind unruhig mit dem Baby, manchmal muss es im Auto oder Kinderwagen durch die einsame Landschaft gefahren werden, aber das Haus erscheint als sicherer Hafen. Konturiert durch zig Meter von Lichterketten bildet es eine funkelnde Skulptur, eine Art umgekehrtes Lichtbild vor dem dunklen Meer.
Die familiäre Katastrophe kann dieser Abwehrzauber nicht aufhalten. Die Kraft von Susanne Biers neuester Regiearbeit liegt darin, dass alltägliche Szenen und Orte als Metaphern wirken, wie die lange Sundbrücke, die Verkehrsweg und zugleich Bild der Verletzlichkeit ist. Dieses Zugleich entspricht dem Grundkonflikt dieses packenden Films, der seine Protagonisten in einer Situation des psychischen und ethischen Zwielichts vor existenzielle Entscheidungen stellt.
Text: Stella Donata Haag
Foto: Prokino
Orte und Zeiten: Zweite Chance
En Chance Til (OT) Dänemark/Schweden 2014; R: Susanne Bier; D:
Nikolaj Coster-Waldau ?(Andreas), Maria Bonnevie (Anne), Ulrich Thomsen
(Simon); 104 Min.
Kinostart: Do, 14. Mai 2015