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Yorck-Filmreihe „in the mood“ beweist, wie faszinierend ostasiatisches Kino ist

Feliks Wagner initiierte 2022 „in the mood“: eine Yorck-Filmreihe für ostasiatisches Kino. Die Zeit sei reif dafür gewesen, in Berlin, sagt er heute. Mittlerweile darf man feststellen: in the mood ist feste Größe geworden. Eine Bereicherung, eine nicht endende Überraschung für alle Kino-Liebhaber:innen.

Ansicht Neues Off-Kino mit Filmreihe in the mood
Hereinspaziert: Das Neue Off in Neukölln ist Heimat der ostasiatischen Filmreihe in the mood. Foto: Feliks Wagner

Dienstagabend, Hermannstraße, die Vorhänge des Neuen Off-Kinos lüften sich zur stillen Ansicht einer Hafenlandschaft irgendwo im Tokio der 60er-Jahre. Welche Überraschung hält der Abend dieses Mal bereit? Es wird ein absurdes Schauspiel werden: Yakuza-Morde, japanische Chansons, Ehre und Pflicht, irre Überzeichnungen und Verweise, denen niemand in Gänze zu folgen vermag: Die Neuköllner Crowd – Junge und Alte, viele Internationals, zwei tuschelnde Japaner – schaut „Tokyo Drifter – Der Mann aus Tokio”. Verzückt, belustigt, aber genauso nachdenklich sitzt man am Ende tief in den Polstern. Feliks Wagner, verantwortlich für die Yorck-Kino-Spezialreihe „in the mood“, die sich dem ostasiatischen Film verschrieben hat, erscheint auf der Bühne. Dienstags versucht er, so oft es geht, vor Ort zu sein. Einfach, weil er es liebt, über diese Filme zu reden, und weil er wissen will: „Wie war es? Was sagt ihr?“

Ansicht Film-Szene von „Tokyo Drifter – Der Mann aus Tokio"
Bei in the mood gespielt: Die absurde Yakuza-Story „Tokyo Drifter – Der Mann aus Tokio“ aus Japans 60ern. Foto: Imago/Everett Collection

„Im ostasiatischen Kino findet man andere Erzählungen“

„Im ostasiatischen Kino findet man andere Erzählungen. Es geht ruhiger zu, impliziter. Das ist freier und teilweise durchdachter in der Machart als beispielsweise der amerikanische Film”, findet Feliks Wagner. Die Reihe „in the mood“ läuft jetzt seit mehr als zwei Jahren. Die Idee zum Format trug er in der Zeit seiner Leitung des Neuen Off schon länger mit sich herum: Es lag womöglich in der Luft. Könnte das aufgehen? Einiges sprach dafür. Der Erfolg von „Parasite” (2019, Regie: Bong Joon-ho) zum Beispiel: aus Südkorea direkt in die Oscar-Verleihungen 2020. Ausbeute: vier goldene Trophäen. J-Pop, K-Pop und Manga waren schon bekannt, japanische, chinesische, koreanische Kulinarik Trends in Berlin. Dies müssen Gründe gewesen sein, die die Yorck-Kinogruppe dazu veranlasste, den Weg frei für ein Programm zu machen. Und vielleicht, wie Wagner unterstreicht, lag es auch ein wenig an der deutschen Ausnahme-Liebe für Filme von Wong Kar-Wai. Der Hongkonger Regisseur ist für Klassiker wie “In the Mood for Love” verantwortlich, ein Film, der vielen als einzigartige Geschichte von Liebe und Einsamkeit in Erinnerung geblieben ist. „in the mood” – ein Tribut an ihn also.

Szene aus „Everything Everywhere All at Once“, US-Amerikanisch-Chinsesiche Reise durch parallele Realitäten und fulimanter erster Film bei in the mood, 2022

Im Programm: Spannende Ästhetiken, Anspruchsvolles, aber auch schnelles Kino und große Geschichten

Die Liste aller bisher bei „in the mood“ gezeigten Titel liest sich divers: Mit „Everything Everywhere All at Once”, einem grandios lustigen Sci-Fi-Abenteuer, das sich um die US-amerikanisch-chinesische Community dreht, ging es 2022 erstklassig los. Es finden sich aber auch jene historischen Rückgriffe wie „Tokyo Drifter – Der Mann aus Tokio”, der absurde, grelle Gangster-Film aus Japans späten 60ern oder der Dokumentarfilm „Hao Are You”, der Familiengeschichten zwischen Deutschland, den USA, Hong Kong und Vietnam aufspannt. Die Selektion verantwortet Feliks Wagner zusammen mit Co-Kurator Thomas Künstle; Künstle ist ein Kollege aus der Filmbranche und hat koreanische Wurzeln. „Wir suchen nach interessanter Ästhetik, viel Atmosphäre, gewollter Langsamkeit, Anspruchsvollem, haben aber zwei unterschiedliche Geschmäcker”, erzählt Wagner. „Es ist ganz wichtig, dass Thomas manchmal dazwischen geht und sagt: ‚Hey, wir brauchen mal wieder mehr Zugänglichkeit, mehr großes Kino’.”

Regisseur-Gespräch bei in the mood
So oft wie möglich bei in the mood: Q&A mit Regisseur:innen. Hier Kazuhiro Soda (l.) mit seinem Film „Die Katzen vom Gokogu-Schrein“ im Gespräch mit Feliks Wagner (r.). Foto: Feliks Wagner

Angebote für die asiatisch-deutsche Community

Den beiden Köpfen hinter „in the mood“ geht es um die Sache selbst, um filmische Substanz, um richtig gutes Kino. Sie wissen aber, dass in Fragen der Repräsentation ein Ungleichgewicht besteht: Japan, Südkorea, Taiwan sind stark vertreten, andere Länder, etwa Vietnam, Indien, Thailand tauchen deutlich weniger auf – „Das Problem sind oft die Filmrechte: Gibt es keinen deutschen Verleiher, können wir nichts machen. Japan oder Korea – da ist der Fundus schon breit. Bei anderen Ländern ist das nicht so.” Dennoch, so betont Wagner, sei ihnen insbesondere Vietnam ein wichtiges Anliegen: „Berlin hat eine große vietdeutsche Community. Bisher haben wir ‚Der Duft der grünen Papaya‘ [1993] von Trần Anh Hùng gezeigt und es laufen schon die Pläne für einen weiteren Film, nächstes Jahr. Ansonsten gibt es manchmal abseits von ‚in the mood‘ besondere Screenings – direkt von der und für die asiatisch-deutsche Community.”

in the mood-Kurator Thomas Künstle bei einer Sake-Verkostung
Besonderer Anlass bei in the mood: Sake-Verkostung mit Co-Kurator Thomas Künstle. Foto: Feliks Wagner

Q&A mit Regisseur:innen oder Sake-Verkostung

Was Feliks Wagner zuversichtlich macht: „in the mood“ hat Liebhaber:innen gefunden. Er erinnert sich gern an das Advents-Screening von Satoshi Kons tragisch-komischer Anime-Weihnachtsstory „Tokyo Godfathers” inklusive spontan organisierter Tombola und viel Austausch – die Stimmung sei euphorisch gewesen. Manchmal kämen Leute zu ihm, um sich persönlich für das Programm zu bedanken. Pläne, dieses noch auszubauen, hat Wagner genug: „Mehr Regisseur:innen für ein Q&A einzuladen, das wäre super. Außerdem haben wir manchmal schon Sake ausgeschenkt. Eigentlich, so finde ich, liegt es bei unserem ostasiatischen Rahmen ja nahe, den kulinarischen Aspekt reinzubringen.” Abendessen im Kino, die Organisation werde aber schwierig, sagt er lachend. Das Konzept von „in the mood“ funktioniert aber auch jetzt schon (ohne eine warme Schüssel Nudeln) wunderbar.

  • Neues Off Hermannstr. 20, Neukölln, jeden zweiten Dienstag (abends) und jeden zweiten Sonntag (mittags), reguläre Kinopreise, mehr Infos hier

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