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Neue Prime-Serie

Sie spielt Stella in „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“: Lena Urzendowsky über Christiane F.

Die gebürtige Berlinerin Lena Urzendowsky, Jahrgang 2000, hatte uns schon im wunderschönen Kreuzberg-Film „Kokon“ begeistert. In der neuen Serie „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ auf Amazon Prime spielt sie nun Stella – eine von sechs Hauptfiguren, die beste Freundin von Christiane F. Ein Gespräch über das Glück, in Rollen zu schlüpfen, offene Türen am Set und geile Hosen.

Lena Urzendowsky als Stella in der Serie "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" – im perfekten 1970er-Look. Foto: Constantin Television/Mike Kraus
Lena Urzendowsky als Stella in der Serie „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ auf Prime – im perfekten 1970er-Look. Foto: Constantin Television/Mike Kraus

Lena Urzendowsky in neuer Prime-Serie: Die beste Freundin von Christiane F.

tipBerlin Frau Urzendowsky, wie kamen Sie zu der Rolle von Stella in der Serie „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“?

Lena Urzendowsky Ich hab ganz normal ein Casting gemacht. Dadurch dass es so viele Rollen sind, und sehr verschiedene Typen gesucht wurden, zog sich das fast über ein halbes Jahr hin. Ich habe zwei Runden gemacht. Nach der ersten dachte ich schon fast, das wird nichts mehr, weil ich danach relativ lange nichts gehört hatte. Ich bin dann total ausgeflippt vor Freude, dass ich doch noch ein zweites Mal hingehen durfte, das zweite Casting war dann auch rollenspezifisch für Stella, beim ersten Mal ging es noch um alle weiblichen Rollen.

tipBerlin Wurden Sie eingeladen, oder haben Sie sich selbst bemüht?

Lena Urzendowsky Es war wohl beides. Es gab eine Mail an alle Caster und Agenturen, parallel habe ich auch über Freunde von der Serie gehört, von Schauspielern, die bereits eingeladen wurden, und hab mir insgeheim gewünscht, dass ich auch eine Chance bekomme. Meine Agentin hatte mich da aber eh schon vorgeschlagen.

tipBerlin Welchen Bezug haben Sie zu der Geschichte, die ja inzwischen 40 Jahre alt ist, also doppelt so alt wie Sie selbst?

Lena Urzendowsky Ich habe den Film mal zusammen mit zwei guten Freundinnen gesehen. Da waren wir so um die zehn, glaube ich. Das habe ich sehr prägnant in Erinnerung, es war im Winter, wir wollten Plätzchen backen, und dann beschlossen wir, ach komm, lass uns vorher noch einen Film schauen. Danach haben wir nichts mehr gebacken. Man musste das erst mal verarbeiten. Ich weiß noch, dass uns das ganz schön beschäftigt hat.

Urzendowsky: „Der Film hat mich der Erwachsenenwelt näher gebracht“

tipBerlin Empfanden Sie den Film als schockierend? Es geht ja um Drogen, um Sex, um Tod.

Lena Urzendowsky Ich konnte ganz gut damit umgehen, ich würde eher sagen, der Film hat mich wieder ein paar Schritte der Erwachsenenwelt nähergebracht. Ein Stückchen Naivität ist dabei draufgegangen, das habe ich aber eher als Bereicherung empfunden.

tipBerlin Stella, die Sie spielen, ist die beste Freundin von Christiane F. in der Serie. Ein Kneipenkind. Konnten Sie die Figur auch selbst ein bisschen mitentwickeln?

Lena Urzendowsky Das habe ich bei Regisseur Philipp Kadelbach sehr geschätzt, dass wir immer zu ihm kommen konnten, um Vorschläge zu machen oder Dinge noch mal nachzufragen, wenn es um einen Satz ging oder auch größere Dinge, die die Rolle betrafen. Wir haben uns sehr viel Zeit genommen, auch mit der Maskenabteilung, insbesondere mit Maike Heinlein und Gerhard Zeiss, um herauszufinden, wie es Stella jeweils geht, damit sich das auch in ihrer äußeren Erscheinung widerspiegelt. Ich habe mich immer sehr gehört gefühlt.

Bei so einer großen Serie merkt man allerdings manchmal erst hinterher, was in der Geschichte alles drinsteckt. Am Ende wird ein Bogen dann zum Beispiel doch eher über eine andere Figur erzählt. Wenn ich jetzt alle acht Folgen sehe, erkenne ich erst die Gesamtdramaturgie, und Stella ist eben nur eine Figur des Ensembles.

tipBerlin Hat das Berlin von damals mit dem heutigen noch etwas zu tun?

Star aus „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ auf Prime: „Wir berlinern zuhause“

Lena Urzendowsky Meine Mutter ist eine richtige Berliner Pflanze. Mein Bruder Sebastian Urzendowsky, der auch Schauspieler ist, ist ja sogar in der DDR geboren, als die Mauer noch stand. Es gibt da ein bestimmtes Lebensgefühl, das ich kenne. Meine Mutter spricht auch so, also wir berlinern zuhause, und ich fühle mich der Stadt sehr verbunden.

Wenn ich an die Bezüge zur heutigen Zeit denke, finde ich vor allem das Thema Sucht an sich sehr spannend. Das zieht sich auch durch die ganze Serie, die Mutter von Stella ist Alkoholikerin. Sich nicht auf die Welt einlassen wollen oder können und sich deswegen in eine Sucht flüchten, das ist ein Thema, das überhaupt nicht an die Zeit damals gebunden ist.

„Ich bin auf jeden Fall behüteter aufgewachsen als Stella und Christiane“

tipBerlin Gibt es Erfahrungen aus der eigenen Jugend, auf die Sie sich beziehen konnten?

Lena Urzendowsky Ich bin auf jeden Fall behüteter aufgewachsen als Stella und Christiane. Aber es gibt immer Ebenen, die sich überschneiden, oder ich habe eine Freundin, die ähnliche Erfahrungen gemacht hat. Vor einem Dreh habe ich immer alle Antennen aufgestellt. Ich habe zum Beispiel viele Bilder aus Zeitschriften und aus dem Internet gesucht und mir so ein Heft gemacht, um das Feeling für die Zeit zu bekommen.

tipBerlin Kostüme und Frisuren sind ja schon sehr besonders.

„Eine Hose geiler als die nächste“

Lena Urzendowsky Ja, nicht? Kostümproben sind mir immer total wichtig. Und die mit Nicole Fischnaller, der Kostümbildnerin, waren der Hammer. Es sagt ja so viel aus über einen Menschen, wie wir uns kleiden. Und in diesem Fall war eine Hose geiler als die nächste.

tipBerlin Ein wichtiger Teil der Serie und schon des Films „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ ist die Musik. Wie wichtig ist Ihnen im eigenen Leben Musik?

Lena Urzendowsky Die Musik aus der Zeit habe ich erst während des Drehs so richtig entdeckt. Ich habe in der Zeit sehr viel Velvet Underground und Nico gehört, David Bowie dann auch noch mal bewusster. Christiane F. hat außerdem selbst Musik gemacht, die kannte ich nicht, fand ich dann aber auch sehr spannend. Persönlich höre ich gern Indiepop, zum Beispiel die Band Fenster, die Leadsängerin JJ Weihl hat mit Discovery Zone ein Album gemacht, das höre ich gerade viel. Manchmal mag ich es aber auch, einen Tag mit HipHop zu beginnen. Das hängt wirklich einfach von der Stimmung ab.

Bereit fürs Rampenlicht: Lena Urzendowsky beim tipBerlin-Fotoshooting. Foto: Harry Schnitger
Bereit fürs Rampenlicht: Lena Urzendowsky, zu sehen in der Prime-Serie „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, beim tipBerlin-Fotoshooting. Foto: Harry Schnitger

tipBerlin Wie sind Sie Schauspielerin geworden?

Lena Urzendowsky Ich war fünf Jahre alt, als ich begriffen habe, was eine Schauspielerin ist, und dass das etwas für mich ist. Meine Eltern hatten mir zusammen mit einer Freundin eine Karte für den Friedrichstadtpalast geschenkt, da spielten auch Kinder mit, und ich habe damals verstanden, dass Schauspiel nicht an Alter gebunden ist – dass es nicht nur ein Beruf für Erwachsene ist.

Meine Eltern wollten zwar ungern, dass ich so jung schon was Professionelles mache, ich habe sie aber so lange beredet, bis sie nachgegeben und mich in einer Musicalschule angemeldet haben. Da habe ich dann acht Jahre lang eine Ausbildung gemacht.

Mit 12 wuchs der Wunsch, vor der Kamera zu stehen, und ich habe mich bei Agenturen beworben. Das war aber schwierig, denn da brauchte man meistens schon Erfahrung. Ich habe dann irgendwann mit Kai S. Pieck, einem befreundeten Regisseur der Familie, zwei eigene Videos gedreht, das war dann meine Dreherfahrung. Mit 14 war ich dann endlich in einer richtigen Agentur.

tipBerlin 2020 sind Sie mit einer Hauptrolle in dem Film „Kokon“ von Leonie Krippendorff aufgefallen.

In „Kokon“ hatte Lena Urzendowsky ihre erste Kinohauptrolle

Lena Urzendowsky Diese Rolle ist für mich zusammen mit „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ eine der wichtigsten bis jetzt. Es war meine erste Kinohauptrolle. In der Arbeit mit Leonie Krippendorff konnte ich mich als Schauspielerin so richtig entfalten. Ich hatte das Gefühl, bei Leonie immer offene Türen einzurennen, wenn ich etwas auf dem Herzen hatte.

Ich durfte eine Figur mitentwickeln, ich durfte alles sagen, was ich dachte, und so richtig an dem Prozess beteiligt sein. Ich liebe es, wie poetisch Leonie Bücher schreibt, wie viel durch Subtext oder Blicke übertragen wird. Solche Geschichten gucke ich mir auch persönlich gerne an, da spüre ich einen großen Bezug.

V.l.: Leonie Krippendorfer und Lena Urzendowsky am "Kokon"-Schauplatz. Foto: Imago/Tagesspiegel
V.l.: Leonie Krippendorfer und Lena Urzendowsky am „Kokon“-Schauplatz. Foto: Imago/Tagesspiegel

tipBerlin Können Sie ein Beispiel nennen, wie die Zusammenarbeit mit Leonie Krippendorff sich gestaltet hat?

Lena Urzendowsky Wir haben uns mehrmals getroffen, um nur die Körperhaltung von Nora zu üben. Damit es ein bisschen was Boyisches hat. Nora und Stella laufen vollkommen anders. Für Stella bin ich mehrmals, damals ging das noch, das war vor Corona, allein in einen Club gegangen um zu üben, wie sie tanzt. Sie tanzt anders, expressiver als ich als Lena. Mit Leonie Krippendorff habe ich gelernt, wie man richtig intensiv an eine Rolle herangeht.

tipBerlin „Kokon“ hatte vor einem Jahr auf der Berlinale Premiere. Danach kam Corona. Wie hat sich das für Sie ausgewirkt?

„Es ist, als wäre man noch mal anders in sich gefangen“

Lena Urzendowsky Ich hatte dadurch plötzlich eine Lücke. Eigentlich sollte ich im Frühjahr einen Kinofilm drehen, „Sweet Disaster“ mit der finnischen Regisseurin Laura Lehmus, so im April. Mit „Kokon“ waren wir auf vielen Festivals eingeladen, in Istanbul oder in Guadalajara, und es war wie die Erfüllung eines Lebenstraums, mit einem Film, der mir so am Herzen liegt, um die Welt zu reisen. Ich war völlig aus dem Häuschen, und dann wurde eben auf einen Schlag alles abgesagt.

Ich habe dann das Glück gehabt, dass ich mich aufs Land verziehen konnte. Dort hatte ich Zeit, um einfach nur zu kochen und zu lesen und mich ein bisschen mit Fotografie zu beschäftigen, was ich immer schon mal machen wollte. Die Dreharbeiten zu „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ hatten sechs Monate gedauert, von Sommer 2019 bis Februar 2020, das war natürlich fordernd. Gegen Ende des letzten Jahres wurden dann die Filme gedreht, die eigentlich im Frühjahr und im Sommer hätten gedreht werden sollen.

Das Drehen mit Corona ist sehr anders, teilweise haben wir auch mit Masken geprobt, die wurden erst beim Drehen abgenommen, das war schon komisch, dann sieht man erst die Mundpartien, die Mimik von seinem Gegenüber. Es ist, als wäre man noch mal anders in sich gefangen. Natürlich bin ich aber sehr froh, dass ich arbeiten konnte.

Ein heißer Sommer in Kreuzberg: Lena Urzendowsky (li.) im Film "Kokon". Foto: Salzgeber
Ein heißer Sommer in Kreuzberg: Lena Urzendowsky (li.) im Film „Kokon“. Foto: Salzgeber

tipBerlin Wie groß ist der Unterschied zwischen einer Spielfilmproduktion wie „Kokon“ und einer großen Serie wie „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“?

Lena Urzendowsky Bei „Kokon“ war der Dreh viel familiärer. Ich kannte alle am Set mit Namen und habe mich mit allen auch mindestens einmal unterhalten. Das war für niemanden nur ein Job. Das ist bei so einer großen Produktion anders. Auch da spürt man natürlich die Leidenschaft, aber es ist wirklich unfassbar, wie viele Menschen da beteiligt sind. Über sechs Monate hinweg passiert außerdem im eigenen Leben viel mehr, man macht Phasen durch und bleibende Erfahrungen.

Bei „Kokon“ gingen die Dreharbeiten hingegen nur über einen Monat. Mit „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ waren wir kurz vor der Berlinale fertig. 2020 hatte ich dann noch einen Seriendreh: die dritte Staffel von „How to Sell Drugs Online (Fast)“ für Netflix.

tipBerlin Wie sehen Sie den Unterschied zwischen Streaming und Kino?

Lena Urzendowsky Ich liebe Kino. Ich gucke mir sehr gern auch Filme an, die schwierig sind, das ist als ginge ich in ein Museum. In meinem Zimmer habe ich eine Wand ganz freigelassen, damit ich da hinbeamen kann, denn während Corona habe ich bemerkt, dass ich Kino sonst zu sehr vermisse.

Streaming sehe ich eher als Konkurrenz zum Fernsehen. Ich lese ja auch Novellen und Romane, und so will ich da auch beides haben: Kino und Streaming. Serien sind auch schauspielerisch total spannend: Es bietet eine große Vielseitigkeit innerhalb einer Rolle, wenn man sie über einen so langen Bogen erzählen kann. Stella macht ja sehr unterschiedliche Erfahrungen im Verlauf dieser acht Stunden.

tipBerlin Gibt es Kinos in Berlin, die Sie besonders lieben?

Lena Urzendowsky Zu Kinos, in denen ich Premieren hatte, habe ich eine spezielle Beziehung, denn das ist immer persönlich super aufregend. Zum Beispiel der Zoo Palast. Generell mag ich Kinos mit schönen Vorhängen, zum Beispiel auch das Delphi.

tipBerlin Haben Sie Lieblingsserien?

Lena Urzendowsky Ich habe „House of Cards“ gerne gesehen. Zuletzt fand ich „Euphoria“ sehr gut, da gab’s bisher nur eine Staffel, die fand ich thematisch, aber auch schauspielerisch sehr beeindruckend. Ich habe aber auch gerade die „Vier Jahreszeiten“ von Eric Rohmer entdeckt, die haben mich genauso bereichert. Das wäre eine Serie aus dem Kino!

tipBerlin Der Bahnhof  Zoo war für West-Berlin ein mythischer Ort. Gibt es einen Ort in Berlin, zu dem Sie persönlich einen starken Bezug haben?

Lena Urzendowsky Da wäre für mich tatsächlich der Kreuzberg wichtig. Ich genieße den Ausblick, und habe immer viele gute Gespräche da oben geführt. Da steht ja dieses Denkmal, und wenn sich da im Sommer abends die Platten aufwärmen, dann sitze ich da besonders gerne in der Abendsonne.


Mehr zu „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ und Christiane F.

Eine drogensüchtige Teenagerin begründet einen Berlin-Mythos: Christiane F. – der Mythos vom Bahnhof Zoo bis zur neuen Prime-Serie. In den 1980er-Jahren war sie ein Star: Wir zeigen auch Ilse Rupperts grandiose Fotos von Christiane F. aus dieser Zeit. Zum Start des Films 1981 haben wir mit dem Regisseur gesprochen: Uli Edel über „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“. Die Gegend war nicht nur schmuddelig. Kaiserzeit bis City-West: 12 Fotos aus der Geschichte vom Bahnhof Zoo.

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