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„Der Mauretanier“ mit Rahim und Foster: Der Mann, der in Guantanamo verschwand

JUSTIZ-THRILLER 20 Jahre sind bald vergangen seit den Anschlägen von 9/11. Der spektakuläre Angriff auf das World Trade Center ließ die USA auf eine davor ungeahnte Weise verwundbar erscheinen, und die Supermacht wehrte sich entsprechend rücksichtslos. Neben den Kriegen in Afghanistan und später im Irak gab es auch zahlreiche Festnahmen in aller Welt, oft vollkommen willkürlich. Eine dieser Geschichten erzählt nun der Film „Der Mauretanier“ von Kevin MacDonald nach, mit Jodie Foster und Benedict Cumberbatch in tragenden Hauptrollen, vor allem aber mit dem großartigen französischen Star Tahar Rahim in einer großen Rolle.

Der Mauretanier: Jodie Foster
Tahar Rahim und Jodie Foster in „Der Mauretanier“. Foto: Tobis

Der Mauretanier heißt in Wirklichkeit Mohamedou Ould Slahi. Er ist gerade zu Gast bei einer Hochzeit in dem westafrikanischen Land, als er nach draußen gebeten wird. Er kann sich gerade noch von seiner Mutter verabschieden, dann verschwindet er für lange Zeit. Denn es erweist sich, dass die USA ihn verdächtigen, für Osama Bin Laden gearbeitet zu haben, den Drahtzieher der Attentate von 9/11. Mohemadou wird nach Guantanamo gebracht, jenes amerikanische Lager auf der Insel Kuba, mit dem die Behörden unter Präsident George W. Bush am liebsten eine Zone außerhalb des Rechts eingerichtet hätten.

Folter ist das eigentliche Thema in „The Mauretanian“ mit Tahar Rahim und Jodie Foster

Die Verfilmung durch den britischen Routinier Kevin MacDonald („Der letzte König von Schottland“) beruht auf den Guantanamo-Tagebuch von Slahi. Bald dreht sich die Perspektive um, in Richtung der beiden „weißen“ Stars: Jodie Foster spielt eine Anwältin, die sich für den in Guantanamo bald nur noch als „Der Mauretanier“ bezeichneten Inhaftierten einsetzt. Benedict Cumberbatch spielt den Ankläger, der im Auftrag des militärischen Apparats dafür sorgen soll, dass Slahi gefälligst die Todesstrafe bekommen soll. Die Prozessvorbereitungen führen also aus zwei Richtungen auf das dunkle Geheimnis zu, das Mitte der nuller Jahre noch zu lüften war: auf die „Spezialmaßnahmen“, die Amerikaner damals in Verhören anwandten. Die USA haben in Guantanamo gefoltert, die Politik von Präsident Bush abwärts hat diesen unerhörten Rechtsbruch gewollt und bestärkt.

Tahar Rahim und Jodie Foster in "The Mauretanian". Foto: Tobis
Im Gespräch: Tahar Rahim und Jodie Foster in „The Mauretanian“. Foto: Tobis

Im Kino der vergangenen zwanzig Jahre haben diese Ereignisse eine tiefe Spur hinterlassen. Besonders wichtig waren die Diskussionen um Kathryn Bigelows „Zero Dark Thirty“, bei dem manche kritischen Stimmen meinten, sie hätte indirekt die Folter gerechtfertigt. „Der Mauretanier“ hingegen blickt schon aus der Perspektive auf die Ereignisse zurück, die sich unter Präsident Obama etabliert hat: damals wurden die „Spezialmaßnahmen“ zwar beendet, allerdings ist Guantanamo bis heute nicht geschlossen, und gerade Slahi bekam von den Obama-Behörden auch noch Prügel zwischen die Füße geworfen und musste bis 2016 auf seine Freilassung warten.

Im Grunde erzählt der Film auch schon die Entstehung von Slahis Buch. Denn seine Kommunikation mit der Anwältin Nancy Hollander (Jodie Foster) macht im wesentlichen die Spannung von „Der Mauretanier“ aus, der als klassischer Justiz-Thriller die Bemühungen um geheime Dokumente in den Mittelpunkt rückt. Während Hollander sich mit Behörden abmüht, die nichts herausrücken wollen, oder wenn, denn fast alles geschwärzt, beginnt Slahi seine Erlebnisse für die Anwältin aufzuschreiben. „Der Mauretanier“ macht nebenbei auch deutlich, dass das große Thema der nuller und zehner Jahre, der globale Terrorismus, zumindest für den Augenblick in den Hintergrund gerückt ist. Ein zweites 9/11, zu dessen Verhinderung damals fast alles erlaubt schien, hat es nicht gegeben. Die Erosion des Rechts aber ist ein Problem, das weit über die Terrorismusbekämpfung hinausgeht.

The Mauretanian (OT). GB 2021; 130 Min.; R: Kevin MacDonald; D: Tahat Rahim, Jodie Foster, Benedict Cumberbatch; Kinostart: 10. 6.

Mit insgesamt sechs Vorführungen eröffnet „The Mauretanian“ heute 9. Juni auch das Berlinale Summer Special 


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