Lichtspielhaus

Kino Colosseum wieder geöffnet: Ex-Team trotzdem unglücklich

Anfang Oktober hat das Traditionskino Colosseum in Prenzlauer Berg eine Filmpremiere gefeiert. Es war die erste seit der Schließung wegen eines Insolvenzverfahren 2020. Gezeigt wurde „In einem Land, das es nicht mehr gibt“ – und das in einem Kino, das es eigentlich nicht mehr geben sollte. Denn es stand lange leer, die Versuche der Belegschaft, es zu retten scheiterten – bis eine Hamburger Immobilienfirma einstieg, die allerdings alles neu machte. Wir haben mit Michel Rieck, einem ehemaligen Mitarbeiter des Colosseum, über die Zeit nach der Schließung gesprochen.

Das Colosseum an der Schönhauser Allee prägt den Kiez seit fast 100 Jahren. Foto: Marija Balsa

Traditionskino Colosseum musste schließen: Was ist passiert?

Das Traditionskino Colosseum an der Schönhauser Allee eröffnete erstmalig 1924 mit 1200 Plätzen. Seinen berühmten cinematischen Außenbereich mit der grünen Neon-Leuchtschrift bekam das Lichtspieltheater 1997 bei einem Umbau. 2006 übernahm Sammy Brauner, Sohn des Filmproduzenten Artur Brauner, die Geschäftsführung des Colosseums. Artur Brauner bezeichnete das Colosseum sogar als eines der „schönsten Kinos der Welt“.

Die Jahre vergingen und es lief durchaus gut für das Kino. Doch dann kam 2020 Corona, das Kino musste wegen der Lockdownmaßnahmen schließen, würde aber zeitnah wieder eröffnet werden. Zumindest wurde dies den Mitarbeiter:innen so mitgeteilt. Doch dann kam der Schock: im Mai 2020 meldete Sammy Brauner eine Insolvenz für die Kino Colosseum Betriebsgesellschaft mbH an und kündigte den Pachtvertrag fristlos.

Doch für die Mitarbeiter:innen des Colosseums ergibt die Insolvenz keinen Sinn: „Das gesamte Team war sehr geschockt, da wir in der Annahme waren, dass, selbst wenn alle andere Kinos pleitegehen würden an Corona, uns so etwas nicht passieren könne, weil wir mit der Familie Brauner eine der einflussreichsten und finanziell stärksten Familien im Rücken hatten, die es in Deutschland gab.“

Das Colosseum hat nach Verkündung der Insolvenz Unterstützung von Einwohner:innen und Gewerkschaften bekommen. Foto: Michel Rieck.

Noch wenige Monate vor der Insolvenzanmeldung wurde mit dem Betriebsrat zudem ein großzügiges Kurzarbeitergeld von rund 90 Prozent während der Pandemie ausgehandelt, bei dem keinerlei Bedenken oder finanzielle Schwierigkeiten des Unternehmens erwähnt wurden. Wäre eine drohende Insolvenz absehbar gewesen, so wären diese Verhandlungen als absolut fahrlässig zu betrachten. Sogar noch wenige Tage vor der Insolvenzanmeldung wurde dem Personal schriftlich mitgeteilt, dass eine Öffnung zeitnah erfolge, wenn die damaligen Maßnahmen beendet würden. 

Die Angestellten setzten sich lautstark für ihr Kino ein

Die 43 Angestellten des Colosseums nahmen die Nachricht zuerst mit einer stillen Akzeptanz hin, doch dies wandelte sich schnell zu Verzweiflung. Denn die Mitarbeiter:innen haben mehrere Monate kein Geld vom Jobcenter erhalten, da die nötigen Papiere vom Arbeitgeber falsch oder verzögert an die Agentur für Arbeit überliefert wurden.

Zudem hatten die Angestellten den Willen, den Betrieb aufrechtzuerhalten und suchten nach Lösungsoptionen wie beispielsweise Spendensammlungen. Doch es stellte sich heraus, dass ein Weiterbetrieb seitens des Geschäftsführers nicht erwünscht war. Die finanzielle Unsicherheit gepaart mit der unschlüssigen Insolvenz weckte den Kampfgeist von den ehemaligen Angestellten des Kinos – sie gründeten „Rettet das Colosseum e.V.“.

Die ehemaligen Mitarbeiter:innen sehen sich als Teil des Kinos und setzten sich vehement gegen die Schließung ein. Foto: Michel Rieck

Die ehemaligen Angestellten wollten ganz klar für „ihr“ Kino kämpfen und „ihr“ Kino weiter erhalten. Es folgten darauf zwei Demonstrationen mit mehreren Hundert Unterstützern. Zudem wurde eine Petition ins Leben gerufen, die bis dato mehr als 12.000 Unterschriften einbrachte. Dem Verein Rettet das Colosseum ist es besonders wichtig, das Haus, insbesondere den denkmalgeschützten Bereich, zu erhalten und darauf aufmerksam zu machen, was seit der Anmeldung des Insolvenzverfahrens, alles falsch gelaufen ist.

Wie ist die Situation heute?

Nach knapp zwei Jahren werden nun wieder Filme in dem Traditionskino Colosseum ausgestrahlt. Das Kino hat mittlerweile einen neuen Besitzer, eine Hamburger Immobiliengesellschaft, jedoch ist sich Michel Rieck sicher, „dass wenn heute gesagt würde, wir können das Colosseum haben und den Kulturort wieder aufleben lassen, würden morgen einige auf der Matte stehen und mit anpacken.“.

Denn eins steht fest: Das Kulturkino Colosseum prägt die Schönhauser Allee schon seit 1924. Der nostalgische Charme, der durch den auffälligen Neon-Schriftzug des Kinos erzeugt wurde, macht es definitiv zu einer Attraktion im Kiez. Doch selbst wenn das Kino mit seinem Schriftzug erhalten bleibt, wechselten der Besitzer und das Personal – welches früher erheblich dazu beigetragen hat, das Colosseum zu einer Kulturstätte zu machen. Ob der Geist der vergangenen Jahrzehnte vom neuen Team weitergetragen werden kann, wird sich zeigen. Die Enttäuschung der früheren Mitarbeitenden wird das allerdings auch nicht aufwiegen.


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Wir freuen uns: Im September 2023 macht das Colosseum wieder auf. Das Colosseum ist nicht nur ein spektakulärer Ort um Filme zuschauen, sondern auch einer von vielen filmreifen Fotospots in Berlin. Alles rund um das Thema Filme findet ihr auch in unserer Kinorubrik. Und in der Hauptstadt gibt es sogar noch Läden mit Tradition: Diese Geschäfte sind mehr als 100 Jahre alt.

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