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Drama 

Lebenskampf in der Provinz: „Das Wunder im Meer von Sargasso“ im Kino

Auf nach Miami: Regisseur Syllas Tzoumerkas lässt gebrochene Menschen aufeinander los. Verroht an ihren Kompromissen, fungieren für sie Sexualität und Amoralität als Ventil

Real Fiction

Eigentlich wäre es landschaftlich hübsch in dem westgriechischen Lagunenstädtchen Mesolongi. Geschichte nistet hier, der Freiheitskampf gegen die Osmanen. Doch die Landschaft vermüllt zusehends. In hässlichen Häusern wohnen geplagte Menschen, die in Nachtclubs die Sau rauslassen und tags brav in Fischfabriken malochen.

Aale werden verarbeitet, auch von Rita. Sie will weg aus dieser stinkenden Enge. Nach Miami, weg vom Bruder, der sie immer übler drangsaliert. Der sadistische Drogenhändler und Schlager­sänger weiß die Kleinstädter zu beeindrucken. Doch eines Tages baumelt er am Baum – und das ruft Elisabeth auf den Plan, Mesolongis Polizeichefin. Noch eine, die sich wegwünscht. Nach Athen, wo ihre Karriere einst jäh endete, da sie nicht mitspielen wollte bei politischen Intrigen. Nun säuft sie, flucht herum und kann sich selbst nicht leiden.

Regisseur Syllas Tzoumerkas lässt gebrochene Menschen aufeinander los. Verroht an ihren Kompromissen, fungieren für sie Sexualität und Amoralität als Ventil. Jeder in diesem Film betrügt, lügt und schlägt um sich. Eine Brutalität, festgehalten in verstörend langen Einstellungen. Sie bestimmen Tzoumerkas Filmsprache. Harte Kost, dennoch mit Hoffnungsschimmern. Denn da sind Ritas Traumfragmente von liebevollen Menschen, surreale Szenen, biblisch gefärbt. Und die in Mesolongi geschlachteten Aale: Einmal im Leben haben zumindest sie es zur Fortpflanzung bis in die Sargassosee ­geschafft, jenem Gebiet östlich von Florida. Ein Gleichnis also für die Rückeroberung der Freiheit, der Existenz. Womöglich auch für Rita und Elisabeth.

Das Wunder im Meer von Sargasso GR/D/NL/S 2019, 121 Min., R: Syllas Tzoumerkas, D: Angeliki Papoulia, Youla Boudali, Hristos Passalis, Start: 12.9.

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