Den Namen Lee Perry las ich zum ersten Mal auf der Schallplatte "War Ina Babylon" von Max Romeo, die ich Ende der 70er-Jahre in einer Grabbelkiste entdeckt hatte. "Produced & engineered by Lee Perry” stand auf dem Label, was mir als Punkrock liebender Teenager gar nichts sagte. Doch alsbald stellte ich fest, dass Perrys genial-sparsame Produktion dieser Reggaeplatte, die totale Reduktion auf ein musikalisches Grundgerüst, gar nicht weit von dem entfernt war, was mir sowieso gefiel. Und war die "Burn down Babylon"-Haltung der Rastas nicht die Entsprechung zum "No Future"-Slogan?
Der mittlerweile 80-jährige und unvermindert aktive Perry tritt noch heute jeden Tag ein Bild der britischen Königin mit Füßen – und zwar wortwörtlich in seiner Schuhsohle. Das zeigt er dem Filmemacher Volker Schaner, der ihn für dieses Porträt über mehrere Jahre besucht und gefilmt hat – und Perry dabei nicht nur als Plattenproduzenten präsentiert, sondern vor allem als Gesamtkunstwerk in eigener Sache: Musiker, Poet und schräger Schamane in einer Person. Schaners Haltung dazu ist distanzlos-komplizenhaft – vielleicht auch die einzige Möglichkeit, diesem faszinierenden Charakter wirklich nahe zu kommen. Am schönsten bringt es Irmin Schmidt von Can auf den Punkt: Was ihn an Perry immer fasziniert habe, so Schmidt, sei dessen kindhafte Freude an verrückter Poesie bei einem gleichzeitig strengen Formbewusstsein.
Text: Lars Penning
Foto: Interzone
Orte und Zeiten: Lee Scratch Perry’s Vision of Paradise
Lee Scratch Perry’s Vision of Paradise D/GB/CH/JAM 2015, 100 Min., R: Volker Schaner
Kinostart: Do, 24. März 2016