• Kino & Stream
  • Greta Gerwig konzentriert sich in „Little Women“ erneut auf junge Frauen

Drama

Greta Gerwig konzentriert sich in „Little Women“ erneut auf junge Frauen

Greta Gerwigs zweite Regiearbeit nach dem großartigen „Lady Bird“ basiert auf dem gleichnamigen Roman der Schriftstellerin Louisa May Alcott aus den Jahren 1868/69 und erzählt die Geschichte von vier Schwestern in der Zeit des US-amerikanischen Sezessionskriegs und den Jahren danach

© 2019 CTMG, Inc. All Rights Reserved.

Eine junge Frau betritt in den 1860er-Jahren sichtlich nervös das Büro eines Zeitungs­redakteurs und Verlegers in New York und bietet ihm „im Namen einer Freundin“ ein Manuskript zur Veröffentlichung an. Der ­Redakteur überfliegt den Text mehr als flüchtig, streicht mehrere Seiten weg – und erklärt zur Überraschung seiner Besucherin die ­Geschichte für gekauft. Allerdings nur, falls der Schluss geändert würde. Denn einen Ratschlag darüber, was die Leserinnen und Leser angeblich am liebsten lesen, bekommt die junge Frau noch gratis dazu: Geschichten mit Happyend, in denen die Heldin heiratet.

Die Szene steht am Beginn von „Little ­Women“, der zweiten Regiearbeit der Autorin, Schauspielerin und Regisseurin Greta Gerwig, die es wie schon in „Lady Bird“ (2017) vermag, kurz und prägnant den Tonfall für ihren Film zu setzen und die wichtigsten Konflikte ihrer Hauptfigur zu etablieren. Natürlich ist die „Freundin“ nur vorgeschoben: Jo March (Saoirse Ronan) hat die Story selbst verfasst. Sie besitzt künstlerische Ansprüche und wird sich im Weiteren stets im Zwiespalt befinden, ob sie einfach ihrer Eingebung folgen oder aber jene Klischees abliefern soll, die sich verkaufen lassen. Denn sie möchte Geld verdienen und ihren eigenen Weg gehen – kein ganz einfaches Unterfangen für eine Frau Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Entscheidung fällt auch deshalb schwer, weil Jos heiratsunwillige Heldinnen ein Spiegel ihres eigenen Charakters sind: starrköpfig und unabhängig.

Möglichst reich heiraten

„Little Women“ basiert auf dem zweiteiligen gleichnamigen (und schon mehrfach verfilmten) Roman der Schriftstellerin Louisa May Alcott aus den Jahren 1868/69 und erzählt die Geschichte von vier Schwestern in der Zeit des US-amerikanischen Sezessionskriegs und den Jahren danach. Während der Vater, ein Geistlicher, für die Nordstaaten in den Krieg gezogen ist, wachsen die Mädchen in der Obhut ihrer Mutter (Laura Dern) in bescheidenen Verhältnissen auf.

Alle vier haben künstlerische ­Ambitionen: Jo schreibt, Meg (Emma Watson) besitzt schauspielerisches Talent, Amy (Florence Pugh) malt, Beth (Eliza Scanlen) spielt ­Klavier. Gemeinsam führen sie an Feiertagen Jos ­Theaterstücke auf. Der Film begleitet die „Little Women“, wie der Vater sie nennt, im Übergang zum Erwachsenenleben, folgt ihren Ambitionen und erkundet, was eine Frau in jenen Jahren erreichen kann. Und da scheinen die Optionen nicht allzu groß zu sein: Auch wenn man sich nicht mehr im Zeitalter eines Jane-Austen-Romans bewegt, ist der ­einfachste Weg für eine Frau immer noch, möglichst reich zu heiraten.

Thematisch bewegt sich „Little Women“ damit auf demselben Feld wie „Lady Bird“: Eine Coming-of-Age-Story, der Drang junger Frauen, sich künstlerisch auszudrücken, aber auch die Egozentrik der Jugend finden sich hier wie dort. Stilistisch könnte man „Little Women“ impressionistisch nennen: Gerwig tupft die Szenen so leicht und schlaglichtartig dahin wie Amy die Farben ihres Gemäldes, als sie in Paris Malstunden nimmt. Die Szenen reihen sich assoziativ aneinander und wirbeln die Chronologie ständig durcheinander, ohne dass die Verständlichkeit der Geschichte ­darunter leiden würde.

Hang zur Mädchenhaftigkeit

Zwangsläufig besitzt der Film bei so ­vielen jungen Frauen einen Hang zur Mädchenhaftigkeit, der die burschikose Jo allerdings genügend Gegengewicht verleiht, um nicht ins Süßliche abzugleiten. Und auch das sich abzeichnende Happyend vermag Gerwig geschickt aufzufangen, indem sie Jos Liebesheirat durch ein weiteres Gespräch mit dem Verleger in New York kontrastiert, dem Jo die Geschichte der „Little Women“ anbietet. Mit einem sehr zögerlichen und widerstrebenden Happyend natürlich. Die Kindheit ist endgültig vorbei.

Little Women USA 2019, 135 Min., R: Greta Gerwig, D: Saoirse Ronan, Florence Pugh, Emma Watson, Eliza Scanlen, Timothée Chalamet, Laura Dern, Meryl Streep, Start: 30.1.

Berlin am besten erleben
Dein wöchentlicher Newsletter für Kultur, Genuss und Stadtleben
Newsletter preview on iPad