Steven Soderbergh hat schon vieles gemacht. Angeblich wollte sich der 49-jährige Regisseur, Autor, Produzent, Cutter und Kameramann vor einiger Zeit auch aus dem Filmgeschäft zurückziehen, doch das war wohl eher Koketterie. Auf der diesjährigen Berlinale wirkte Soderbergh kaum wie ein mürrischer Grübler: In der Doku „Side By Side“ lieferte er leidenschaftliche Appelle für das digitale Kino (Zelluloid, so Soderbergh, sei „irgendwie schmuddelig“), und auf der „Haywire“-Pressekonferenz strahlte nicht nur die Hauptdarstellerin, Kampfsportlerin Gina Carano, sondern auch ihr Regisseur. Niemand brauche mehr ernste Filme von ihm, erklärte Soderbergh und fügte an, er sei jetzt offenbar in der „Spaßphase“ seiner Karriere angekommen.
Bemerkenswert ist an Soderberghs angetäuschtem Ruhestand und den vermeintlichen Spaß-Projekten, dass der Filmemacher eine ungeahnte Leichtigkeit und Experimentierfreude entwickelt. Schließlich waren Filme wie die schmierig-charmante Wirtschaftssatire „Der Informant!“ (2009) und „Haywire“ mit seinem konsequent-lustvollen Krachbumm, die Soderbergh mutmaßlich als Spielerei gedreht hat, häufig seine überzeugendsten. In den letzten Jahren arbeitet Steven Soderbergh zudem immer öfter mit Laien und baut Filme um sie herum. In „The Girlfriend Experience“ (2009) spielt der Pornostar Sasha Grey eine Edel-Prostituierte, die ihren wohlhabenden Kunden nicht (nur) Geschlechtsverkehr bietet, sondern auch die Imitation des banalen Beziehungsalltags, Gespräche über Design-Möbel, die Finanzkrise oder die Arbeit inklusive. Wenn Grey über ihre Arbeit redet und die Grenzen der eigenen Käuflichkeit, gewinnt der Film Doppelbödigkeit; wenn sich Gina Carano in „Haywire“ mit Ewan McGregor und Michael Fassbender schlägt, ahnt man, dass die Männer im richtigen Leben keine Chance gegen den Mixed-Martial-Arts-Star hätten.
Und obwohl es unfair wäre, Channing Tatum als Laien-Darsteller zu bezeichnen, folgt „Magic Mike“ beiden Filmen, wieder geht es um die Vermengung von Darsteller-Biografie und Film-Fiktion und eine Auseinandersetzung mit Körperlichkeit. Tatum war vor seiner Schauspielkarriere Footballer, Model und Bauarbeiter, er hat Parfüm verkauft und Versicherungen, aber er war auch Stripper. Zusammen mit seinem Kumpel Reid Carolin hat Tatum seine Erfahrungen als mehr oder weniger nackter Bühnenunterhalter in Drehbuch-Form gebracht, als Traum-Regisseur war zwischenzeitlich Nicolas Winding Refn im Gespräch. Dass sie den Film (den Tatum und Carolin auch koproduziert haben) mit Steven Soderbergh gemacht haben, entpuppt sich jedoch als überaus glückliche Fügung. Denn dem Regisseur gelingt mit „Magic Mike“ ein schwungvoller, wenig schmuddeliger Film, der nicht nur eine kleine Liebeserklärung an das harte Stripper-Geschäft ist, sondern Channing Tatum ironischerweise auch die Gelegenheit gibt, mehr als nur seinen zugegebenermaßen eindrucksvollen Körper zu zeigen.
Um den geht es in „Magic Mike“ natürlich auch, denn in der von Chef Dallas (Matthew McConaughey) angeführten Stripper-Truppe in Florida ist Mike (Tatum) der ungekrönte Star. Wenn er tanzt und sich entkleidet, ist das Gekreische der Frauen um die 20 am lautesten. Vermeintlich süßes Leben: Als er auf dem Bau den jungen Adam (Alex Pettyfer) kennenlernt und ins lukrative Geschäft mitnimmt, kann der sich dem Reiz von Geld, Frauen und ewiger Party auch nicht entziehen. Doch Mike will eigentlich längst mehr, entweder zum Teilhaber der Strip-Firma aufsteigen oder als Möbel-Designer arbeiten. Zum Katalysator wird für ihn Adams Schwester (Cody Horn), für die sich Mike interessiert, die dem Partyprogramm und dem Geschäftsmodell Stripper aber eher skeptisch gegenübersteht. Channing Tatum gelingt es, mit charmanter Natürlichkeit die Anziehungskraft, aber auch den nagenden Zweifel des Strippers greifbar zu machen. Soderbergh inszeniert das gekonnt und ohne Allüren, für seinen bislang als Tänzer oder Action-Klotz eingesetzten Hauptdarsteller sollte das Ausgangspunkt für ernsthaftere Projekte und interessantere Rollen werden. Für das Publikum ist „Magic Mike“ ein unterhaltsames Sommermärchen mit beeindruckendem Soundtrack, schönen Bildern und einer kleinen, aber nicht unwichtigen Botschaft: Jede Spaßphase ist irgendwann vorbei.
Text: Thomas Klein
Foto: 2012 Concorde Filmverleih GmbH
tip-Bewertung: Sehenswert
Orte und Zeiten: „Magic Mike“ im Kino in Berlin
Magic Mike, USA 2012; Regie: Steven Soderbergh; Darsteller: Matthew McConaughey (Dallas), Channing Tatum (Magic Mike), Olivia Munn (Joanna); 111 Minuten; FSK 12
Kinostart: 16. August