Der „Ehrenmord“ an der kurdischstämmigen Berlinerin Hatun Sürücü, genannt Aynur, löste eine Debatte über die Versäumnisse im Miteinander der Kulturen in Deutschland aus. Sherry Hormann („Wüstenblume“) rollt Aynurs Geschichte nun auf, als Spielfilm mit dokumentarischen Foto- und Filmsequenzen aus dem Nachlass Sürücüs.
Die Erzählung, die Aynur als allwissende Erzählerin aus dem Off begleitet, beginnt mit ihrer Hochzeit. Die Eltern schicken Aynur (Almila Bağrıaçık) zu ihrem Cousin in die Türkei. Aber die junge Frau hält das Leben mit ihrem gewalttätigen Ehemann nicht aus. Schwanger und verzweifelt kehrt sie zurück in die Familienwohnung. Doch aus Sicht der Familie ist allein sie schuld am Scheitern ihrer Ehe. Als Aynur beschließt, ein neues Leben zu beginnen, zieht sie den Zorn ihrer Brüder auf sich: Aynurs jüngster Bruder erschießt sie am 7. Februar 2005.
Damit niemand auf die Idee kommt, die Mentalität in Aynurs Familie pauschalisierend mit „dem Islam“ gleichzusetzen, betont Hormann die Diversität der Community: In Gestalt von Aynurs Ausbilder Bekir und anderen bilden gläubige, aber liberale Muslime ein Gegengewicht zu den fanatischen Brüdern. Vorwerfen könnte man Hormann maximal, das „westliche“ Berlin als weitestgehend problem- und diskriminierungsfreies Wunderland zu zeichnen. Den Menschen Aynur bringt der Film einem aber in jedem Fall wunderbar nahe. Indem sie im wahrsten Wortsinn eine Stimme bekommt, tritt sie posthum aus ihrer Opferrolle und wird als die Person gewürdigt, die sie gewesen ist: eine Kämpferin mit fast endlosen Kraftreserven. Julia Lorenz
Nur eine Frau D 2019, 90 Min., R: Sherry Hormann, D: Almila Bağrıaçık, Merve Aksoy, Aram Arami, Start: 9.5.,