Die Kamera erzeugt die Wirklichkeit, die sie abzubilden vorgibt: Diese selbstkritische Grundeinsicht der Dokumentarfilmtheorie wird in der Praxis nur selten umgesetzt. Das Gros dokumentarischer Bilder – gerade in den gängigen Fernsehformaten – reagiert auf diese Infragestellung seiner Arbeitsgrundlage mit Hyperkompensation, wird noch konkreter, distanzloser, betroffener.
Die in der Reihe Performing Documentary im Arsenal gezeigten neueren Filme aus Deutschland und Österreich beweisen, dass es auch anders geht. Sie beschäftigen sich mit Menschenhandel, häuslicher Gewalt oder Wirtschaftskriminalität und inszenieren den Dialog zweier Diskursproduzenten: Die Bilder interagieren mit einer Realität, die sich für sie her- und zurichtet, und werden zum Analyseinstrument, das sich im Arbeitsprozess ebenso verändert wie der Gegenstand. So entstehen „Röntgenbilder der Sollbruchstellen von Herrschaftsverhältnissen“, wie es die Filmemacherin Tina Leisch formuliert.
Text: Stella Donata Haag
Performing Documentary, Filme und Gespräche von Do, 2. bis So, 5. Juni im Kino Arsenal