Schulunterricht als geistige Tretmühle: In zwei Reihen hocken 70 Schüler auf dem Fußboden des Klassenzimmers, vor sich ein kleines Gestell mit einem aufgeschlagenen Buch. Lautes Stimmengewirr erfüllt den Raum, beim Rezitieren der Koranverse schunkeln die Kinder wie besessen vor und zurück. Tag für Tag, Jahr für Jahr müssen sie Sure um Sure des Korans auswendig lernen, bis sie alle 6234 aufsagen können – auf Arabisch, einer Sprache, von der sie kein Wort verstehen.
Rund 10.000 solcher Madrasas genannte Koranschulen gibt es in Bangladesch, dem bevölkerungsreichsten muslimischen Land nach Indonesien und Pakistan. Die Schüler stammen zumeist aus armen Familien, die auf ein besseres Leben nach dem Tod hoffen, wenn die Kinder die Lerntortur überstehen und das heilige Buch auswendig können. „Korankinder“ zeigt Bilder aus dem drakonischen Unterricht und den Elternhäusern. Interviews mit den verschüchtert wirkenden Kindern, ihren Angehörigen, Befürwortern und Kritikern der Madrasas vermitteln einen erschütternden Eindruck von geistiger Unterwerfung, die vor allem den fundamentalistischen Führern islamistischer Parteien in Bangladesch dient.
Text: Ralph Umard
tip-Bewertung: Sehenswert
Orte und Zeiten: „Korankinder“ im Kino in Berlin
Korankinder, Bangladesch/Deutschland 2008; Regie: Shaheen Dill-Riaz; Farbe, 86 Minuten
Kinostart: 4. Juni 2009