Regisseur Max Linz untersucht in „Weitermachen Sanssouci“ nur leicht satirisch Strukturen der Forschung
Jetzt soll also der Ernst-Reuter-Platz das nächste Silicon Valley werden. Diese Vorstellung geistert jedenfalls durch die Köpfe so einiger Wissenschaftler und Wissenschaftspolitiker, die es kaum mehr erwarten können, dass Berlin auch endlich so richtig in die Welt von Big Data einsteigt. Max Linz erzählt in „Weitermachen Sanssouci“ nun von der Universität, wie sie sich heute vielfach neu formiert: als eine latent absurde Veranstaltung, hinter deren Ritualen sich allerdings nichts anderes als nacktes Profitinteresse verbirgt.
Die junge Forscherin Phoebe Phaidon (gespielt von Sarah Ralfs, im richtigen Leben auch Wissenschaftlerin, vor allem aber Christoph-Schlingensief-Expertin) kommt an ein Institut. Eigentlich sollte sie sich über ihre Perspektiven keine Illusionen machen: Sie ist letztlich nur da, „um den Betrieb am Laufen zu halten“. Der Betrieb besteht nun aber vor allem aus der Organisation des Betriebs. Für das Stellen von Fragen, gar für das Zuende-Denken eines Gedankens ist längst keine Zeit mehr, denn es müssen dauernd Anträge geschrieben und „Begehungen“ vorbereitet werden.
Wo früher das wissenschaftliche Ideal darin lag, neue Erkenntnisse zu finden und ihre Gültigkeit zu beweisen, geht es nun in erster Linie darum, „zu beweisen, dass wir die Besten sind“.
Max Linz, ausgebildet in Berlin an der DFFB, hat sich schon 2014 mit „Ich will mich nicht künstlich aufregen“ als scharfsinniger Beobachter des Kulturbetriebs erwiesen. Dass er sich nun mit dem System der akademischen Bildung beschäftigt, ist nur zu berechtigt: denn an der Verteilung des Wissens wird künftig fast alles liegen, und derzeit wirken auch die Unis (und bald wohl auch die Schulen) an der großen Datenabschöpfung mit.
In „Weitermachen Sanssouci“ spielt Sophie Rois die Chefin eines Instituts, die mit kühler Distanz verfolgt, wie sich die Verteilungskämpfe in ihrem Reich entwickeln. Da ist der typische Apparatschik Alfons Abstract-Wege, der an einem großen Projekt arbeitet, das sich mit „nudging“ („stubsen“ oder „knuffen“) beschäftigt. Der Begriff zielt wohl auch auf die Infantilisierung ab, mit der die Datengiganten ihre Kundschaft gleichsam an den Schnuller gewöhnen. Eigentlich sollte es am Institut ja um Klimaentwicklungssimulationen gehen, aber niemand wehrt sich so richtig dagegen, dass sich ganz andere Projekte durchsetzen.
Von diesen Prozessen erzählt Linz auf leicht satirische Weise, aber groß übertreiben muss er gar nicht. Eine Besetzung der Bibliothek zeugt dann zumindest bei den Studierenden von dem Wunsch nach einer anderen Universität, und kursorische Verweise auf eine denkbare andere Rolle der Kybernetik in der Gesellschaft (wie sie in Chile bis zum neoliberalen Putsch 1973 probiert wurde) eröffnen spannende gesellschaftskritische Horizonte.
Die kleine Berliner Schule eines gewitzten neuen Agitprops (neben Max Linz wäre da auf jeden Fall noch Julian Radlmaier zu nennen) nimmt mit „Weitermachen Sanssouci“ weiter Konturen an: Man könnte beinahe von einem Sonderforschungsbereich sprechen, der tatsächlich Erkenntnisse vermittelt.
Weitermachen Sanssouci D 2019, 80 Min., R: Max Linz, D: Sarah Ralfs, Sophie Rois, Philipp Hauß, Bernd Moss, Maryam Zaree, Start: 24.10.
Filmgespräch Max Linz mit Thomas Arslan: 28.10., 19.45 Uhr, fsk am Oranienplatz