Ein grotesker Fund setzt die Erzählung von Boris Hars-Tschachotins faszinierendem Dokumentarfilm in Gang. In Paris, bei einem seiner Ur-Onkel, entdeckt er die Urne mit der Asche seines Urgroßvaters Sergej Stepanowitsch Tschachotin, der 1973 in Moskau verstarb. Mit dem Ziel, die Überreste ordentlich zu bestatten, versucht sich der Film an einer Familienzusammenführung der heiklen Sorte, denn die überlebenden Söhne sind untereinander heftig zerstritten. Die Verzweigungen und Verwerfungen, denen „Sergej in der Urne“ bei der Rekonstruktion der außergewöhnlichen Biografie Tschachotins folgt, reflektieren die Bewegungen des 20. Jahrhunderts. Als Wissenschaftler und politischer Propagandist führte Tschachotin ein rastloses Leben – von der Russischen Revolution über die Endphase der Weimarer Republik bis zur Nachkriegszeit in Frankreich und der Sowjetunion. Geschickt verwebt der Film seine Materialfülle und zeichnet ein Bild der Geschiche, das ebenso wie die Familie von abgründigen Konflikten geprägt ist.
Text: Michael Baute
Foto: Liquid Blues Production
tip-Bewertung: Sehenswert
Orte und Zeiten: „Sergej in der Urne“ im Kino in Berlin
Sergej in der Urne, Deutschland 2009; Regie: Boris Hars-Tschachotin; 110 Minuten;
FSK 6
Kinostart: 23. Februar