Cristina do Rego wurde mit „Pastewka“ bekannt, jetzt spielt sie in der deutschen Adaption der BBC-Serie „Ghosts“ eine junge Frau, die plötzlich Gespenster sieht. Im Gespräch mit tipBerlin verrät sie, wie herausfordernd ein Dreh ohne physische Spielpartner ist und was sie an ihrer brasilianischen Heimat vermisst. Außerdem spricht Cristina do Rego über queere Repräsentation in der Medienbranche, über die Berliner Kulturkürzungen und 90er-Nostalgie.

„Ghosts“-Darstellerin Cristina do Rego kannte das Prinzip des Serien-Adaptierens schon von „Stromberg“
tipBerlin Cristina, wie bist du zu „Ghosts“ gekommen?
Cristina do Rego Ganz normal über ein Casting. Ich kannte ein paar von den Verantwortlichen, einen Produzenten und den Regisseur Erik Haffner. Den kenne ich seit der Pastewka-Zeit. In der ersten Castingrunde war ich erst nicht auf dem Schirm der Macher:innen, weil die Rolle auf ein Alter zwischen Ende 20 und Anfang 30 angedacht war. Ich bin Ende 30, und wahrscheinlich haben sie in den Datenbanken einfach nach Alter gefiltert. Als sie dann niemanden gefunden haben, dachten sie, was ist eigentlich mit Cristina? Dann haben sie mich doch reingeholt und festgestellt, das passt noch (lacht).
tipBerlin Kanntest du das britische und das amerikanische Original vorher?
Cristina do Rego Ja, das britische Original kannte ich, das amerikanische habe ich mir dann auch angeschaut. Ich finde, die beiden sind schon sehr unterschiedlich. Das war aber ganz interessant, um ein Gefühl dafür zu entwickeln, dass wir für den deutschen Markt ja auch nochmal anders werden. Auch das Prinzip des Adaptierens kannte ich schon, unter anderem von „The Office“ und „Stromberg“. Es ist hilfreich, sich vor Augen zu führen, dass eine Adaption keine reine Kopie ist. Man muss die Geschichte greifen und für den jeweilige Markt anpassen. Das ist uns sehr gut gelungen, wie ich finde.
tipBerlin Und was hat dich an der Rolle der Emma angesprochen?
Cristina do Rego Ich finde Emma cool, weil sie so pragmatisch mit ihrer Ausnahmesituation umgeht. Außerdem finde ich es spannend, eine Geschichte mit so vielen verschiedenen Charakteren zu spielen – vor allem unter dem Umstand, dass nur ich die alle sehen kann und diese Welt nur meiner Rolle gehört. Drehtechnisch war das echt herausfordernd, weil ich ja ganz oft mit und ohne die Geister drehen musste, je nachdem, welche Perspektive wir erzählt haben.
tipBerlin Wie hast du dich darauf vorbereitet, ohne physische Spielpartner zu spielen?
Cristina do Rego Ich hatte mich schon mental damit beschäftigt, aber in der ersten Drehwoche stand ich ein paar Mal da und dachte, oh Shit, hab ich das unterschätzt oder muss ich mich nur daran gewöhnen? Ich musste ja auch den Text der anderen Rollen beherrschen. Es ist echt schwer, wenn du keinen Fixpunkt hast, den du anspielen kannst. Du guckst so in den luftleeren Raum. Das hat mich dann doch in den ersten zwei Tagen ein bisschen irritiert. Irgendwann hatte ich aber den Clou raus. Man entwickelt seine eigenen Methoden. Irgendwann habe ich mir Markierungen in die Ferne geklebt und so getan, als seien das die Gesichter der Geister. Ich mag Herausforderungen, die meine Konzentration richtig fordern. Dafür liebe ich den Job.
tipBerlin Wie würdest du reagieren, wenn du, so wie Emma, plötzlich Geister oder andere übernatürliche Dinge sehen würdest?
Cristina do Rego Wahrscheinlich würde ich mich einweisen lassen (lacht). Aber eigentlich bin ich schon sehr offen für Energien und für Spiritualität, ohne dass ich aber selbst spirituell bin. Ich glaube schon an Energien und ich glaube auch, dass wenn man Gutes macht, auch Gutes zurückkommt. Sonst wäre ich auch sehr frustriert, das geht bestimmt vielen so. Aber wenn ich wirklich Geister sehen würde, würde ich mir Sorgen machen.
tipBerlin Die Geister kommen alle aus komplett unterschiedlichen Epochen. Welche Epoche davon findest du am spannendsten? Und wenn du in der Zeit reisen könntest, in welche Epoche würdest du zurückreisen?
Cristina do Rego Das finde ich sehr schwer zu beantworten. Ich bin ja ein Kind der 90er und fand diese Zeit richtig geil, weil sie so unbeschwert war. Deswegen finde ich Joachim (Anm. d. Red.: einer der Geister) so lustig, der spielt ganz begeistert Solitaire auf seinem Oldschool Laptop. Ich empfinde so eine Nostalgie für diese Zeit, weil wir noch so internetfrei waren. Aber gleichzeitig gab es schon aufregende technische Möglichkeiten. Ich merke manchmal, dass ich mich nach dieser Zeit sehne. Vielleicht wäre ich also gerne ein Geist der 90er. Ansonsten finde ich an den Rollen aus anderen Epochen alle auf die eine oder andere Art spannend. Nur den Neandertaler nicht so, da finde ich die Klamotte sehr schwierig. (lacht)
Cristina do Rego: „Die Mietpreise sind so absurd, dass man sich eigentlich gar nicht mehr erlauben kann, alleine zu wohnen“
tipBerlin Emma und Felix suchen eine Wohnung in der Stadt und sind sehr frustriert, dann erben sie auf einmal ein riesiges Anwesen. In Berlin und in großen Städten gibt es extrem wenig Wohnraum, gleichzeitig viele leerstehende Häuser auf dem Land: Könntest du dir vorstellen, als Alternative aufs Land zu ziehen?
Cristina do Rego Ich habe hier in Berlin noch einen ganz fairen Mietvertrag, aber ich bekomme die Wohnungsnot natürlich in meinem Umfeld mit. Ich habe zum Beispiel ein befreundetes Pärchen, die sich getrennt haben und beide einfach keine Wohnung finden. Die Preise sind so absurd, dass man sich eigentlich gar nicht mehr erlauben kann, alleine zu wohnen. Das ist für mich absolut nicht vertretbar. Aber deswegen aufs Land ziehen? Also, wenn alle meine Freunde mitkommen und mein Lieblingsvietnamese, dann schon. Sonst eher nicht.
tipBerlin Du bist mit sieben Jahren aus Brasilien nach Deutschland gezogen. Wie oft bist du heute noch da? Hast du noch viel Familie und Freunde in Brasilien?
Cristina do Rego Ich habe eine sehr, sehr große brasilianische Familie. Man muss sich das so vorstellen: Meine Oma hatte letztes Jahr 85. Geburtstag, wir haben im kleinsten Kreis gefeiert und das waren 130 Leute. Ich bin noch sehr oft dort. Ich fliege auch über Ostern hin, das habe ich mir gewünscht, jetzt wo meine Oma immer älter wird. Ich würde gerne nochmal meinen Geburtstag dort feiern und von meiner Oma einen Geburtstagskuchen bekommen. Im Portugiesischen gibt’s ein Wort, „Saudade“. Das ist eine Mischung aus Heimweh und Sehnsucht. Das ist ein sehr nostalgisches Gefühl, und immer, wenn das zu groß wird, wenn ich merke, jetzt wird mein Herz schwer, dann weiß ich, es ist wieder Zeit, nach Brasilien zu fliegen. Danach komm ich immer sehr aufgetankt und glücklich wieder zurück.
tipBerlin Du hast dich vor drei Jahren in einem Podcast öffentlich als queer geoutet. Wie hat das dein Leben verändert, persönlich, aber auch beruflich?
Cristina do Rego Persönlich hat sich nicht viel verändert, weil ich mich vorher auch nicht versteckt habe. Nur in der Öffentlichkeit habe ich nicht drüber gesprochen. Ehrlich gesagt, auch, weil ich nicht gefragt wurde. Beruflich hat sich geändert, dass ich in jedem Interview darauf angesprochen werde. Dass das passieren würde, wusste ich vorher, deswegen hab ich’s auch lange nicht gemacht. Ich wollte lange einfach nicht über mein Privatleben sprechen. Aber dann habe ich mich gefragt, was es mir selbst früher bedeutet hätte, wenn ich jemanden gehabt hätte, mit dem oder der ich mich identifizieren kann. Also dachte ich: Wenn es nur eine Person gibt auf dieser Welt, die sich durch mich repräsentiert fühlt, dann muss ich mich öffentlich outen. Und ich habe es absolut nicht bereut. Ich bekomme allerdings weiterhin sehr heteronormative Schauspielanfragen, ganz selten mal Anfragen für eine queere Rolle.
tipBerlin Hast du Rückmeldungen bekommen von Fans oder anderen jungen Menschen, die sich durch dein Outing jetzt repräsentiert fühlen?
Cristina do Rego Beim CSD oder auf queeren Partys kommen öfter junge Frauen auf mich zu, die sagen, dass sie ein Fan sind und dass sie sich voll freuen, dass ich zur Community gehöre. Aber ich merke das ehrlich gesagt eher bei meinen Freunden mit Teenage-Kindern. In deren Umfeld bin ich oft die einzige queere Person, aber für die ist das heute eine ganz andere Natürlichkeit. Hätte ich das gehabt als junges Mädchen, dann wäre für mich auch einiges leichter gewesen.
Cristina do Rego: „Die Menschen haben mit Queerness immer noch Berührungsängste“
tipBerlin Wie beurteilst du deine Chancen in der Medienbranche als Frau, speziell als queere Frau? Fühlst du dich irgendwo benachteiligt oder siehst du auch Vorteile seit dem Coming Out?
Cristina do Rego Ein Grund, warum ich mich so lange nicht öffentlich geoutet habe, ist, weil es eine zusätzliche Hürde wird. Ich bin dann zusätzlich auch noch queer, und die Menschen haben damit immer noch Berührungsängste. Aber wenigstens in unserer Bubble werden die immer weiter abgebaut, weil viele Leute lauter werden und weil Diversität jetzt als Thema erstmal da ist. Also ich sag mal so, ein Vorteil ist es nicht, aber ich habe aktuell auch nicht das Gefühl, dass es ein Nachteil ist. Aber je nachdem, wohin sich unsere Politik entwickelt, könnte das wieder ein Nachteil werden.
tipBerlin In einer der „Ghosts“-Folgen findet ja auch eine lesbische Hochzeit statt.
Cristina do Rego Ja, das fand ich total schön. Unsere beiden Produzentinnen Eva Holtmann und Nina Sollich sind super und wissen einfach, wie die Welt aussieht oder wie sie aussehen sollte. Solche Sachen sind in dieser Produktion also selbstverständlich. Darüber habe ich mich echt gefreut.
tipBerlin Du hast auch ein queeres Filmprojekt am Start, oder?
Cristina do Rego Ja. Für viele meiner queeren und vor allem trans* Freund:innen mit Migrationshintergrund, die in ihren Heimatländern schon eine Karriere in der Filmbranche haben, ist es in Deutschland schwierig, Fuß zu fassen. Das habe ich vor allem über Zero Pilnik mitbekommen, der in derselben Agentur wie ich ist. Für Zero und für viele andere Menschen ist es aus diversen Gründen schwer, in der deutschen Filmlandschaft Fuß zu fassen. Und zwar unter anderem deswegen, weil sie trans* oder nichtbinär sind. Irgendwann hatten wir die Schnauze voll, und Zero hat ein ganz tolles Drehbuch für einen Kurzfilm geschrieben, und hat mich gefragt, ob ich Regie führen will. Also haben wir gesagt, wir versuchen, die Positionen in dem Filmprojekt mit unseren Personen zu besetzen, damit die eine Chance haben. Du musst immer Material haben, um weiterzukommen in der Branche. Und da nutze ich natürlich auch mein Netzwerk, meine Reichweite. Aber wir haben es wirklich schwer, Förderungen zu bekommen. Viele Töpfe für Diversität sind ja eingestampft worden. Letztendlich geht es in unserem Projekt um Sichtbarkeit vor und hinter der Kamera.
tipBerlin Gestrichene Fördermittel klingt sehr nach den aktuellen Berliner Kulturkürzungen. Seid ihr davon konkret betroffen?
Cristina do Rego Aus unserem Team sind viele Leute Teil der Drag Community. Die Shows und die Arbeit dieser Menschen ist kulturell so relevant, aber die Gelder werden immer weiter gestrichen. Für diese Menschen steigt der Druck enorm, so schnell wie möglich eine andere Einnahmequelle zu finden mit ihrer Kunst. Viele aus dieser Community denken darüber nach, in ihre Heimatländer zurückzugehen, weil sie hier einfach nicht überleben können. Das merken wir. Ansonsten sagen uns jetzt fast alle Stellen, die wir wegen Fördergeldern anfragen, dass sie selbst überhaupt keine Gelder mehr zur Verfügung haben.
Es ist schon okay, wenn wir uns alle mal zwischendurch mit „Ghosts“ für ein paar Stunden rausklinken
Cristina do Rego
tipBerlin Du kommst aus Brasilien, wo Homophobie und Transphobie noch viel stärker verbreitet sind als hier. Wie erlebst du die Situation für queere Menschen dort?
Cristina do Rego Brasilien hat kulturell andere Hürden als wir. Da geht es viel um Religion, Homophobie ist ein Riesenproblem in Brasilien. Aber es gibt auch eine große Welle an Aufklärung. Und die brasilianische Kultur wird immer selbstbewusster. Die Brasilianer:innen haben es zwar auch sehr schwer, Fördermittel zu bekommen, aber langsam wird alles, was Bolsonaro niedergemacht hat, wieder aufgebaut. Ich habe das Gefühl, dass ein Wandel stattfindet, der aber bei so einem gigantischen Land mit so einer religiösen Verwurzelung natürlich auch an manchen Stellen länger dauert. Social Media hilft dabei sehr.
tipBerlin Dass die brasilianische Kultur immer selbstbewusster wird, hat man jetzt auch mit dem Erfolg des Films „Für immer hier“ gesehen.
Cristina do Rego Ja! In Olinda, wo ich herkomme, da gibt es ganz berühmte Karnevalspuppen, und die haben jetzt beim Karneval eine Puppe von Fernanda Torres gemacht mit dem Oscar in der Hand. Dieses liebevolle Miteinander, auch ohne sich zu kennen, das fehlt mir hier oft. Es wurden ganze Karnevalszüge angehalten, um die Oscar-Verleihung zu übertragen und die ganze Stadt, das ganze Land hat gejubelt. Obwohl Fernanda Torres ja nicht einmal selbst den Oscar gewonnen hat. In Deutschland, vermute ich, wären dann alle erstmal eher enttäuscht, aber dort ist sie trotzdem für immer die Königin. Da finde ich, sind uns die Brasilianer:innen weit voraus. So ein kollektives Gefühl von: Das sind wir, das ist unsere Kultur und die ist toll und endlich wird sie anerkannt. Dieses Gönnen, das fehlt in der deutschen Branche manchmal.
tipBerlin Du kommst von der Komödie, hast mit „Pastewka“ angefangen. Auch „Ghosts“ ist eine Komödie. Brauchen wir diese Art von Unterhaltung, um uns von der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Situation abzulenken?
Cristina do Rego Ja, das glaube ich schon. Gerade zu Karneval habe ich mich sehr viel mit Leuten unterhalten, die meinten, das Schöne an Karneval ist, dass man irgendwie den Kopf ausmacht und Karnevalslieder singt und nicht darüber nachdenkt, was gerade in der Welt passiert. Wir werden ja beinahe täglich mit schrecklichen Nachrichten überhäuft. Ich denke gerade an das Video von Trump und Selenskyj. Natürlich müssen wir uns zwischendurch woanders hin flüchten, um das alles zu ertragen. Nicht die Augen verschließen, aber einen gesunden Abstand auch mal zulassen. Es ist schon okay, wenn wir uns alle mal zwischendurch mit „Ghosts“ für ein paar Stunden rausklinken.
- Ghosts seit 7.3. in der ARD-Mediathek, am 13.3. um 20.15 Uhr laufen alle Folgen auf ARD One, 6 Folgen à 25 Minuten, D: Cristina do Rego, Benito Bause, Max Giermann
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