Geschichte

„Das Haus der Träume“: Die Geschichte des Kaufhaus Jonaß an der Torstraße

An der heutigen Torstraße 1 steht eines der faszinierendsten Bauwerke in Berlin. Die Geschichte beginnt unter dem Namen Kaufhaus Jonaß, auf verschlungenen Pfaden diente es dann der Hitlerjugend, der SED und seit 2010 der internationalen Schickeria als Zentrale. Mit „Das Haus der Träume“ ist nun sogar eine Serie rund um das Bauwerk entstanden, von dem wir hier erzählen.

Die Torstraße 1: Das heutige Soho House Berlin hat eine bewegte Geschichte, die unter dem Titel "Das Haus der Träume" verfilmt wurde, Foto: Imago/Agefotostock/Novarc Images/Christian Reister
Die Torstraße 1: Das heutige Soho House Berlin hat eine bewegte Geschichte, die unter dem Titel „Das Haus der Träume“ verfilmt wurde, Foto: Imago/Agefotostock/Novarc Images/Christian Reister

Kaufhaus Jonaß: Ratenzahlung für die breite Masse

Eigentlich unerschwingliche Gegenstände einfach Monat für Monat abstottern – was heute bei größeren Anschaffungen für viele Standard ist, war in den 1920er-Jahren noch außergewöhnlich. In Berlin gab es mit dem Kredit-Kaufhaus Jonaß immerhin einen Ort, der das ermöglichte: Man zahlte ein Viertel des Kaufpreises, den Rest erst nach und nach. Für die breite Masse wurden Waren so deutlich erschwinglicher.

Das Unternehmen Jonaß gab es bereits seit 1889, ursprünglich handelte es sich um einen Versandhandel für Uhren, der 1928 mit dem Bau eines Kolosses in Prenzlauer Berg ein neues Kapitel der Firmengeschichte aufschlug. Ein gewaltiges Bauwerk der Neuen Sachlichkeit, an der damaligen Ecke Prenzlauer Allee/Lothringer Straße (heute Torstraße) überragte es die Nachbarschaft: Auf zwei mit Naturstein verkleideten Etagen ruhen sechs weitere Geschosse. Ein Stahlskelett trägt den Bau, der mit seiner klar strukturierten Fassade und den abgerundeten Ecken die Straße dominiert. Konzipiert wurde das monumentale Einkaufszentrum von den Architekten Gustav Bauer und Siegfried Friedländer.

Jüdische Eigentümer aus dem Geschäft gedrängt

Wurde das Haus vor allem bei der Bevölkerung im Scheunenviertel gut angenommen, ging es alsbald bergab, was jedoch nichts mit dem Geschäftsmodell zu tun hatte, sondern mit der politischen Lage in Deutschland: Die Kaufhaus-Chefs Hans Golluber und Hugo Halle waren Juden. Und ihr Versuch, durch die Anstellung von neuen Geschäftsführern der sogenannten Arisierung zu entgehen, misslang: Schon 1934 wurden die beiden aus dem Unternehmen gedrängt.

Die neuen Eigentümer zogen an den Alexanderplatz um, das Kaufhaus Jonaß verkaufte seine Waren unter neuer Leitung in unmittelbarer Nähe zum Wertheim-Kaufhaus.

Jonaß am Alexanderplatz, im Hintergrund Wertheim, um 1941. Foto: Imago/Arkivi

Golluber gelang 1939 die Flucht aus Deutschland, er starb in den USA. Die Architekten des Kaufhauses konnten Europa nicht verlassen: Friedländer wurde im Rigaer Ghetto ermordet, sein Kollege Bauer wurde nach Buchenwald deportiert, die Umstände seines Todes sind ungeklärt.

Kaufhaus Jonaß: Die Nazis rissen das Haus an sich

Und das Haus selbst? Das wurde umfunktioniert, die Warensammlungen wichen dem nationalsozialistischen Geist. Denn die neuen Besitzer vermieteten den imposanten Bau an die NSDAP. Aus der schönen, erschwinglichen Warenwelt war innerhalb weniger Jahre schon eine Zentrale des Schreckens geworden: Die Verwaltung der Reichsjugendführung zog ein, das Quasi-Ministerium war für die Hitlerjugend und den nationalsozialistischen Nachwuchs zuständig.

Nur kurz vor Kriegsende konnte Jonaß noch einmal an die alte Adresse zurückziehen. Aber der Krieg war ohnehin verloren, die sowjetische Militärverwaltung enteignete den Betrieb. Für das Haus hatte sie andere Pläne.

Das ehemalige Kaufhaus Jonaß unter nationalsozialistischer Flagge. Foto: Bundesarchiv, Bild 146-1993-021-16/Klinke & Co./CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de

Haus der Einheit: Wilhelm Piecks Büro

Schon im Sommer 1945 begann der Umbau der politischen Organisationen in der sowjetischen Besatzungszone. SPD und KPD wurden zwangsvereinigt, die neue SED brauchte neue Räume für die Partei. Das einstige Kaufhaus Jonaß, von Kriegszerstörungen verschont geblieben, wurde auserkoren als Sitz des Zentralkomitees der sozialistischen Einheitspartei. Wilhelm Pieck, einziger Präsident der DDR, hatte hier ein Arbeitszimmer, und das mächtige Politbüro unter Walter Ulbricht nahm die Arbeit auf im Gebäude, das nach seiner Zeit als Kaufhaus und Nazi-Verwaltungsbau fortan Haus der Einheit hieß.

Mit der Einheit war das nur so eine Sache im SED-Staat: Die deutsche Wiedervereinigung stand in den 1950er-Jahren nicht besonders weit oben auf der Agenda der sozialistischen Regierung, und um geschlossene Reihen war es im Proletariat auch nicht gut bestellt. Das Haus der Einheit war einer der Schauplätze des Volksaufstandes am 17. Juni 1953, der Zorn der wütenden Arbeiter:innen richtete sich auch gegen das Haus, in dem diejenigen schalteten und walteten, die einen Staat nach Stalins Vorbild aufbauen wollten.

"Der Führer und Lehrer der Menschheit im Kampf für Frieden, Demokratie und Sozialismus". Foto: Von Bundesarchiv, Bild 183-S91405/Heinz Funck/CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de
„Der Führer und Lehrer der Menschheit im Kampf für Frieden, Demokratie und Sozialismus“. Foto: Von Bundesarchiv, Bild 183-S91405/Heinz Funck/CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de

Mit dem Umzug des Zentralkomitees Ende der 1950er-Jahre kehrte an der damals schleunigst in Wilhelm-Pieck-Straße umbenannten Adresse eine gewisse Form geschäftiger Ruhe ein. Das Politbüro war fort, stattdessen zog 1959 eine der wichtigsten wissenschaftlichen Einrichtungen der DDR ein: das Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED, das es sich zur Aufgabe gemacht hatte, eine historisch-kritische Gesamtausgabe sämtlicher Arbeiten von Marx und Engels vorzulegen.

Torstraße 1: Leerstand in Premium-Lage

Das Institut überdauerte die Wende, allerdings nicht lang: 1992 waren die SED-Institutionen im Haus aufgelöst, ab 1995 stand das einstige Kaufhaus Jonaß, mittlerweile an der Adresse Torstraße 1, einfach leer. Ein Jahr darauf begann der Versuch, das große Unrecht aus der Zeit des Nationalsozialismus zu korrigieren: Das Bauwerk wurde einer jüdischen Erbengemeinschaft überschrieben. Die Nachfahr:innen der Kaufhausgründer hatten zwar Ideen, allein an Interessenten fehlte es. So zogen weder Wohnungsbaugenossenschaften noch Hotels ein, Wohnungsbaugenossenschaften wollten sich dort nicht ansiedeln, ebensowenig gelang der Umbau zu Büroflächen, und auch für den Hotelbetrieb im einstigen .

So stand das Bauwerk bald zum Verkauf – und lange leer. Erst 2004 gelang der Verkauf an eine Investorengruppe, die sich zunächst um die denkmalgerechte Sanierung des Bauwerks kümmerte. Und im Anschluss große Pläne umsetzte: Das nächste Kapitel in der Geschichte des einstigen Kaufhauses war der Umbau zum Soho House Berlin. Die luxuriösen Clubs bieten Wellness-, Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten für ein ausgesprochen exklusives Publikum. Wer mitmachen will, muss von bestehenden Mitgliedern vorgeschlagen werden und dann noch tief in die Tasche greifen. So hat sich bislang noch jede Nutzung des Bauwerks auf ganz eigene Art vom ursprünglichen Zweck entfernt, hier Waren auf Pump feilzubieten.

„Das Haus der Träume“ nach dem Roman „Torstraße 1“

Die faszinierende Geschichte des Kaufhaus Jonaß bildet die Grundlage für einen Roman von Sibyl Volks. „Torstraße 1“, so lautet der naheliegende Titel des Werkes, das die fast ein Jahrhundert währende Geschichte des Hauses verwebt mit dem Schicksal zweier Familien.

Unter dem Titel „Das Haus der Träume“ ist der Roman nun als Serie verfilmt worden, die auf reges Interesse stoßen dürfte. Die internationale Nachfrage nach der deutschen Produktion ist groß, und dass das Studio dahinter liefern kann, hat es bereits unter Beweis gestellt: Bei X-Filme ist bereits „Babylon Berlin“ entstanden.

Mit viel 1920er-Jahre-Pomp folgt die Serie dem Schicksal der jungen Vicky Maler, die sich nicht nur einen Arbeitsplatz im Kaufhaus Jonaß sichern konnte, sondern sich zudem in jemanden verliebt, den sie für einen mittellosen Pianisten hält. Der entpuppt sich allerdings als Erbe der Kaufhausbesitzerfamilie. Vor dem Hintergrund von Aufstieg und Fall eines glanzvollen Unternehmens der 1920er-Jahre entspinnt sich so eine Liebesgeschichte rund um Klassengegensätze. In den Hauptrollen zu sehen sind Nina Kunzendorf, Alexander Scheer, Valery Tscheplanowa, Samuel Finzi und Ludwig Simon. Start der Serie „Haus der Träume“? Der 18. September 2022 beim Streaming-Anbieter RTL+.


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