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Highheels und Bimbam: Taylor Macs „Holiday Sauce… Pandemic!“

Viel zu lange war (oder ist) queere Liebe nicht willkommen beim Weihnachtsfest zu vieler Familien. Schlimm! Taylor Mac aber zelebriert eine queere Weihnachtssause: „Holiday Sauce… Pandemic!“ ehrt Taylor Macs 2017 verstorbene Drag Mother Flawless Sabrina. Das Stück ist zugleich eine Hommage an die Macht der Wahlfamilie und wird von den Berliner Festspielen im Stream gezeigt.

Taylor Mac feiert mit den Berliner Festspielen Weihnachten. "Holiday Sauce... Pandemic" heißt das schrille Stück. Foto: Little Fang
Taylor Mac feiert mit den Berliner Festspielen Weihnachten. „Holiday Sauce… Pandemic“ heißt das schrille Stück. Foto: Little Fang

Wer hat die Popmusik tiefer verinnerlicht als Taylor Mac? Wahrscheinlich: niemand auf der Welt. Im Herbst 2019  gab Taylor Mac im Berliner Festspielhaus die Europa-Premiere der Show „A 24-Decade History of Popular Music“.

Kein Etikettenschwindel. Tatsächlich 24 Stunden Showkonzert, aufgeteilt in vier Kapitel, vier Abende à sechs Stunden. Pro Stunde ging’s ein Jahrzehnt der Gegenwart entgegen, quer, nein, queer durch die Musikgeschichte. Taylor Mac, Dragqueen aus Kalifornien, war dabei Showmaster*in und Leadsänger*in in einem. Gesungen wird nicht, wie man erwarten könnte,  zu billigen Karaoke-Takes, sondern begleitet von einer (zumindest zu Beginn der Show) 24-köpfigen XXL-Big-Band.

Taylor Mac gibt den Stonewall Riots den Raum, den sie verdienen

Die Musikgeschichte liest, fühlt, hört und performt Taylor Mac allerdings gehörig gegen den Strich: antirassistisch, queer.  Ereignisse wie die Stonewall Riots 1969 in New York, die in vielen Geschichtsbüchern nicht mal erwähnt werden, bekommen bei Mac den Raum, den Klangraum und den Stellenwert zugemessen, den sie auch verdienen.

Die Stonewall Riots sind ein Schlüsselereignis der queeren Emanzipationsbewegung: Erstmals begehrten in großem Maßstab Queers, davon viele nicht-weiße trans Menschen, in der New Yorker Christopher Street 1969 gegen die Polizeigewalt auf, die ihnen angetan wurde. 

Eine Beerdigungsfeier für Judy Garland

Eine Ikone vieler dieser Queers war übrigens die Drama-Sängerin Judy Garland, die just am Tag vor den Riots verstarb, was zusätzlich emotionalisierte. Taylor Mac feiert im Rahmen besagter 24-Stunden-Show also Garlands Beerdigung, man singt „Somewhere Over The Rainbow“ und wirft Konfetti. Das Publikum geht ab wie Bolle. Wer jemals dachte, sechs Stunden wären lang, wird bei Taylor Mac eines Besseren belehrt.

Jetzt im Winter geht Mac mit einer neuen Show an den Start: Basierend auf dem just erschienenen Studio-Album „Taylor Mac’s Holiday Sauce“ schmeißt Mac also eine Weihnachts-Sause, queer de luxe. Coverversionen von The Velvet Underground und Frank Ocean, aber auch Selbstgeschriebenes über den Weihnachtsbesuch bei den homophoben Großeltern. Zum Brüllen tragikomisch.

Weihnachsstimmung bei Taylor Macs Festtags-Show im Stream. Foto: Courtesy Pomegranate Arts
Weihnachsstimmung bei Taylor Macs Festtags-Show im Stream. Foto: Courtesy Pomegranate Arts

Man darf nicht vergessen, wie schwierig das Verhältnis vieler Queers zu Weihnachten ist: Durften sie ihre Partner stets mitbringen zum Fest der (Groß-)Familie? Die einzige lesbische Weihnachtskomödie „Happiest Season“ (2020) mit Kristen Stewart wird in Deutschland nicht gezeigt. Uff. Zum Glück gibt es Taylor Mac!

  • Berliner Festspiele Livestream: Sa 12.12., 20 Uhr; Video on Demand: So 13.12. – Sa 2.1., 45 Minuten, in englischer Sprache, für erwachsenes Publikum, Tickets hier, ab 9 €

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