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Arthouse-Horror

Tod & Doof: Jim Jarmusch dreht mit „The Dead Don’t Die“ einen ungewöhnlichen Zombie-Film


Seit vierzig Jahren begleiten die ­Filme von Jim Jarmusch die ­westliche Popkultur mit ­Coolness und Ironie. Mit „The Dead Don’t Die“ nimmt er sich gewohnt ­lakonisch den Zombie-Hype vor. Grandios besetzt mit: Bill Murray, Adam Driver, Tilda Swinton, Iggy Pop und Tom Waits

2019 Image Eleven Productions

In den 1970er- und 1980er-Jahren prägten einzelne Programmkinohits noch die Seh­erfahrungen einer ganzen Generation von Kinogängern. Denn die Filme trafen einen Nerv: „Harold und Maude“ (1972) machte etwa auf amüsante Weise die Rebellion gegen bürgerliche Konventionen erlebbar. Ein Jahrzehnt später fand sich das Publikum in einem nahezu ereignislosen Roadmovie gespiegelt: Jim Jarmuschs „Stranger Than Paradise“ (1984) erzählte die unspektakuläre Geschichte eines jungen New Yorkers, der ungebetenen Besuch von seiner ungarischen Cousine bekommt, und handelte vom ziellosen Abhängen, vom Rauchen und der extrem zögerlichen Annährung der Haupt­figuren.

Geprägt war Jarmuschs zweiter Spielfilm von der künstlerischen Sozialisation des Regisseurs in der New Yorker No-Wave-Szene Ende der 70er, von seiner Liebe zum europäischen Kunstkino und einer von den Filmen Yasujiro Ozus inspirierten undramatischen Inszenierung des Alltags. Wird die Fallhöhe dabei zu groß und das Dramatische besonders lakonisch erzählt, entsteht eine Komik, die Jarmuschs Filme bis heute prägt.
35 Jahre später: Jim Jarmuschs neuer Film heißt „The Dead Don’t Die“ und erzählt von der Zombie-Apokalypse in der amerikanischen Provinz. Denn in Centerville – die Amerikaner hatten schon immer den Hang dazu, sich als Mittelpunkt der Zivilisation zu betrachten – steigen die Toten aus ihren Gräbern und tun, was Zombies in Horrorfilmen gemeinhin tun: Sie taumeln ungelenk in der Gegend herum, fallen die noch lebenden Menschen an und fressen sie teilweise auf. Man kann sich gegen sie wehren („der Kopf muss ab“), aber die schiere Menge der Untoten macht wenig Hoffnung. Nachrichtenmeldungen lassen eine Umweltkatastrophe erahnen, offenbar hat Polar-Fracking die Erdachse verschoben. Dramatischer geht es kaum.

Und wie fast immer in seinen Filmen kon­trastiert Jarmusch das Unheil mit Szenen lakonischer Routine: Die Polizisten Cliff Robertson und Ronnie Peterson (gespielt von den stoischsten Darstellern des amerikanischen Kinos: Bill Murray und Adam Driver) cruisen behäbig mit ihrem Auto durch die kleine Gemeinde, in der sich das Leben meist um ein bisschen Tratsch und den nächsten Kaffee im Diner dreht. Einen Plan haben die beiden Gesetzeshüter angesichts der neuen Ereignisse natürlich nicht.
Murray und Driver präsentieren sich hier als Laurel &Hardy des Zombiefilms: Ihre Reak­tionen kommen stets mit Verspätung und sind dem Ernst der Situation immer unangemessen. Trotzdem ist „The Dead Don’t Die“ keine Parodie, sondern ein mit seinen vielen Anspielungen auf George Romeros berühmte Zombie-Trilogie („Night of the Living Dead“, „Dawn of the Dead“, „Day of the Dead“) und den manchmal aus ihrer Rolle tretenden Schauspielern (die dann beispielsweise darüber diskutieren, wann Jarmusch wem das Drehbuch zu lesen gegeben hat) offen ausgestelltes Metakino: Film über Film.

Das Genrekino hat Jarmusch im Lauf seiner Karriere schon oft als Inspirationsquelle verwendet und ihm mit einem sehr eigenen Blick neue Aspekte abgerungen: etwa dem Western im poetischen „Dead Man“ (1995), oder dem Gangsterfilm in „Ghost Dog – Der Weg des Samurai“ (1999), einer Art Remake von Jean-Pierre Melvilles „Der eiskalte Engel“, in dem sich ein von seinen Auftraggebern verfolgter Killer mit ausgeklügelten und manchmal auch bizarr-komischen Morden rächt. Auch dem Horrorfilm war Jarmusch bereits erfolgreich auf der Spur: „Only Lovers Left Alive“ (2016) ist ein ganz und gar nicht klassischer Vampirfilm, in dem sich die Blutsauger vor allem jenen Künsten widmen, die dem Regisseur selbst am Herzen liegen: Von den Beatnik-Literaten in Tanger bis zu einer Rockabilly-Platte von Charlie Feathers erzählen sie etwas über Vergangenheit und Gegenwart amerikanischen Lebens.

In „The Dead Don’t Die“ fehlt dieser doppelte Boden dann doch deutlich. Offenbar ist das Genre weitgehend ausgereizt: Die Zombies wanken durch die Landschaft wie eh und je, und die konsumkritischen Implikationen – die Untoten kehren zu Tätigkeiten und Orten zurück, die sie als Lebende besonders schätzten – finden sich in gleicher Weise bereits in Romeros Filmen. Einen rassistischen Farmer (Steve Buscemi mit absurder „Make America White Again“-Kappe) oder die Tatsache, dass die neue schottische Bestatterin (Tilda Swinton) von den Einheimischen wie ein Alien betrachtet wird, als treffende Meta­phern für den Zustand der amerikanischen Gesellschaft anzusehen, geht über einen Scherz kaum hinaus.

Ansehen kann man sich „The Dead Don’t Die“ trotzdem mit einem gewissen Vergnügen: Jarmuschs lakonischer Humor, das Komik-Potenzial von Bill Murray und Adam Driver und die vielen mit vertrauten Mitarbeitern des Regisseurs besetzten Nebenrollen sorgen für – wenn auch nicht besonders nachhaltigen – Spaß. Und Jarmuschs Treue zu seinen Darstellern ist wirklich sympathisch: Als Bedienung im Diner kann man hier auch noch einmal Eszter Balint sehen, die ungarische Cousine aus „Stranger in Paradise“.

The Dead Don’t Die (OT) USA/S 2019, 105 Min., R: Jim Jarmusch, D: Bill Murray, Adam Driver, Chloë Sevigny, Start: 13. Juni 

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