Der japanische Regisseur Hirokazu Koreeda erzählt in seinen Filmen gern von Familienverhältnissen, die ihrerseits etwas über die Gesellschaft aussagen. Wie etwa in seinem vorherigen Film „Shoplifters“, in dem eine wahlverwandte Familie von Kleinkriminellen untereinander große Solidarität an den Tag legt.
Mit „La vérité“ hat Koreeda jetzt seinen ersten Film außerhalb Japans gedreht: in Frankreich, mit den Schauspielstars Catherine Deneuve und Juliette Binoche. Muss man nun befürchten, dass der seines natürlichen Habitats beraubte Regisseur wie ein Fisch auf dem Trockenen wirkt? Koreedas Strategie ist vielmehr die Mimikry, die perfekte Anpassung an das gediegene französische Mainstream-Arthousekino: ebenso unterhaltsam wie versöhnlich.
Die Familie steht einmal mehr im Mittelpunkt, reichlich dysfunktional: Deneuve spielt die alternde eitle Filmdiva Fabienne, die gerade ihre Memoiren veröffentlicht hat. Darin beschönigt sie vor allem die Beziehung zu ihrer Tochter Lumir (Binoche), einer Drehbuchautorin, die zur Buchpremiere mit Mann (Ethan Hawke) und Tochter (Clémentine Grenier) aus den USA angereist ist.
Die verbitterte Lumir und die selbstsüchtige Fabienne geben sich Saures, die Erinnerung an eine verblichene, vielleicht viel talentiertere Schauspielkollegin bietet weiteren Zündstoff. Richtig böse wird das nie, doch die Spitzzüngigkeit, mit der sich die Stars in diesem gut geschriebenen und mit reichlich hintergründigem Witz versehenen Film beharken, sorgt durchaus für Vergnügen. Auch wenn hier niemand besonders tief schürft. Lars Penning
La vérité – Leben und lügen lassen F/J 2019, 106 Min. R: Hirokazu Koreeda, D: Catherine Deneuve, Juliette Binoche, Ethan Hawke, Clémentine Grenier, Start: 5.3.