Berlin gibt viel her als Filmkulisse. In der Serie „Türkisch für Anfänger“ spielte Berlin sogar eine Hauptrolle – als Stadt, in der solche Storys zum Alltag gehören: die Geschicke einer deutsch-türkischen Chaos-Familie um eine Ex-Hippie-Mama und einen braven türkischen Polizeikommissar; ein Kulturenclash, den vor allem die unausgegorenen Teens – Lena und Cem – spaßig provozierend austragen. Dabei blieb kein Rollenklischee über türkische Machos, zickenhafte Weiber oder religiöse Differenzen ausgespart. Gen Mekka zu beten sei „krank“, sagt Lena etwa einmal in der Serie. Antwort: „Nazi.“
Nun herrscht in Kino oder Fernsehen nicht gerade Mangel an selbstironisch gewürzten, extra „politisch unkorrekten“ Migrantenfiguren mit Goldketten, Sneakers und Sprüchen wie „Ey Digga“, „Alder“ oder „Du Opfer“, ob in „Schwarze Schafe“, „Prinzessinnenbad“ oder unlängst „Offroad“ mit „TfA“-Star Elyas M’Barek. Doch ist es in Zeiten, in denen Leute wie Sarrazin Gräben ziehen, offenbar weiterhin notwendig, der giftigen Debatte mit humorigen Stereotypen zu begegnen. Das funktionierte bei „Türkisch für Anfänger“ in 25-Minuten-Häppchen klasse. Und soll nun auch im Kino gelingen.
Dazu erzählt Serienvater Bora Dagtekin, selbst in einer deutsch-türkischen Familie aufgewachsen, eine von der Serie abgelöste Geschichte, die Fans ein fröhliches Wiedersehen mit allen bekannten Charakteren beschert. Gleichzeitig können Neulinge in die „Episode 1“-Variation einsteigen, in der sich die Sippe gerade erst kennenlernt. Berlin als Schauplatz lässt Dagtekin dabei kurzerhand hinter sich. Stattdessen verwickelt er die Truppe in den Absturz eines Urlaubsfliegers – und lässt die Teens auf einer einsamen Insel mitten im Ozean stranden. Das macht Suchexpeditionen erforderlich, in deren Verlauf Doris und Metin in einer Hotelanlage stranden.
Nun liegt es im Wesen einer Seifenoper, durch dauernde Fortsetzung ein Echtzeit-Empfinden zu erzielen und damit das Gefühl von Sympathie und „Kennen“ der Figuren zu erzeugen. Darauf kann ein 100-Minuten-Film nicht bauen; was Dagtekin damit zu kompensieren versucht, dass er komprimierte Versionen von Cem und Co. zeichnet mit geballter Ladung an Klischees. Das lässt sie als Kabinett der Abziehbilder erscheinen, ein Verein aus Oberzicken, Paschas und alternden Nymphomaninnen. Das filmgewordene Setting des Dschungelcamps, Ekelgetier und Kannibalen inklusive, macht die Einfühlung nicht leichter. Spätestens wenn Katja Riemann im „Cavewoman“-Look als Eingeborenen-Ehefrau auftaucht, sieht das aus wie eine auf Leinwandformat aufgeblasene Fernseh-Sketch-Einlage. Was im Wesentlichen auch für den Film insgesamt gilt. Er taugt allenfalls als Goodie zum Ablachen für den ganz harten Kern der Serienfans.
Text: Ulrike Rechel
Fotos: Constantin Filmverleih
tip-Bewertung: Zwiespältig
Orte und Zeiten: „Türkisch für Anfänger“ im Kino in Berlin
Türkisch für Anfänger, Deutschland 2012; Regie: Bora Dagtekin; Darsteller: Josefine Preuß (Lena Schneider), Elyas M’Barek (Cem Öztürk), Anna Stieblich (Doris Schneider); 101 Minuten; FSK 12
Kinostart: 15. März