Ob er ein „Schattenkind“, ein Geschwisterkind im Schatten gewesen sei? „Nein“, sagt der junge Mann, der so fröhlich über seine Schwester sprechen kann. Eher ein „angestrahlter Erwachsener“ sei er, „verstrahlt vielleicht“
Gustaf hat einen roten Rauschebart, das Haupthaar ist wegrasiert, er wirkt wie jemand, der gerne älter aussehen mag, als seine realen Anfang-Zwanzig. Als er davon erzählt, wie seine Schwester Judith nach jahrelangem Ringen mit ihrer angeborenen Stoffwechselerkrankung schließlich in seinen Armen starb, weint seine junge Frau. Er nicht. Aber es ist klar, wie sehr dies sein ganzes Dasein und seine Haltung bestimmt hat.
Es ist einer der bewegendsten Momente in diesem Film, der sich sonst ganz dem Leben, ganz der Gegenwart zugewandt hat. „Leben mit Behinderten und lebensverkürzt erkrankten Geschwistern“ ist der Untertitel von „Unzertrennlich“. Frauke Lodders fragt in ihrem Dokumentarfilm, was es heißt, als Geschwisterkind im Schatten von jemand aufzuwachsen, der stets bedürftiger erscheint. Wie geht man damit um, wenn der Bruder eine Krebsdiagnose bekommt, oder die Schwester nachts nicht atmen kann? Wo bleibt man da? Wie viel darf man sich noch nehmen?
Gustaf ist einer der vier Hauptprotagonisten von „Unzertrennlich“ – was so formuliert gar nicht stimmt. Die eigentlichen Protagonisten sind die vier Familien, mit den getrennten und trotzdem vereinten Eltern, den gesunden, den gesunden behinderten oder schwerkranken Geschwistern. In ihrem Spiegel wird deutlich, welche Anstrengung, aber auch welche Tiefe, Freude und Innigkeit dieses Leben beinhaltet. Die Bewältigung ihrer gemeinsamen Aufgabe scheint bei den Geschwistern in guten Händen: „Es ist einfach nur Zufall. Es hätte auch mich treffen können, oder jemanden anderen. Damit muss man einfach leben können.“ Und ausreichende Unterstützung bekommen.
Unzertrennlich D 2018, 91 Min., R: Frauke Lodders, Start: 17.1.