Emanzipation

„Klasse Damen!“ im Schloss Biesdorf

Malweiber in Nadelstreifen: Die Ausstellung „Klasse Damen!“ im Schloss Biesdorf erinnert daran, dass die Berliner Kunstakademie vor 100 Jahren erstmals Frauen zuließ

Foto: Saskia Uppenkamp

Von der Decke hängt ein Harlekin mit Minipenis herab. Er lenkt den Blick nach oben in Richtung Damenpo: Den blanken Allerwertesten mit dem klangvollen ­Titel „Mooning“ hat Else (Twin) Gabriel 2005 aufgenommen. Die Botschaft ist klar: Der Mann ist klein, die Frau zeigt ihm den Hintern.
Die Ausstellung „Klasse Damen!“ im Schloss Biesdorf feiert, dass die Berliner Kunstakademie vor 100 Jahren erstmals Frauen zuließ.

Ausgerichtet haben die Schau die Künstlerinnen und Kuratorinnen Ellen Kobe und Ines Doleschal gemeinsam mit Karin Scheel, der künstlerischen Leiterin der kommunalen Galerie in Schloss Biesdorf. Sie stellen Werke von zwölf historischen Künstlerinnen den von 14 zeitgenössischen gegenüber, insgesamt 80 Arbeiten, darunter auch Fotos von Kobes Performances und Collagen von Doleschal. Mit dem spätklassizistischen Schloss Biesdorf, einer ehemaligen Fabrikantenvilla, haben sie den passenden Ort gewählt: Vor 1919 konnten sich nur reiche „Malweiber“ die privaten Kurse der „Damenklassen“ leisten.

Es gibt einige neue Namen zu entdecken, die dank der Werke und Biografien lebhaft im Gedächtnis bleiben. Zu ihnen gehört Milly Steger (1881–1948), die dem Vorurteil, Frauen könnten nicht mit Stein und Holz arbeiten, im Nadelstreifenanzug und mit Schlips entgegentrat. Kobe und Doleschal wollen zudem wissen, ob Künstlerinnen bis heute familiäre Brüche, Armut, Diffamierung und – jetzt kommt’s – Kinderlosigkeit in Kauf nehmen müssen. Dabei ist der Nachwuchs selten so relevant wie bei Else (Twin) Gabriel, die in einem Performancevideo ihr „Kind als Pinsel“ (2007) schwingt. Die „Grand Dame der Collage“ Hannah Höch soll ihre „unfreiwillige Kinderlosigkeit“ nach zwei Abtreibungen in ­ihrem Werk verarbeitet haben. Die malende Hausfrau und Mutter Charlotte Berend-Corinth wartete den Tod ihres Mannes Lovis Corinth 1925 ab, um Karriere zu machen.

Geradezu erfrischend liest sich da Elisabeth Sonnecks Vita: Die Biografie der 1962 geborenen Berliner Künstlerin konzentriert sich auf die Stationen einer internationalen Karriere. Erfrischend wirkt auch Sonnecks Installation aus Papierbahnen: Drei Monate lang hat die abstrakt arbeitende Künstlerin gestreifte Farbabstufungen von Gelb nach Blau aufgetragen. Der Weg nach oben bleibt etwas für Freigeister. Wer wissen will, wie die Sicht von dort ist, muss Gaby Tap­licks hohen Turm erklimmen, bis hoch unter die Decke. Dort hängt der Rauchmelder.

Schloss Biesdorf Alt-Biesdorf 55, Marzahn, Sa–Do 10–18, Fr 12–21 Uhr, bis 13.10., Eintritt frei 

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