Erlebnisse

12 Gründe, warum Berghain und Disneyland sich ziemlich ähnlich sind

Es ist eine wagemutige These: Das Disneyland und das Berghain sind im Prinzip eigentlich der gleiche Ort. Weil beide eine gewisse Realitätsflucht ermöglichen. Und weil sie Parallelwelten sind, die sich nur ihren Anhänger:innen wirklich erschließen – die dann auch bereit sind, eine Menge für den Besuch in Kauf zu nehmen. Und tatsächlich ist zumindest eins sicher: Berlins Clubs sind irgendwie auch Vergnügungsparks, nur eben für Erwachsene. Und mit mehr Achterbahn im Kopf. Unser Autor, übrigens sowohl Berghain-Fan als auch Disneyland-Jahreskartenbesitzer, hat 12 Gemeinsamkeiten zwischen dem Berghain in Berlin und dem Park in Paris gefunden.


Man muss andauernd anstehen

Ob Berghain oder Disneyland, am Anfang steht die Geduld. Und der Gast. Nämlich an. Foto: tipBerlin

Es ist egal, ob ihr einen Tag im Berghain oder im Disneyland verbringen wollt: Ihr braucht Geduld. Die Wartezeiten an der Tür des Techno-Clubs zur Stoßzeit unterscheiden sich unwesentlich von denen der Achterbahn „Space Mountain“ in der Hauptsaison. Der Adrenalinrausch, wenn man nach zwei Stunden dann endlich am Ziel angekommen ist, ist wahrscheinlich identisch. Die Zeit bekommt ihr trotzdem nicht wieder. Das mit dem Anstellen und Warten geht dann weiter an Bars respektive Restaurants und an den Klos. Wenigstens wollen im Berghain weniger Leute ein Foto mit Sven Marquardt als im Disneyland mit Micky Maus (Wartezeit da gern mehr als eine Stunde!)


Es laufen merkwürdige Gestalten herum

Unser Autor besucht Micky in Zeiten der Pandemie. Das Outfit wäre fast schon Berghain-tauglich. Also das von Micky. Foto: tipBerlin

Alle wie sie wollen, schon klar. Aber selbst Berliner:innen sehen im Berghain manchmal noch Leute, die sie kurz irritieren. Aber dann geht es auch weiter im Programm, genau das ist ja gewünscht – Entfaltung, Freiheit. Auch in Disneyland hat man manchmal merkwürdige Begegnungen, wenn einem plötzlich Goofy vor die Füße läuft oder irgendwo eine Prinzessin übertrieben theatralisch zum Gruße winkt. Aber auch daran gewöhnt man sich. Zumindest haben wir in Disneyland noch nie gesehen, wie Donald einem anderen Entenhausener vor allen Leuten kernig einen schnattert.


Die Welt draußen existiert nicht

Disneyland, so weit das Auge reicht, draußen ist weit weg, immer. Foto: tipBerlin

Im Disneyland und im Berghain gilt gleichermaßen die Devise: Die Menschen sollen komplett vergessen, dass es da draußen irgendwas gibt. Klimakatastrophe, AfD und Til-Schweiger-Filme existieren da einfach nicht. Neumodisch nennt man diese „experiences“ ja „Immersive“, heißt, die Gäste werden so eingelullt, dass sie Teil des Ganzen werden müssen. Walt Disney wollte zum Beispiel, dass die Parks so gebaut sind, dass man nicht sieht, was drumrum abgeht. Und im Berghain hängen nirgendwo Spiegel, damit man nicht sieht, wie das Gesicht oder die Frisur abgeht.


Es läuft immer irgendwo Musik

Nachdem sie nicht ins Berghain gekommen waren, zeigte die Tanzsportgruppe Fichtelhausen einfach auf der Straße davor ihre langerprobte Nummer. Foto: tipBerlin

Egal, ob ihr im Berghain hinten oben rechts an der Eisbar ein Eis esst oder im Darkroom tut, was ihr eben dort tun wollt: Irgendwo dröhnt immer dieser unerbittliche Bass. Musik ist im Berghain überall. Im Disneyland ist die Musik, nun ja, ein wenig tuffiger. Da singen in „It’s A Small World“ gefühlt 70.000 Puppen ein fröhliches Lied darüber, wie klein die Welt doch ist und wie fröhlich alle sind. Da ballert die Paradenmusik quer über die Main Street. Irgendwas ist immer. Die Dauerbeschallung wird einem erst klar, wenn plötzlich mal Ruhe ist. In beiden Fällen: vor der Tür.


Das Publikum ist international

So herrlich international hier, ach guck mal, das Paar da drüben ist aus München! Foto: Imago/ZumaWire

Wer Menschen aus der ganzen Welt kennenlernen will, ist an beiden Orten goldrichtig. Dank Easyjet und Ryanair kommt die Anreise ja mit gutem Timing günstiger als eine große Plüsch-Micky-Maus. Disneyland ist übrigens der beliebteste Freizeitpark Europas und das Berghain wohl der beliebteste Techno-Club. Fun Fact: Wenn nicht gerade Pandemie ist, gibt es in Disneyland einmal im Jahr ein Elektro-Festival. Die Ostgut-DJs legen da aber überraschenderweise eher selten auf. Wobei es schon lustig wäre, wenn Resident Phase Fatale da am Merch-Stand dann zwischen Disney-Shirts auch sein Album vertickt – das Cover ist ein Röntgenbild, das aufgenommen wurde, als einer anal gefistet wurde.


Günstig ist anders

Von nichts kommt nichts, weiß Dagobert Duck am besten. Schon das Berghain ist nichts für Geizige. Aber Disneyland hat da doch noch etwas ambitioniertere Preise. Foto: Imago/UnitedArchives

Gut, im Vergleich zu den Club auf Ibiza zum Beispiel sind Berlins Feierörtlichkeiten echt human bepreist. Trotzdem kostet der Eintritt ins Berghain mehr als 20 Euro. Das ist für freischaffende Künstler:innen, deren große Vision noch nicht vom Rest der Welt gesehen wurde, eine Stange Geld. Und das Bier ist im Bierbaum 2 an der Sonnenallee natürlich auch günstiger. So eine lange Nacht im Berghain kann schon gut was kosten (wobei gerüchteweise manche auch nur mit Reingeschmuggeltem und Leitungswasser durch den Tag und die Nacht kommen). Aber der Club muss ja auch irgendwas verdienen.

Wer mal wissen will, wie Kapitalismus für Profis geht, muss eh ins Disneyland. Im Restaurant Plaza Gardens kostet die Cola 33cl stolze 5,10 Euro. Für ein gezapftes Bier bezahlt ihr 5,50 Euro – wohlgemerkt nur 25cl, kaum mehr als ein Kölsch. Mal ganz abgesehen vom Eintritt, der am Wochenende je nach Saison bei 79 Euro startet. Hui. Wer es günstiger mag und trotzdem was erleben will: 24-Stunden-Kneipen in Berlin – Hier kann man rund um die Uhr einkehren.


Marketing haben sie verstanden

Keine Ahnung, ob das zieht, aber unser Autor hat alles gegeben. Foto: tipBerlin

Gut, die Konzepte von Disneyland und Berghain sind unterschiedlich. Während in Berlin das Rar-Machen Methode hat, wird aus Paris natürlich marketingtechnisch mit vollen Rohren geschossen. Gleichzeitig weiß das Berghain-Team sicher ganz genau, wie man den Mythos aufrecht erhält. Denn mal ehrlich: Zu Konzerten, zu ausgesuchten Partys (CTM-Festival zum Beispiel), zuletzt zur Ausstellung Studio Berlin kommt man ganz einfach mit Ticket ins Berghain. Nicht ganz dasselbe wie die Klubnacht, aber zumindest ein Eindruck. Und trotzdem hört man immer wieder Menschen, die so, so gern das Berghain nur einmal von innen sehen würden. Das ist halt einfach nicht unmöglich. Aber auch: gutes Marketing.


Überall wird was verkauft

Polonaise durch den Club und unten warten die Bären. Foto: tipBerlin

In Disneyland kann man außerhalb der Attraktionen kaum 500 Meter laufen, ohne Souvenirs zu sehen. Nun ist das Angebot im Berghain ganz sicher anders strukturiert. Hier gibt es an fast jeder Ecke eine Bar. Und angeblich auch ein erweitertes Angebot, das allerdings nicht vom Club gemacht wird, selbstverständlich.


Manche ertragen es nur mit Rauschmitteln

Kein Alkohol ist auch keine Lösung, findet unser Autor (rechts). Foto: tipBerlin

Einmal saß ich mit einer Freundin an der Main Street, der Hauptstraße Disneylands. Wir tranken ein überteuertes Bier, es war das Ende eines langen Tages. Selten habe ich so viele Menschen, vor allem Männer, auf Biere starren sehen wie die unseren. Irgendwie sagte ihr Blick, dass sie gerade ihre Familie für eine Dose verkaufen würden. Es ist schon hart für alle, die keine Disney-Gute-Laune-Dauerspaß-Fans sind, das muss man sagen. Allerdings muss man auch nicht gleich übertreiben – vor wenigen Jahren hatte ein Schweizer LSD im Disneyland genommen und wurde sogar per Hubschrauber gesucht, dabei saß nur an einem See im Park. Ob ein Familienpark nun unbedingt der richtige Ort für solche Aktionen ist, ist zweifelhaft. Im Umkehrschluss haben wir im Berghain noch nie einen Hubschrauber über der Tanzfläche gesehen – allerdings schon einige, die ganz schön trippten. Apropos, Finger weg von der Modedroge GHB – ein bisschen G zwischen Leben und Tod.


Und andauernd ist Parade

Und plötzlich kommt diese DIsney-Steampunk-Fantasie vorbeigerollt, why not. Foto: tipBerlin

Alle paar Stunden ballern ein paar Wagen mit winkenden Plüschviechern durch Disneyland, zur Freude der am Rand stehenden Besucher:innen. Also wenn nicht gerade Pandemie ist. Und wenn im Berghain gerade nicht Pandemie ist, gibt es da auch Paraden. Plötzlich lösen sich teils bis zu zehn Leute aus der Körpermasse des Tanzfloors, um latent polonaisig ein Ziel anzusteuern. Meist das Klo. Diese kleinen Paraden können ganz gut nerven, wenn sich alle der Reihe nach an einem vorbeidrücken. Vor allem, wenn der Laden voll ist. Aber manchmal ist da wie im Disneyland dann auch ein Hund dabei. Nur dass dessen Anzug und Maske irgendwie anders aussieht als die von Pluto. Generell kann man im Berghain schlimmere Fehler machen als kurz Drängeln – diese zum Beispiel.


Am Ende ist man irgendwie down

War eine gute Nacht, oder? Foto-Collage: Imago/Zeitz/Contini

Irgendwann geht im Berghain das Licht an und im Disneyland aus. Ein Tag, ein Wochenende in einer Welt, die vielen fremd, manchen gar verächtlich ist, endet. Und die Realität kriecht in den Kopf. Ein manchmal brutaler Comedown, egal ob aus der überkandierten Welt der forcierten guten Laune. Oder aus der Ekstase der eben nur endlos scheinenden Nacht. Die Afterpartys sehen bei den verschiedenen Zielgruppen aber dann doch (meistens) etwas unterschiedlich aus.


Der Weg nach Hause

Ach guck, das Uber ist schon da. Foto: tipBerlin

Ein Bekannter saß mal nach einer durchravten Berghain-Nacht mit einer Freundin am späten Montagmorgen in der M10. Gegenüber saß ihnen ein junges Mädchen mit seiner Mutter. Es fragte sie: „Mama, fahren die zur Arbeit?“ Und die Mutter antwortete mit verächtlichem Blick: „SOLCHE Leute haben KEINE Arbeit.“ Schön ist natürlich anders. Entwürdigender ist allerdings, sich nach dem Disneyland mit rund 5000 anderen Erwachsenen um einen der Shuttle-Busse zum Hotel zu balgen. Glücklich, wer da einfach nur mit dem Zug nach Paris-City und ins eigene Bett abdampfen kann. Oder mit dem Auto. Und doch, egal wie hart das Ende ist: Wahre Fans kommen wieder. In ihren eigenen Vergnügungspark.


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