Boykott im Berliner Nachtleben: Anfang des Jahres haben im Zuge von „Strike Germany“ DJs dem CTM-Festival abgedankt, der linke Club About Blank wurde immer wieder zur Zielscheibe von Anfeindungen, und kürzlich ist ein israelischer Techno-DJ aus dem Sage Club ausgeladen worden. Es ist kaum zu übersehen: Der Nahostkonflikt spaltet die Berliner Techno-Szene. Ein Kommentar.
Boykott im Berliner Nachtleben: Antisemitismus ist schon lange ein Thema
Die Boykottierung Israels innerhalb der Berliner Clubkultur tritt nicht erst seit dem 7. Oktober 2023 auf. Immer wieder haben Künstler:innen ganze Auftritte abgesagt, weil sie mit verschiedensten Förderrichtlinien nicht einverstanden waren, oder (israelische) Acts nicht tolerieren wollten. Die als antisemitisch eingestufte BDS-Kampagne versucht seit Jahren, Druck auf die Feierszene auszuüben. Clubs, DJs und Kollektive, die sich für Israel positionieren, sollen boykottiert werden. Teils hat BDS Erfolg damit. Doch seit dem brutalen Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023, unter anderem auf das Psytrance-Festival Supernova, und dem darauf folgenden Krieg, brodelt die Stimmung in der Berliner Techno-Szene nicht nur. Sie kocht über.
Der Nahostkonflikt spaltet die Berliner Clubszene
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Seit dem Kriegsausbruch in Nahost sind immer häufiger Boykottierungen und Anfeindungen im Berliner Nachtleben zu beobachten. Mit fatalen Auswirkungen für eine sonst so tolerante Szene. Vergangenen November kam es bei der von zwei Israelis betriebenen Online-DJ-Plattform Hör zu einem Zwischenfall. Der DJ Sam Clarke trug bei einem Live-Auftritt ein T-Shirt, auf dem die gesamte Landmasse zwischen Jordan und Mittelmeer in den Farben der palästinensischen Flagge zu sehen war, inklusive Israel. Nachdem der DJ gebeten wurde, das T-Shirt auszuziehen, fühlte dieser sich seiner Meinungsfreiheit beraubt und rief zum Boykott gegen Hör auf. Die Hasswelle gegen die Online-DJ-Plattform war immens und fand auch nach Monaten kein Ende.
Im Januar dann der nächste Vorfall: Im Zuge der „Strike Germany“-Kampagne, die Kulturschaffende dazu aufrief, Deutschland aufgrund seiner Nahostpolitik zu ächten, hatten DJs wie Manuka Honey und Jyoty ihre Acts beim CTM-Festival, das unter anderem auch im Berghain stattfand, abgesagt. Zu groß seien die Sympathien mit Israel. Kurz davor hatte der renommierte Club den Act des französisch-libanesischen DJ Arabian Panther ausfallen lassen. Angeblich wegen pro-palästinensischen Aussagen. Schon länger wird auch das About Blank zur Zielscheibe von Feindseligkeiten und Boykottaufrufen. Doch seit dem Krieg wird der politisch links ausgerichtete Club am Ostkreuz wegen seiner Position zu Israel immer häufiger von DJs und Partyreihen gemieden: Einzelne Acts sagen ab, teilweise fallen ganze Veranstaltungen aus, weshalb das About Blank nun um Spenden bittet.
Vor wenigen Wochen im Juli dann der nächste Aufschrei. Der israelische Techno-DJ Modest Crow wurde aufgrund eines Instagram-Videos, das ihn in Militäruniform und Gewehr zeigt, vom Line-up des Sage Beach gestrichen nachdem die Gruppierung AATMA (Anti-Fascist Art, Techno and Music Alliance) auf ihrer Instagram-Seite ihn als „Genozid-DJ“ bezeichnete. Die AATMA, die nach dem 7. Oktober von Berliner DJs und Clubakteur:innen gegründet wurde, hat danach wiederum zum Boykott des Sage Clubs aufgerufen. Auch hier war der Zuspruch groß. Das Konfliktpotenzial innerhalb der Clubkultur kühlt nicht ab. In Tagen wie diesen lässt sich vielleicht über vieles Streiten, aber eins ist unbestritten: Der Nahostkonflikt spaltet die Berliner Clubszene in einem nie zuvor gesehenen Ausmaß.
Boykott im Berliner Nachtleben: Eine Szene steht still
Was sagen die Größen der Berliner Clublandschaft dazu? An Aktivismus mangelt es dem sonst so lauten Techno-Business ja sonst nicht. Watergate, Tresor, Lokschuppen: Sie alle haben sich seit der Eskalation in Nahost allerdings kaum gerührt. Auch die sonst so politische Clubcommission hat bisher nur schwammige Bekundungen verfasst. Ist die Angst vor Anfeindungen etwa zu groß? Wer sich offen gegen einen solchen Boykott ausspricht, gerät nicht selten selbst ins Visier. Da ist es doch leichter, einfach nichts zu sagen oder sich mit leichtfertigem Instagram-Aktivismus zu bereichern: Likes fühlen sich eben besser an als geballter Hass in der Kommentarspalte. Aber was wird aus einer Szene, die sonst für so viel Solidarität und Toleranz steht, wenn sich zwei Fronten so verhärten?
Eine der wichtigsten Fragen: Wie komme ich ins Berghain? Hier sind unsere Tipps für die Tür. Unsere Autorin hat philosophiert über das, was sich jedes Wochenende auf Berliner Clubtoiletten abspielt. Typisch KitKat: Diese Partytypen trefft ihr immer wieder. Nicht alle Menschen verhalten sich auf der Tanzfläche rücksichtsvoll. Diese Typen gehen uns beim Tanzen besonders auf die Nerven. Kommen von innen: Die Berlin Club Memes – ein Gespräch mit dem Menschen hinter dem Account. Lust, am Wochenende auszugehen? Hier sind unsere Tipps für Clubs und Partys am Wochenende. Clubkultur ist vielseitig. Immer neue Geschichten aus der Welt der Berliner Clubszene gibt es hier.