Kommentar

Clubcommission will Sofort-Tests fürs Nachtleben: Leider knapp daneben

Die in Berlin eingeführte Sperrstunde legt das Nachtleben lahm und geht zulasten von Gastronomie und Clubkultur. Die Clubcommission vermutet, das Problem würde nur verlagert. Und plädiert für Schnelltests an der Clubtür. Eine theoretisch gute Idee, die praktisch knapp am Ziel vorbeischrammelt. Ein Kommentar.

Sorgenfrei durchs Nachtleben mit Corona-Schnelltests? Die Clubcommission ist dafür. Foto: imago images/ANE Edition

Corona-Sperrstunde für den Garten Eden der Verantwortungslosigkeit

Der Sommer ist vorbei, mit sinkenden Temperaturen steigen die Fallzahlen in Berlin rasant. War uns das Infektionsgeschehen bislang trotz notorischen Hygieneregelverstößen ziemlich gnädig, kündigt sich mittlerweile Unheil an. Der Senat reagiert mit Restriktionen – vor allem einer Sperrstunde. 

Die soll verhindern, dass Menschen sich nachts betrunken zusammenrotten – in Parks, aber eben auch in Bars und Clubs, die die Regeln nicht befolgen. Denn zuletzt hatte es in der Hauptstadt viele unerfreuliche Bilder gegeben, die wieder viele Klischees bestätigten: Die leichtsinnige Jugend, das Hedonistenpack, ach, Berlin allgemein. Die Hauptstadt des Scheiterns, der Garten Eden der Verantwortungslosigkeit. Die Nasen im Bahnverkehr freigelegt, die Nasen auf Privatfeiern längst wieder gepudert.

Einige Clubs haben seit Monaten wieder geöffnet. Wenn auch eingeschränkt, mit strengen Regeln – und zumeist lediglich in Außenbereichen und bei gutem Wetter. Das Berghain mag momentan Museum sein, im Garten wurde längst wieder getanzt. Allerdings, und das ist wichtig: ohne nennenswerte Superspreader-Events.

Schlangestehen vorm Berghain: Bald mit Test inklusive? Foto: imago images/Votos-Roland Owsnitzki

Clubcommission sucht Auswege – ist der Schnelltest die Antwort?

Trotzdem sind Clubs, genau wie Restaurants und Bars, nun Leidtragende des Exzesses an anderen Orten – was die Betreiber*innen nachvollziehbar empört. Die Berliner Clubcommission ist auf der Suche nach Auswegen und äußerte just einen Lösungsvorschlag. 

Mittels kurzfristig eingerichteter Bereiche, in denen „Club-Gäste freiwillig unter Aufsicht von angelerntem medizinischen Personal einen Covid-19-Schnelltest machen können“ solle eine relativ sichere Clubkultur gewährleistet werden. Weiter befindet sie, die Nachtkultur könne so „einen signifikanten Beitrag leisten, die Ausweitung der Infektionen in der jungen Zielgruppe weiter einzudämmen sowie Gesundheitsämter, Arztpraxen und Krankenhäuser zu entlasten.“

Trotz Corona feiern und so dank Schnelltests Gesundheitsämter entlasten: Geht das zusammen? Foto: Pim Myten/Unsplash

Ein interessanter Ansatz, der allerdings Fragen aufwirft. Was versteht die Clubcommission unter angelerntem medizinischem Personal? Solches mit medizinischer Ausbildung, das wohl kaum die Kapazitäten für zusätzliche Aufgaben haben dürfte? Oder kurzfristig geschulte Türkräfte, die woher ihre Expertise bekommen sollen? Braucht es die erst seit kurzem marktfähigen Schnelltests eventuell an anderer Stelle, auch in Hinblick auf erhöhtes Reiseaufkommen zu den bevorstehenden Weihnachtsfeiertagen?

Was mit Menschen, die mit Infizierten zusammenwohnen und sich auch nach einem negativen Testergebnis noch angesteckt haben könnten? Würden jene, die ohnehin seit Monaten vernunftbegabtes Feiern zugunsten illegaler Partys links liegen gelassen haben, auf einmal Schnelltests über sich ergehen lassen – um dann jene Konzepte wahrzunehmen, die sie ohnehin verschmähten? Ist im Angesicht einer Sperrstunde wirklich die Clublandschaft das erste, was wieder aufgesperrt werden sollte? Die Antworten liegen nah.

Der Vorschlag geht daneben – hat aber Potential

Dennoch ist den Bedenken, prohibitorische Maßnahmen würden auch (halbwegs) Vernünftige in eine Art Schnaps-Résistance verwandeln, Gehör zu schenken. Der Vorschlag des Interessenverbands mag zuallererst utopisch wirken, aber ihm liegt Potential inne. Der Fokus auf Clubs mag bisweilen etwas singulär sein, doch sind sie ein unbestreitbarer Teil der Berliner Kulturlandschaft. 

Und lässt sich dieser Fokus problemlos auf sämtliche Bereiche des öffentlichen Lebens erweitern, auf Museen, Kinos, Konzerthallen. Und letztlich auch auf Restaurants und Schänken. Nebenbei würden Fälle leichter zu verfolgen sein, und, sofern Test- und Personalkapazitäten vorhanden, ein potentiell milder Verlauf durch die kalten Monate möglich. Bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Lebens außerhalb der eigenen vier Wände.

Ob dieser Vorschlag zur rechten Zeit kommt, ist streitbar. Die Chance, die er der Kulturlandschaft (und Gastronomie) insgesamt aufzeigt, hingegen sollte anerkannt werden.


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