Wann Berlins Clubs wieder öffnen dürfen, ist derzeit noch völlig unklar. Sicher ist: Schnell wird es nicht gehen – zu hoch das Infektionsaufkommen, zu zögerlicher Impfstart. Pamela Schobeß, Vorsitzende der Berliner Clubcommission und Chefin des Gretchens, rechnet nicht damit, dass vor Ende 2022 der Zustand vor Corona erreicht würde, „Wir sind die Ersten, die geschlossen wurden, und die Letzten, die wieder öffnen dürfen“, sagte sie der Deutschen Presse Agentur.
Wir haben bei Clubs nachgefragt und zusammengetragen, wie es derzeit aussieht – und wie gut die Chancen sind, eine derart lange Durststrecke überhaupt zu überleben.
://about blank: „Alle, die ihr Herzblut in Veranstaltungen stecken, müssen noch sehr viel Geduld aufbringen“
Das ://about blank steht für Solidarität und Menschlichkeit. In einem Brief appellierten die Betreiber*innen am 17. März 2020 ans Publikum: „Seid solidarisch. Sagt alles ab. Passt auf euch auf.“ Die Pandemie verstärke die Ungleichheiten des kapitalistischen Wirtschaftssystems, so das ://about blank. Und die ungewisse Perspektive auf das Jahr 2021 macht es dem Club schwer, gelassen zu bleiben.
Derzeit versucht das ://about blank, so kostensparend wie möglich durch den Winter zu kommen, in dem Betriebskosten wie Strom- und Heizkosten eingespart und Arbeitstreffen nur noch virtuell abgehalten werden. Auch nötige Verwaltungsarbeiten werden derzeit möglichst kontaktlos erledigt.
Solidarität hilft dem Club durch die schwere Zeit
Weil das ://about blank als solidarischer Betrieb seine Ausgaben auf das Allernötigste begrenzt hat, ist es dem Clubkollektiv bisher gelungen, ein finanzielles Aus abzuwenden. Unterstützungsgelder erreichen den Club immer nur schubweise und helfen, den aktuellen Schwebezustand zu überbrücken.
„Das Finanzielle ist nur die eine Seite – alle, die ihr Herzblut in kulturelle Veranstaltungen stecken und Clubkultur wertschätzen, müssen noch sehr viel Geduld aufbringen“, erklärt das sympathische Kollektiv. Wie immer zeigt es sich solidarisch mit allen anderen Kulturstätten und Leidtragenden der Pandemie und betont, dass die Corona-Krise viele Menschen wesentlich härter trifft als das ://about blank oder die Clubszene insgesamt.
Ob das Lido die Situation überstehen wird, ist unklar: „Die Lage des Clubs ist ernst“
Das Lido ist einer der angesagtesten Clubs für Konzerte von Indie-Rock bis Elektro-Pop in Kreuzberg. Im November wurden Clubs vom Senat als Kulturstätten anerkannt. Seitdem gibt es spezielle Fördermittel vom Staat. Diese Fördergelder und Überbrückungshilfen müssen immer wieder neu beantragt werden. Für das Lido sind sie gerade essenziell, um zu überleben und eine Pleite für den Laden abzuwenden.
„Außerdem wurden Kredite aufgenommen“, verrät uns Clubmanager Christian Kühne. Ob das Lido die Situation definitiv überstehen wird, kann er nicht sagen. „Die Lage des Clubs ist ernst“, äußert er sich über die Auswirkungen der Pandemie auf die Berliner Clubszene.
SO36: Monatelang wurden alle Förderanträge abgelehnt, bis endlich die Überbrückungshilfe bewilligt wurde
Das SO36 ist wichtiger Bestandteil der Punk- und New-Wave-Szene in Deutschland. Ende der 70er Jahre nahm es als Veranstaltungsort seinen Betrieb auf. Größen wie Die Ärzte spielten bereits 1982 im SO36. Heute ist es aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Doch die Pandemie kam hart und unverhofft.
Ende Oktober letzten Jahres wurde es für den berühmten Musik-Club ganz schön eng. Alle finanziellen Ressourcen waren restlos aufgebraucht und die nächste Miete hätte nicht mehr bezahlt werden können. Von Beginn der Pandemie bis Mitte Herbst 2020 hielt es sich lediglich mit Spenden über Wasser, ohne die es die Sommermonate nicht überlebt hätte. „Es gibt einfach wahnsinnig viele tolle Menschen, die uns mögen und unterstützen“, betont Pasqual vom SO36. So hatten die Ärzte mit einer „Didi & Stulle“-Lesung Geld für den Club gesammelt.
Club SO36 in der Pandemie: Viele haben bereits aufgeben müssen
Die negativen Auswirkungen der Pandemie für Kulturschaffende, für Clubs und für die Veranstaltungsbranche sind enorm. So haben viele ehemalige Mitarbeiter*innen und Freunde des SO36 ihren Job verloren oder können Monat für Monat gerade so ihre laufenden Kosten begleichen. Oftmals ist das Kurzarbeitergeld sehr gering. Auch Geschäftspartner*innen und befreundete Künstler*innen haben bereits aufgeben müssen. „Das ist sehr frustrierend und macht uns traurig“, erzählt Pasqual.
Nachdem monatelang zahlreiche Anträge auf Förderung immer wieder abgelehnt wurden, fanden die lautstarken Hilferufe des geschichtsträchtigen Clubs doch noch Gehör. Die Überbrückungshilfe wurde dem SO36 bewilligt und ausgezahlt. Zum Beispiel erreichten den Club Gelder, um Homeoffice-Plätze einzurichten.
Und die Förderung „Neustart Kultur“ ermöglicht es den Veranstaltern, ein Programm für die Zeit nach dem Lockdown auf die Beine zu stellen. So folgte auf langes Warten und viele Enttäuschungen endlich ein umfangreiches Paket an finanzieller Unterstützung. Entspannt ist die Lage deshalb aber noch lange nicht.
Kater Blau und Kiktkat bangen weiter – und hoffen
„Wir wirtschaften genau und kalkulieren sehr hart. Wir gehen von weiteren Hilfsprogrammen aus und hoffen, dass im Juli die Sonne wieder scheint“, sagte Techno-Pionier Dimitri Hegemann vom Tresor in der Radiosendung „Fritz“. Im vergangenen Jahr hatte es in vielen Clubs, die einen Garten oder Außenbereiche haben, zumindest strikt regulierte Veranstaltungen gegeben.
Konstantin Krex, Chef vom „Kater Blau“ erklärte dort: „Die Situation ist bitter, weil man nicht machen kann, was man liebt. Und weil es keine verlässliche Perspektive gibt. Man guckt von der Seitenlinie zu, wie sich die Schulden anhäufen.“
Das Mensch Meier hält sich über Wasser und betont, wie wichtig solidarisches Handeln ist
Dank bewilligter Förderanträge konnte sich das Mensch Meier bisher über Wasser halten. In unserem Gespräch mit Clubinhaber Anias Meier wurde eines sehr schnell klar: In dieser Situation geht es nicht nur um Fördergelder, die für Berliner Kulturstädten lebenserhaltend sind, sondern um die Wichtigkeit solidarischen Handelns. Und zwar in allen Lebensbereichen und über Berlins Grenzen hinaus.
Lebenserhaltende Maßnahmen für Kulturschaffende innerhalb Berlins zu ergreifen ist super. Doch es gibt Menschen, die in dieser Krise zu wenig oder gar nicht beachtet werden. Geflüchtete, die an den EU-Außengrenzen um ihr Überleben kämpfen, sind noch viel schlimmer von der Pandemie betroffen als Berliner Clubs, die ihre Miete nicht mehr zahlen können. Obendrein sind sie der Pandemie viel schlimmer ausgesetzt als Bürger*innen, die ein sicheres Zuhause haben. Sie sind schutzlos.
Das Mensch Meier steht für Menschlichkeit und bewahrt diese als basisdemokratisches Kollektiv in allen Lebenslagen. In dieser Krise sind solidarisches Denken und solidarisches Handeln gefragt. Vom Zuhause bleiben jeder und jedes Einzelnen bis hin zu einer Einsicht, dass es eine gesamteuropäische Lösung für Geflüchtete auf den griechischen Inseln nicht geben wird, von Seiten der EU.
„Alle Länder, die aktuell nicht von Faschisten regiert werden, sollten da alleine voran gehen und aufhören, ihre Verantwortung zu verschieben“, erklärt Anias, bevor er weiter über die Lage seines Clubs spricht.
Vermieter*innen werden nicht an den Kosten der Krise beteiligt
Viele Freunde und Teammitglieder des Mensch Meier haben gerade ein geringes oder gar kein Einkommen. Von normalerweise 100 Mitarbeiter*innen sind aktuell rund 25 Kolleg*innen durch Kurzarbeit beschäftigt. Diese sind zum Beispiel dabei, die Innenräume des Clubs Hygiene-konformer zu gestalten.
Die Immobilie selbst wird dadurch gesichert, dass die Miete an den Vermieter gestellt wird. Aus Steuergeldern, versteht sich. „Problematisch daran ist“, betont Anias Meier, „dass Vermieter dadurch nicht an den Kosten der Krise beteiligt sind.“ Das Kollektiv des Mensch Meier tut in jedem Fall alles, was ihm möglich ist, um das Club- und Kulturhaus mit Raum für Inspiration, Intervention und Bewegung zu erhalten.
Lust auf noch mehr Berlin?
Kunst, Streams, Schnelltests: Wie die Berliner Clubs ihre Räume derzeit anders als zum Feiern nutzen. Die Ausstellung ist derzeit nicht zugänglich, aber den Katalog zu „Studio Berlin“ könnt ihr trotzdem kaufen. Viele Betriebe machen mit der neuen Kampagne #GeschlossenFürMorgen auf die Not der Kulturszene aufmerksam. Wer bis zur Wiedereröffnung zuhause feiern will, findet hier Tipps fürs Club-Feeling allein.