Der Holzmarkt wird zehn Jahre alt. Zur Feier des Coups gegen das „Mediaspree“-Projekt baut die Crew die legendäre Bar25 wieder auf – für die Dauer der Jubläumsparty. Und macht ab 28. Mai zehn Tage lang Programm mit Theater, Kino, Podiumsdiskussionen und natürlich einem Rave.
Holzmarkt-Geburtstag: Bastion alternativer Clubkultur oder Yuppifizierung von Techno?
Hätten vor gut zehn Jahren ein Haufen Raver:innen nicht ihr Leben auf den Kopf gestellt, wäre alles ganz anders gekommen. Dann wäre der Zugang zur Spree an der Holzmarktstraße 25 für die Öffentlichkeit gesperrt, wie bei so vielen Neubauten am Fluss. Der meistbietende Investor hätte das Grundstück gekauft und vielleicht ein Hotel, vielleicht Büros drauf gebaut. Die Vision Mediaspree wäre auch hier Realität.
Stattdessen steht auf dem Filetgrundstück zwischen Schilling- und Michaelbrücke der Holzmarkt: ein Kulturzentrum, gewachsen aus der legendären Bar25, Wegbereiter für die Berliner Bretterbuden-Ästhetik und bekannt für tagelange, ausschweifende Partys.
Dass diese Truppe als einzige erfolgreich dem Schreckensprojekt Mediaspree trotzte, der Umgestaltung des Spreeufers nach Investoren-Gusto, konnten viele in Berlin gar nicht glauben, als 2012 die Holzmarktgenossenschaft gegründet wurde. Aber der Holzmarkt blieb – und wird jetzt zehn Jahre alt.
Die Geschichte des Geländes erzählt viel darüber, wie sich Berlin in den vergangenen zwei Jahrzehnten entwickelt hat. Manche sehen den Holzmarkt als letzte Bastion der alternativen Clubkultur am Spreeufer, als Erfolgsgeschichte inmitten der Berliner Verdrängungsmisere. Andere kritisieren, das Projekt sei nicht mehr als bunt angestrichener Kapitalismus, die Yuppifizierung der alternativen Clubkultur.
Das Programm soll alle Facetten des Holzmarkts widerspiegeln
Dabei ist die Bar25 auf dem Gelände des Holzmarkts noch immer spürbar: in den vielen Podesten und Aufbauten aus Holz, anhand der vielen Sitzgelegenheiten, die sich über das Gelände bis hin zum Ufer verteilen. Oder wenn plötzlich fluffige Festival-Musik ertönt. Das Holzmarkt-Jubiläum feiert die Crew nun mit einem zehntägigen Kultur-Programm.
Einen Club gibt es auf dem Gelände mit dem Kater Blau immer noch, aber er ist ein Element von vielen. „Wir sind erwachsen geworden und unsere Projekte mit uns“, sagt Juval Dieziger, Vorstand der Holzmarkt-Genossenschaft und Mitgründer der Bar25. Der Holzmarkt umfasst inzwischen das Restaurant Katerschmaus, das Café Holzmarktperle, eine Weinhandlung und eine Kneipe, Musikstudios, Ateliers, Werkstätten, eine Kita und eine Artistenhalle. Im Säälchen finden Theater- und Filmvorführungen, Konzerte, Lesungen und Podiumsdiskussionen statt, im Winter verwandelt sich der Holzmarkt in einen Weihnachtsmarkt.
Das Programm der zehntägigen Geburtstagsfeier soll diese Vielfalt widerspiegeln. Etwa bringt Schauspielerin Sabrina Strehl ihr One-Woman-Theaterstück „Missing Alice“ wieder auf die Bühne – in der Originalkulisse der Bar25, die Brett für Brett im Säälchen wieder aufgebaut wird. So ganz lässt seine legendäre Vergangenheit den Holzmarkt doch nicht los.
„Saddest Music In The World“ und „Missing Alice“
„Missing Alice“ beschäftigt sich mit den Irrungen und Wirrungen der Partyszene. Seine Uraufführung feierte es im Kater Holzig auf der anderen Spreeseite, viele Aufführungen folgten. Es ist ein Programmpunkt, der tief bei den Wurzeln des Holzmarkts gräbt, aber generell alle berühren dürfte, die am Wochenende gerne tun, wofür Berlin in der Welt bekannt ist: zu elektronischer Musik feiern. Ob dieser Lifestyle angesichts von Kriegen, Klimakrise und Pandemie noch vertretbar ist, diskutieren die Teilnehmer:innen der Podiumsdiskussion „Wie zeitgemäß ist Hedonismus?“ Dazwischen gibt es täglich Menüs im Katerschmaus. Ud Tom Tykwer zeigt „Lola Rennt“. Und einen Kinderpiratentag. Und und und.
Außerdem kehrt, nach Stationen im Heimathafen und dem Roten Salon der Volksbühne, ein Klassiker und Erfolgsmodell an den Ort seiner Entstehung zurück: der Contest um die „Saddest Music In The World“, der im Circus der Bar25 seinen Anfang nahm. Immer wieder gibt es auch Programm für Kinder.
Der Journalist und Autor Alexander Osang liest aus seinem neuesten Buch „Das letzte Einhorn“, das Reportagen von 2010 bis 2020 versammelt, von Finanzkrise bis Coronapandemie – dem Zeitraum zwischen Bar25-Ende und der Zeit, in der sich der Holzmarkt als feste Größe etabliert hat.
Vom Underground zum Großprojekt
Inzwischen sind zur Hochsaison im Sommer etwa 230 Menschen beim Holzmarkt angestellt, dazu kommen jene, die über externe Firmen auf dem Gelände arbeiten. Innerhalb von zehn Jahren ist der Holzmarkt zu einem Ort geworden, der nicht nur Lebensmittelpunkt vieler Menschen ist, sondern auch für ihr Einkommen sorgt. „Wir sind kein Underground mehr“, sagt Juval Dieziger. „Und auch kein Ort nur zum Tanzen, sondern genauso zum Arbeiten.“
Dieziger berichtet davon, wie schwer es war, sich umzustellen: von einem Ort, der einem Familienbetrieb glich und an dem alle an allen Entscheidungen beteiligt waren, zu einem Großprojekt. „Zusammen planen, zusammen bauen, wie in der Bar25, das ging plötzlich nicht mehr. Wir mussten Verantwortliche für bestimmte Bereiche finden und sie machen lassen.“
Die Energie für das Riesenprojekt Holzmarkt aber, die Vision und der Wille, das Grundstück an der Spree zu behalten und etwas Neues abseits der Mediaspree-Pläne draus zu machen, sei aus den Raves gekommen, aus der Bar25, sagt Dieziger. Und danach? Kamen anstrengende Zeiten, in denen Menschen, die sich vor allem mit Party-Organisation auskannten, sich mit Finanzierungsmethoden, Bebauungsplänen und Konzepten wie Erbbaurecht auseinandersetzen mussten.
Der Holzmarkt als Wohnzimmer für die Wahlfamilie
Am Ende dieses Prozesses stand, grob gesagt, die Holzmarktgenossenschaft, die bis heute jeden Monat den gleichen Betrag an die Stiftung Abendrot, die das Grundstück besitzt, zahlt. Dadurch hat sie es dem Immobilienmarkt und der Spekulationsspirale entzogen. Seit 2012 ist der Wert des Grundstücks um 1200 Prozent gestiegen. „Am Anfang war das jeden Monat ein Kraftakt“, sagt Dieziger. Auch, weil die Genossenschaft nur ein Drittel der Baumasse verwirklicht hat, die im Rahmen von Mediaspree geplant war – und deswegen nur einen Bruchteil dessen ausschöpft, was mit dem Grundstück verdient werden könnte.
Aber um das große Geld geht es den Genossenschaftsgründer:innen offenbar nicht. Sondern darum, einen Freiraum mitten in der Stadt zu erhalten. „Moderne Städte haben neue Aufgaben“, sagt Dieziger. „Bei den Modellen, die in den Städten gelebt werden, sind nicht mehr die Familien der Mittelpunkt, sondern Freundeskreise. Und die brauchen Wohnzimmer. Wir wollen eins davon sein.“
Zum Ende der Festlichkeiten lässt es die Crew aber nochmal richtig krachen. In Erinnerung an die Zeiten, als nebenan noch in der Maria am Ostbahnhof oder im Kiki Blofeld getanzt wurde, gibt es ein Festival auf dem gesamten Holzmarkt mit acht Dancefloors und 60 DJs. Wie früher in der Bar25 heißt der Rave SaSoMo – weil er von Samstag bis Montag geht.
- Holzmarkt 28. Mai bis 6. Juni jeden Tag Programm, Tickets für Drei-Tage-Rave auf dem gesamten Areal 53,50 Euro, alle Infos zu Ablauf der Feierlichkeiten und weitere Tickets für ausgewählte Events findet ihr hier
Friedrichshain hat das wohl lebendigste Nachtleben Berlins. Was wo geht, von Berghain über Boxi bis zu den klassischen Ballerbuden steht in unserem Guide zum Nachtleben in Friedrichshain. Aber auch in den anderen Stadtteilen geht’s am Wochenende ab, schließlich sind wir in Berlin. Welches die besten Partys sind, steht in unserem Update zu Clubs und Partys in Berlin. Natürlich hat der Stadtteil noch viel mehr zu bieten. Hier sind 12 Ziele für einen schönen Tag in Friedrichshain, vom Volkspark bis zur Halbinsel Stralau. Hunger? Wir präsentieren 12 gute Restaurants in Friedrichshain.