Kommentar

Kampagne gegen Trenddroge „G“: Gute Idee, aber auch gefährlich

Der Großteil der Berliner Clubs, der Zug der Liebe, das Magazin The Club Map und die Club Commission haben eine Kampagne gegen die Modedroge „G“ gestartet. Sie soll Menschen im Nachtleben Berlins vor den Folgen von verantwortungslosem Konsum schützen. Doch so, wie die Kampagne mitunter formuliert ist, richtet sie mehr Schaden an, als dass sie hilft.

Ätzend und hochgefährlich: Die Modedroge „G“, was für GBL oder GHB steht. Foto: Imago/Panthermedia

Auf G dosieren sich Menschen besonders leicht und oft über

Fast jeder clubaffine Mensch in Berlin hat schon mal gesehen, wie jemand beim Feiern auf der Droge G, also GHB oder GBL, „abschmiert“. Das kann so aussehen, dass Menschen mit zuviel G im System anfangen, seltsame unkoordinierte Bewegungen und Geräusche zu machen, zum Beispiel zu bellen wie ein Hund oder zu krähen wie ein Hahn. Sie entwickeln Ticks, machen zum Beispiel immer wieder die gleiche Bewegung mit dem Mund. Manche werden so geil, dass sie sich unkontrolliert an Clubgästen reiben. Andere stolpern umher. Und wieder andere nicken an Ort und Stelle ein. Wenn das passiert, haben sie so viel G genommen, dass sie in Lebensgefahr schweben.

Auf Initiative des Berliner Suicide Clubs haben das Magazin The Club Map und der Zug der Liebe e.V. nun eine Kampagne gegen G gestartet. Im Suicide Club war im Sommer eine 25-Jährige an den Folgen ihres G-Konsums gestorben. 70 Clubs und Labels, Partyreihen und Vereine aus Leipzig, Hamburg, Köln und Nürnberg unterstützen die Kampagne auf Sozialen Medien, darunter auch die Club Commission. In Berlin sollen demnächst auch Plakate über die Gefahren von G aufklären und klar machen, dass die Droge in Berliner Clubs nicht erwünscht ist.

G ist eine farblose, ätzende Flüssigkeit, die Konsument:innen sich mit einer Pipette ins Getränk träufeln, wenn sie ihren Konsum für Zähne und Speiseröhre verträglicher machen wollen, und direkt in den Mund, wenn sie auf die ätzenden Eigenschaften des Stoffs nicht viel geben. Das Gefährliche an der Droge, im Vergleich zu herkömmlichen Partydrogen: Sie ist besonders schwer dosierbar. Je nach Körpergewicht und Toleranz kann ein Milliliter für einen etwa einstündigen Rausch sorgen, während zwei oder drei eine Überdosis bedeuten können, bis hin zur Bewusstlosigkeit und zum Atemstillstand. Außerdem macht G schwer körperlich abhängig, der Entzug gilt neben denen von Alkohol und Heroin als einer der gefährlichsten und schlimmsten.

Feiern auf G: Die Grenzen zwischen Übergriffen und Konsens verschwimmen

Weithin bekannt wurden GHB und GBL zuerst in den Nullerjahren als K.O.-Tropfen, mit denen Vergewaltiger ihre Opfer bewusstlos machen, um sich an ihnen zu vergehen. Gleichzeitig verbreitete sich aber auch die Kunde, dass es einen in geringerer Dosierung angenehme rauschhafte Zustände versetzen kann. Laut einer Studie von Felix Betzler, Arzt an der Charité, konsumierten 2019 zehn Prozent der Berliner Clubgänger:innen G, von 2015 bis 2019 habe sich der Konsum vervierfacht. Diese Zahlen führen mitunter zu absurden Situationen: Da kommt es schon mal vor, das Konsument:innen sich bei Hauspartys ihre schlimmsten G-Erlebnisse erzählen – etwa, wie sie so high waren, dass sie selbst eine faktische Vergewaltigung am Ende in Ordnung fanden.

Der G-Konsum einiger Partygänger:innen gefährdet die ganze Szene. Foto: Photo by Alexander Popov/Unsplash

Solche Geschichten werfen Licht auf eine Problematik, die auch die Initiator:innen der Kampagne und die Club Commission betonen: Weil G geil macht, weil man so schnell so sehr die Kontrolle über sich verlieren kann, verschwimmen gerade bei diesem Rausch die Grenzen, zwischen Einwilligung und Über-Sich-Ergehen-Lassen, zwischen Konsens und Übergriffen. Für Clubs und Veranstaltungen, die Safer Spaces für marginalisierte Menschen schaffen wollen, ist das fatal. G ist gefährlich für Clubs, nicht nur, wenn Menschen sterben. Verständlich, dass Clubs sich klar gegen G aussprechen.

Die Kampagne dämonisiert nur G, andere Drogen nicht

Andersherum ist aber auch die Kampagne, zumindest so, wie sie mitunter formuliert ist, gefährlich für die Konsument:innen. Auf einer Folie steht zum Beispiel: „Felgenreiniger ist auch keine Lösung“. Solche Sprüche sind ungefähr vereinfachend wie „Pferdebetäubungsmittel (Ketamin) sind auch keine Lösung“, weil sie außer Acht lassen, dass GBL genau wie Ketamin durchaus auch in der Humanmedizin verwendet wird. Ketamin nimmt die Kampagne aber nicht ins Visier.

Auf den Folien der Club Commission, die etwas anders aussehen, steht: „There is no G in club culture“, also „Es gibt kein G in der Clubkultur“. Weiter unten ruft die Club Commission unter anderem dazu auf, G im Freundeskreis zu problematisieren – um weiter hinten zu betonen, dass Konsument:innen und deren Freund:innen nicht zögern sollten, sich in Notfällen an die Clubs zu wenden.

Verbote und Stigmatisierung helfen nicht

Das passt nicht zusammen. Die Hemmschwelle steigt, im Fall einer Überdosis Hilfe beim Club zu suchen, wenn Clubs und ihre Vertretungen G-Konsument:innen stigmatisieren und die Droge tabuisieren. Denn G ist präsent in der Clubkultur, auch wenn die Clubs und ihre Vertretung, die Club Commission, sich das Gegenteil wünschen. Verbote und Stigma haben noch nie Verbesserungen gebracht, egal ob bei Gras oder Alkohol, Heroin oder Crack. G-Konsument:innen werden die Droge weiter nehmen, daran hat schon die Null-Toleranz-Politik, die die Clubs bereits seit Jahren gegenüber G fahren, nichts gebracht. Schadensbegrenzung kann nur durch Aufklärung betrieben werden. Die betreibt die Club Commission auch in Zusammenarbeit mit dem Verein Sonar. Die Stigmatisierung und Dämonisierung, die nun verstärkt passiert, steht dem Ziel der Schadensbegrenzung im Weg.

Alle Beteiligten leiden unter dem Umgang einiger Clubgänger:innen mit G (und anderen Drogen). Dazu gehören auch diejenigen, die sich im Verborgenen um ihre verantwortungslosen Freund:innen kümmern müssen. Zu oft bekommt man in Clubs mit, wie offensichtlich durch G weggetretene Personen in Toilettenkabinen bugsiert werden; Personen, die vielleicht schon ins Krankenhaus gehört hätten und die stattdessen von ihren Freund:innen stimulierende Drogen verabreicht bekommen, um sie aufzuwecken. Wenn so etwas aufgrund von Stigmatisierung öfter passiert und schief geht, leiden am Ende auch die Clubs.


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