Clubs

Tag der Clubkultur: Orte der Zusammenkunft und des Widerstands

Zum vierten Mal wird in Berlin der Tag der Clubkultur mit einem vielseitigen Programm gefeiert. Doch ein Tag reicht nicht: Vom 3. bis 8. Oktober finden in Berlin zahlreiche Veranstaltungen statt, die die Relevanz des Nachtlebens beleuchten und verkörpern. Den Tag braucht es mehr denn je, denn die Clublandschaft steht vor vielen Herausforderungen.

Das feministische Berlin Strippers Collective tanzte am Tag der Clubkultur bei einer interaktiven Performance durch die Menge und räkelte sich zwischen Blüten und Watte. Foto: Andrea Rojas

Der Tag der Clubkultur feiert das kulturelle Erbe Berlins

Vor dem Club Theater Berlin stehen an einem Donnerstagabend im September ausschließlich schöne Menschen in aufwendiger Garderobe. Pinke Highheels, glitzernde Jacketts mit drapierten Schulterpolstern und Sektgläser in der Hand. Es wird sich angeregt unterhalten, dazwischen schweben weiß gekleidete Tänzer:innen des Berlin Stripper Collectives, sinnlich Blumen umher schwenkend. Es ist Tag der Preisverleihung, genauer: der Preisverleihung zum Tag der Clubkultur.

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Spürbar liegt Aufregung in der Luft, immerhin gehören die meisten der hier anwesenden Menschen einem der Clubbetriebe oder Kollektive an, die an diesem Abend eine Förderung in Höhe von 10.000 Euro erhalten. 40 an der Zahl sind es insgesamt: Dazu zählen etwa die queerfeminstischen Partyreihen „Hoe_mies“ und „Femme Bass Mafia“, das Festival für neue anatolische Musik „İÇ İÇE“ und die Partyreihe „Arabs Do Better“ für elektronische Musik aus dem Nahen Osten und Nordafrika. Aber auch Locations wie das Neuköllner Arkaoda oder das Friedrichshainer Badehaus gehören zu den Auserwählten, ebenso das Black Sex Worker Collective, das den Stimmen Schwarzer Sexarbeiter:innen mehr Gehör verschaffen will und ihnen etwa Rechtsbeistand oder Wohnraum vermittelt.

Die Berliner Clublandschaft braucht mehr Sichtbarkeit

„Berliner Clubs sind Orte der Zusammenkunft und gleichzeitig des Widerstands. Sie sind ein wichtiger Bestandteil des kulturellen Erbes Berlins“, erklärt Lutz Leichsenring von der Clubcommission. „Deshalb ist es so wichtig, ihre Bedeutung für das Wohlergehen der Stadt zu verdeutlichen und denjenigen unseren Dank auszusprechen, die alles dafür tun, die Essenz der Berliner Clubkultur auch zukünftig zu wahren.“ 2020 wurde der Tag der Clubkultur von der Clubcommission, dem Musicboard Berlin und der Senatsverwaltung für Kultur und Europa unter dem damaligen Senator Klaus Lederer ins Leben gerufen.

Klaus Lederer bei der Pressekonferenz zum Tag der Clubkultur 2021 am SAGE Beach in Berlin. Foto: Imago/snapshot-photography/F.Boillot

Ursprünglich sollte damit die Berliner Clublandschaft mehr Sichtbarkeit bekommen, die, gerade zu Beginn der Pandemie, besonders existenzbedroht schien.

Tatsächlich hat sich die Veranstaltung, nun bei ihrer vierten Ausgabe angelangt, längst zu einem etablierten Kulturpreis und mehrtägigen Festival entwickelt. Denn die szeneinterne Preisverleihung stellt nur den Auftakt zu einem mehrtägigen Programm dar, das zwischen dem 3. und 10. Oktober berlinweit erlebt werden kann: In zahlreichen Clubs finden Partys, Lesungen, Podiumsdiskussionen und Workshops zu Themen der Clubkultur statt.

Bedrohung für die Clublandschaft

Auch der amtierende Kultursenator Joe Chialo von der CDU war am Abend der Preisverleihung anwesend. Die Clubkultur sieht er als „Gelegenheit, die Exzellenz und Kreativität der Berliner Clubs zu feiern“, sagt er, „und als Chance, auf die Herausforderungen aufmerksam zu machen, denen sie gegenüberstehen.“ Eine dieser Herausforderungen ist der geplante Ausbau der A100, zu der sich Chialo einen Schwenk nicht verkneifen konnte. Just erntete er Buhrufe, immerhin steht seine Partei fest hinter der Autobahn. Erst im September holte die Planung des bis nach Friedrichshain führenden Autobahnabschnitts beim Aktionstag „A100 wegbassen“ mehrere tausend Menschen auf die Straße – die Verlängerung der Autobahn setzt schließlich nicht nur ein fatales Zeichen in Zeiten der Klimakrise, sondern würde auch Clubschließungen bedeuten, etwa der Wilden Renate und des ://about blank.

Im September demonstrierten tausende Menschen gegen den Ausbau der A100 in Friedrichshain. Foto: Imago/Olaf Wagner

Dies ist jedoch nicht die einzige Bedrohung für die Berliner Clublandschaft. Die Gentrifizierung schreitet in großen Schritten voran und macht auch vor den Clubs keinen Halt. Obendrein steigen die Energiepreise und auch die Inflation macht der Szene zu schaffen. Erst kürzlich verkündete das Mensch Meier, seine Location an der Storkower Straße abgeben zu wollen. Unter anderem, weil die Betriebskosten sich nicht mehr mit den Preisvorstellungen des Kollektivs vereinbaren ließen. Nie war es daher wichtiger, die Bedeutung der Clubs für die Berliner Kulturlandschaft hervorzuheben und ihre Existenz aktiv zu beschützen. Dafür gibt es den Tag der Clubkultur!


Tag der Clubkultur: Das sind die Highlights

Vom 3. bis 8. Oktober finden zum Tag der Clubkultur in Berlin zahlreiche Veranstaltungen statt. Das vollständige Programm gibt es online. Einige Highlights stellen wir hier vor:

  • Flinta-Workshop Showplanung: Von Lichttechnik bis Soundcheck Di 3.10. 16–2 Uhr, Badehaus, Revaler Straße 99, Friedrichshain
  • Lecken x Femme Bass Mafia Do 5.10. ab 20 Uhr, Fitzroy, S-Bahn-Bogen 46, Holtzmarktstraße 15, Mitte
  • Give me life – The legacy continues: Show des House of Saint Laurent Sa 7.10. ab 22 Uhr, Roter Salon der Volksbühne, Linienstraße 227, Mitte

Mehr zum Thema

Der Auftakt des Tags der Clubkultur ist der Tag der Deutschen Einheit – mehr Tipps rund um den 3. Oktober hier. Herzlich willkommen: Turbulence am Flughafen Tegel – die alte Frachtkantine als neuer Club. Auch legendäre Orte des Nachtlebens sind nicht sicher: Diese prägenden Clubs der 90er sind alle verschwunden. Auch vorher schon gab es Verdrängung: Wir erinnern uns an West-Berliner Clubs, die es nicht mehr gibt. 2022 wurde verkündet, den 17. Bauabschnitt wirklich zu realisieren. Das Ende von Friedrichshain: Die Subkultur des Szenestadtteils rebelliert. Die Autobahn zieht sich quer durch die Stadt: Unser Autor hat eine Wanderung auf der A100 unternommen. Was uns noch bewegt, darüber schreiben wir in unserer Politik-Rubrik. Mehr zu Party- und Clubkultur findet ihr in unserer Club-Rubrik.

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