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Tresor31: Berlins ältester Technoclub feiert sieben Wochen lang Geburtstag

Der Tresor ist für den Ruf Berlins als Techno-Mekka ähnlich wichtig wie das Berghain. Denn: Die Geschichte des Techno und die des Tresor bedingen sich. Jetzt hat der Club Geburtstag und feiert mit Tresor31 sieben Wochen lang mit Konzerten, Clubnächten und einer Ausstellung.

Zu Tresor31 gibt's im Kraftwerk eine Ausstellung und Konzerte.
Zu Tresor31 gibt’s im Kraftwerk eine Ausstellung und Konzerte. Foto: Camille Blake

Tresor31: Auch am Geburtstag testet der Tresor die Grenzen des Machbaren

Schnelle Bässe zerschneiden die feuchte Luft, die nach altem Gewölbe riecht; das Licht des Stroboskops zuckt über eine Masse aus Körpern, hinter Gitterstäben steht jemand und legt auf, nicht erhöht auf einer Bühne, sondern ebenerdig. Es ist Sonntagmorgen im Tresor.

Der Tresor hat schon immer gerne Grenzen ausgelotet. Von elektronischer Musik. Von Musik im Allgemeinen. Davon, was eine Party ist und wie lange sie gehen sollte, davon, was ein Club ist und ob er eigentlich unbedingt fließendes Wasser braucht. In den ersten Jahren des Tresor, im Keller des Wertheim-Kaufhauses an der Leipziger Straße beim Mauerstreifen, lautete die Antwort: Nein. Das war Anfang der 90er. Auch die Anlage soll schlecht gewesen sein.

Nun wird der Tresor 31 Jahre alt und feiert gut drei Jahrzehnte Technokultur in Berlin mit einem siebenwöchigen Programm unter dem Namen Tresor31. Es gibt Clubnächte, Konzerte und eine Ausstellung, die sich vorgenommen hat, drei Jahrzehnte Techno in Berlin mit all seinen Aspekten abzubilden.

Sogar den alten Club an der Leipziger Straße hat ein Künstler, Anne de Vries, nachgebildet: komplett aus Sand. Dazu haben die beiden Sound-Künstler Odysseas Constantinou und Rowan Ben Jackson eine Soundscape entwickelt, die die Geräuschkulisse im alten Tresor widerspiegelt. Da sind Stimmen, die witzige oder irrationale, informative oder genuschelte Geschichten erzählen, die Geräusche der U-Bahn oder vom Bass vibrierende Materialien. Auch an seinem Geburtstag testet der Tresor die Grenzen des Machbaren.

Der Künstler Anne de Vries hat den alten Tresor aus Sand nachgebildet. Foto: Christopher Bouchard

Der Tresor war Teil des Big Bang von Techno

„Der Tresor ist einzigartig – geboren aus den ungewöhnlichen sozialen und wirtschaftlichen Umständen des neu vereinten Berlins – einer Zeit des Wandels und der Chancen“, sagt Laurens von Oswald, musikalischer Direktor der Berlin Atonal, dem Festival für experimentelle elektronische Musik, das jedes Jahr im Kraftwerk an der Köpenicker Straße stattfindet – außer in diesem Jahr. Stattdessen finden in diesem Jahr nun die Tresor-Geburtstagswochen statt – kuratiert von Sven von Thülen und Mitgliedern des Atonal Teams.

Man könnte auch sagen: Der Tresor war Teil des Big Bang von Techno. Der große Knall ist ungefähr 30 Jahre her. Und er konnte nur in Berlin passieren. Denn damit Techno geboren werden konnte, nicht nur als Musikrichtung, sondern auch als Art zu feiern und zu leben, mussten viele Dinge nahezu gleichzeitig zusammenkommen: der Fall der Mauer; leerstehende Gebäude im Osten; die Freude von Ost- und Westberliner:innen, sich endlich kennenlernen zu dürfen. Die kreative Entladung in Detroit und damit die Entstehung einer neuen Musikrichtung.

An sieben Wochenenden öffnet das Kraftwerk zum Tresor-Geburtstag seine Türen.
An sieben Wochenenden öffnet das Kraftwerk zum Tresor-Geburtstag seine Türen. Foto: Frankie Casillo

Die Detroiter Schöpfer des Techno folgten dann immer wieder dem Ruf des Tresor nach Berlin und legten hinter der dicken Eisentür unter der Leipziger Straße auf, neben den Berliner DJ-Größen.

2005 kam der Tresor-Umzug vom Potsdamer Platz

Dass der Tresor etwas Besonderes ist, scheinen immer alle gewusst zu haben. Und die, die dort spielten, trugen das teils auch mit einer gewissen Arroganz vor sich her. DJ Hell zum Beispiel erzählte dem tip neulich im Interview, er habe Anfang der 90er auf der Tour der Band Nightmares on Wax immer auflegen dürfen auf allen Tourstationen. „Bis es dann plötzlich in Berlin hieß: Das geht nicht – im Tresor spielen nur Berliner DJ-Helden und keine Münchner oder Frankfurter Anfänger. Das war so die Meinung der DJs wie Rok oder Tanith, die dort Resident-DJs waren.“ Schließlich durfte er dann doch auflegen.

2005, während am Potsdamer Platz die gesichtslosen Fassaden der Bürotürme und Einkaufszentren in die Höhe wuchsen, musste Berlins ältester Technoclub dann umziehen. Jetzt steht wie eine Trutzburg des Techno auf der Grenze von Mitte und Kreuzberg an der Köpenicker Straße das ehemalige Heizkraftwerk Mitte, Zuhause von Tresor und Ohm und Berlin Atonal. Zentrum avantgardistischer elektronischer Musik. Wie das Heizkraftwerk in die Hände des Tresor gefallen ist? „Richtiger Ort, richtige Zeit, Geduld und eine naive Vision!“, sagt Laurens von Oswald.

Den Anspruch, Avantgarde zu sein, hat offensichtlich auch Tresor31. Kuratiert von den Teams der Berlin Atonal, vom Tresor und des Kraftwerks präsentieren die siebenwöchigen Festivitäten Künstler:innen, die die hypnotische Wirkung von elektronischer Musik perfektioniert haben, die mit Rhythmus spielen oder ihn ganz weglassen; die Tracks spielen, die so lebendig sind und so weite Flächen haben, dass sie ganze Landschaften vor dem inneren Auge entstehen lassen.

Bestes Beispiel sind wohl Neel und Donato Dozzy, die am 20. August jeweils einzeln im Tresor und oben im neu gestalteten Globus auflegen und einen Tag später nochmal zusammen als Voices From The Lake im Kraftwerk. Oder auch SHXCXCHCXSH.

Die Ansprüche an Clubs und Veranstaltungen wie Tresor31 haben sich verändert

Das Kraftwerk beherbergt zu Tresor31 eine Ausstellung zur Geschichte des Techno in Berlin. Foto: Camille Blake

Gleichzeitig fährt Tresor31 ein Who’s Who von 30 Jahren Techno auf, das Partys verspricht, bei denen die Rohre unten im Keller scheppern und man, wenn überhaupt, die Tanzfläche schweißüberströmt verlässt. Eingeladen sind, um nur einen Bruchteil der großen Namen zu nennen, zum Beispiel: Steve Bicknell, Helena Hauff, Objekt, Levon Vincent, Lady Starlight, Function und Moritz von Oswald.

Dazu kommen DJs, die sich in den vergangenen Jahren auf den heißesten Partys Berlins einen Namen gemacht haben, etwa Cem und MCMLXXXV von der Partyreihe Herrensauna oder Sarah Farina von Emergent Bass.

Sich als Club in der Berliner Partylandschaft zu behaupten, ist schwer. Die Szene ist schnelllebig, das Publikum anspruchsvoll und die Räume für Clubs in der Stadt sind begrenzt. Clubs und Partyreihen müssen inzwischen Awareness-Teams haben, an die sich Gäste, die Diskriminierung oder Belästigung erfahren, wenden können – wenn sie ihre Glaubwürdigkeit nicht verlieren wollen.

Stehen an den Plattenspielern immer nur weiße Männer, ist die Kritik zu Recht programmiert. Die Szene ist eine andere als die vor 30 Jahren. Der Tresor, der lange als Ort galt, an dem Männer ihr Können zeigen, hat sich gewandelt. Das Booking ist diverser. Und deswegen sind es immer öfter auch Frauen, die die Menschen auf dem Dancefloor durch die Nacht führen.

  • Tresor31 Kraftwerk/Tresor/Ohm, Köpenicker Straße 70. Mitte, 8.7.-28.8.22, Ausstellung Di-Do 12-20 Uhr, Fr-SO 13-21.30 Uhr, restliches Programm und Tickets unter 31.tresorberlin.com

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