So wütend, dass es traurig ist: Colter Wall und sein Bariton erinnern an Johnny Cash
16.604 Einwohner, irgendwo zwischen Winnipeg und Calgary. Im Sommer viele Mücken, im Winter viel Schnee. „Kuh-Land“, so hat Colter Wall dem „New Yorker“ seine Heimat im wilden, weiten Westen von Kanada beschrieben. Und dann noch einen Witz gerissen: So öde und flach sei es in Swift Current, Saskatchewan, dass sogar die Hunde weglaufen, aber man ihnen dafür „eine ganze Woche lang dabei zusehen kann“.
Das fanden die Intellektuellen von dem altehrwürdigen Magazin aus der Ostküstenmetropole sehr amüsant – und kürten den jungen Kanadier im Gegenzug zum „willkommenen Neuzugang zum Genre Outlaw Country“. Das stimmt natürlich, ist schließlich der „New Yorker“. Ist aber auch nicht ganz richtig, weil sich der 23-Jährige selber als Folk-Sänger bezeichnet, der „Western Songs“ singt. Wie auch immer man das nennen soll: Tatsache ist, dass Wall eine mehr als willkommene Abwechslung darstellt zum Pop-Country, der dieser Tage vornehmlich aus Nashville kommt. Wall dagegen reaktiviert die ganz alte Idee vom jungen Mann mit Cowboyhut, der zwar schlimm wütend ist, aber weiß, dass diese Wut auch nichts verändert, und deshalb ganz traurig wird. Einer, der zwar nicht das Leid der Welt, aber doch zumindest sein eigenes in knorrige Moll-Akkorde gießt, über denen er mit knurriger Stimme klagt. Es hilft, dass Walls Bariton einerseits reibeisenartig, andererseits samtig ist – und damit nahezu so eindringlich wie der des großen Johnny Cash.
Lido Cuvrystr. 7, Kreuzberg, Fr 22.3., 20 Uhr, ausverkauft