Zum 14. Mal streckt das Krake Festival seine Tentakel in der Stadt aus und deckt dabei ein breites Spektrum an experimenteller elektronischer Musik ab. Am 18. Juni findet der Festivalauftakt im Berghain statt, am 22. und 23. Juni geht es weiter im ://aboutblank. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der Inklusion von Künstler:innen mit Behinderung. Welche Herausforderungen damit einhergehen und was euch dieses Jahr auf dem Line-up erwartet, lest ihr hier.
Krake Festival: Inklusion und Clubkultur
Die knallbunten Plakate, die im Schaufenster des Ladengeschäfts in Friedrichshain hängen, strahlen Experimentierfreude aus: bunte Perücken hier, ein leuchtend pinkfarbener Oktopus dort. Hier befindet sich das Büro des Teams hinter dem Krake Festival, das seit 2010 für ein liebevoll kuratiertes, unkonventionelles Line-up steht. Seit einigen Jahren liegt der Fokus des Festivals dabei verstärkt darauf, Künstler:innen mit Behinderungen zu präsentieren; eine Gruppe, die selbst in einer Szene, die um Vielfalt bemüht ist, oft marginalisiert wird.
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In diesem Jahr startet Festival am 18. Juni im Berghain mit einer Performance von Drag Syndrome, dem weltweit „ersten und einzigen Kollektiv von Drag Kings und Queens mit Down-Syndrom“. Am Wochenende zieht die Krake dann weiter ins ://aboutblank. Auf dem diesjährigen Line-up stehen unter anderem Anthony Rother, Minimum Syndicat, Ben Pest, Wellen.Brecher und Für Elise, wobei letztere aus dem inklusiven Musikprojekt „Ick Mach Welle!“ hervorgegangen sind.
Kreative mit Behinderung bleiben oft unentdeckt, das Krake Festival bietet eine Bühne
Das Kernteam, bestehend aus Nico und Katinka Deuster, ist neben dem Festival hauptverantwortlich für das inklusive Musikprojekt „Ick Mach Welle!“, bei dem Menschen mit Behinderung das Produzieren elektronischer Musik mithilfe verschiedener Maschinen, Synthesizer und Musikprogramme erlernen können. Die Workshops von „Ick Mach Welle!“ werden von professionellen Musiker:innen und Pädagog:innen begleitet. Mitorganisiert wird das Projekt vom Berliner Musiklabel Killekill und dem Familienentlastenden Dienst der Lebenshilfe Berlin gGmbH, gefördert wird es unter anderem durch das Musicboard Berlin sowie die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien. Viele Menschen würden unglaubliches Talent beweisen, wenn man sie das erste Mal an einen Synthesizer lassen würde, erzählen die Deusters. Musikbegeisterte, die in ihrem Leben zuvor noch nie mit Clubkultur und elektronischer Musik in Berührung gekommen sind, bekommen bei „Ick Mach Welle!“ die Möglichkeit, sich kreativ zu entwickeln: „Es ist total beeindruckend, wie motiviert einige sind und dabei bleiben.“ Und so schade, dass manche nie die Chance dazu bekommen.
Es gibt nicht zu wenig Künstler:innen mit Behinderung, sie laufen einfach nur unter dem Radar. Es nimmt sie keiner ernst, oder es traut ihnen niemand etwas zu. Die strukturellen Bedingungen verhindern, dass Talente überhaupt erst entdeckt werden.
Nico Deuster, Krake Festival, „Ick Mach Welle!“
Im Hinterraum des Ladengeschäfts in Friedrichshain wird fleißig geprobt: Synthesizer, Drums, es wird durcheinander geredet, ausprobiert, viel gelacht. Artists aus dem „Ick Mach Welle!“-Kosmos spielten bereits auf Festivals wie der Fusion, der Nation of Gondwana und in diversen Berliner Clubs. Doch nicht nur auf der Bühne oder am DJ-Pult sind Acts mit Behinderung eine Seltenheit. Dass die Clubszene generell noch immer nicht barrierefrei genug ist, wird auf unterschiedlichen Ebenen deutlich. Viele Veranstaltungen und Festivals behaupten, inklusiv zu sein, aber in der Praxis fehlt es oft an notwendigen Details, sagt Nico: „Es wird sich natürlich gern auf die Fahne geschrieben, aber die Konzepte sind nicht wirklich durchdacht.“ Häufig sind die Veranstaltungsorte nicht für Rollstuhlfahrer:innen zugänglich, und es fehlen grundlegende Einrichtungen wie barrierefreie Toiletten.
Auch die Veranstaltungskonzepte berücksichtigen selten die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung, sei es durch fehlende Rückzugsräume, unzureichende Verpflegungsangebote oder unzumutbare Zeitpläne, die eine stundenlange Anwesenheit erfordern. Solche grundlegenden organisatorischen Umstände zeigen, dass Inklusion oft nur oberflächlich behandelt wird, ohne den Bedürfnissen aller Besucher:innen und Künstler:innen wirklich gerecht zu werden.
Außerdem ist wirkliche Barrierefreiheit mehr als eine Rollstuhlrampe an der Tür, betont Deuster: Es gehe auch um Kommunikation. Das schließe auch den Umgang mit Besucher:innen ein; manchmal fehle es an Sensibilisierung und Schulung des Personals, um Menschen mit verschiedenen Behinderungen gerecht zu werden. „Es ist notwendig, Türsteher:innen und anderes Personal zu briefen, dass Menschen kommen können, die vielleicht nicht so gut sprechen oder anders aussehen als das übliche Publikum. Und wenn man wirklich inklusiv sein möchte und möchte, dass die Leute kommen, dann muss man auch die Kommunikation von vornherein ganz anders denken“, so Nico. Die Website des Krake Festival ist zum Beispiel in leichter Sprache aufrufbar. Die Szene muss insgesamt ein tieferes Verständnis und mehr Engagement für echte Barrierefreiheit entwickeln, um wirklich inklusiv zu sein.
Trotz guter Absichten: Inklusion scheitert oft an begrenzten Mitteln
Insgesamt beobachten Katinka und Nico in den letzten Jahren eine positive Veränderung: Es gebe bereits ein sehr viel größeres Bewusstsein innerhalb der Szene. Woran hakt es denn dann noch? „Ganz einfach: an finanziellen Mitteln“, betont Nico. Die Feierszene steht unter wirtschaftlichem Druck und hat oft nur sehr begrenzte Mittel für Werbung und spezielle Inklusionsmaßnahmen. Selbst wenn die Bereitschaft zur Inklusion vorhanden ist, fehlen also oft die Ressourcen, um diese auch umzusetzen. Die Durchführung inklusiver Events ist mit erheblichen Kosten verbunden: Man müsse locker 30 Prozent zum Gesamtbudget hinzufügen, schätzt Nico, um alle Aspekte der Barrierefreiheit abzudecken.
Eine Herausforderung für die Zusammenstellung eines inklusiven Line-ups besteht allerdings weiterhin auch darin, passende Künstler:innen zu finden, die den kuratorischen Anforderungen entsprechen, ohne ihnen etwas vorzuschreiben, berichten die Deusters. Auf dem Line-up des Krake Festivals finden sich inzwischen viele Künstler:innen, deren Projekte aus den „Ick Mach Welle!“-Workshops hervorgegangen sind.
Was das „Ick Mach Welle!“-Projekt besonders macht, ist auch ihr dezidiert unpädagogischer Anspruch. Zwar lassen sie sich immer wieder in Workshops beraten und unterstützen, trotzdem betont Katinka: „Wir sind eben keine Sozialpädagogen, und das ist auch nicht unser Anspruch. Ich glaube, die Leute kommen gerne hierher, weil wir hier einfach mal was ganz anderes machen: Wir machen Musik an und haben Spaß.“
- Krake Festival Opening 18.06., Berghain, Am Wriezener Bahnhof, Friedrichshain, Einlass ab 19 Uhr, Beginn 20 Uhr, 26 Euro, Inklusionstickets 5 Euro, Tickets hier
- Krake Festival Weekender, 22.-23.06., ://aboutblank, Markgrafendamm 24c, Friedrichshain, Samstag ab 16 Uhr, Ende am Sonntag um 24 Uhr, Weekender-Ticket 26 Euro, Sunday Daytime Ticket 16 Euro, Inklusionstickets 5 Euro, Tickets hier
Das Nachtleben ist für alle da: Wie inklusiv ist die Berliner Clubkultur? Auf den Bühnen herrscht ein gewisses Ungleichgewicht: Festival-Line-ups sind immer noch sehr männlich, wie eine Studie belegt. Durstig geworden? Dann gleich weiterziehen in die schönsten Kneipen von Spandau. Oder nach Hause laufen? Schöne Spaziergänge durch Spandau stellen wir hier vor. Bloß nicht verpassen: Unsere Konzerte der Woche und die schönsten Festivals in und um Berlin. Das couragierteste Festival für grenzenlosen Jazz ist das XJAZZ-Festival in Berlin. Immer gut über das Leben in Berlin informiert: Abonniert jetzt unseren wöchentlichen tipBerlin-Newsletter. Was ist noch los? Hier sind die besten Veranstaltungen heute in Berlin. Bisschen vorplanen: Alle Konzert-Tipps fürs Wochenende in Berlin findet ihr hier.