Filmwissenschaftler haben sich mal die Mühe gemacht, den häufigsten Satz der Kinogeschichte zu ermitteln. „Let’s get out of here“ macht demnach das Rennen. Der Appell, das Weite zu suchen, zählt vermutlich auch im Popfach zu den Favoriten. Everlaunch etwa blasen gleich zum Start ihres Debütalbums zur Weltflucht. „Come on out, we leave this place!“, fordert Sänger Thorsten Finner zu ausladenden Gitarrenharmonien, unruhig brutzelnde Bässe winden sich am Boden. Derart drängelnde Romantik kennt man vor allem aus England, von Placebo etwa oder Snow Patrol. Die Umgebung aber, die Songschreiber Finners Ausbruchsfantasie beflügelt, ist das norddeutsche Rotenburg: ein braves Nest in der Lüneburger Heide, Rockfans allenfalls bekannt, wenn sie im Sommer auf dem Weg zum Hurricane-Festival durchfahren. Der schläfrige Flecken hat für Everlaunch zumindest den Vorteil, dass sich das Quartett dort ungestört zum Platzhirsch entwickeln konnte. Die Band ist längst treibende musikalische Kraft im Umkreis, bildet mit angegliederter Booking-Agentur und Grafikabteilung so was wie eine Insel des Indie-Pop im ländlichen Nirgendwo. „Suburban Grace“ heißt der jahrelang gereifte Erstling denn auch schlüssig; die Songs erinnern an einen Griff zu den Sternen, nach Art stilverwandter Kleinstadtträumer wie Slut oder Blackmail. Das Do-it-yourself-Prinzip der Band hört man ihren großen Hymnen nicht an.
„Seesaw“ etwa rollt majestätisch breit heran, behält aber angenehme Luft für seinen schwebenden Chorus. Durch die Herzschmerzballade „Sit & Wonder“ geistern von fern die Harmonien von Oasis’ „Wonderwall“, nebenbei gibt es zur rechten Zeit Groover wie das bläserbestückte „Talk Through Your Hat“. Damit haben die vier Provinz-Popper kürzlich Zehntausende überzeugt, als sie kurzfristig ins Aufgebot des Hurricane-Festivals rückten. Für Everlaunch war’s im Grunde bloß ein Heimspiel; das aber im ziemlich großen Stil.
Text: Ulrike Rechel
Foto: Caren Detje
Everlaunch (Record-Release-Show), Fr 7.8., nbi, 21 Uhr, AK: vor Ort erfragen