Wie ein Scharfschütze lehnt die maskierte Gestalt am Fenster und blickt in einen stockdusteren Hinterhof. Anstatt eines Gewehrs ragt ein riesiger Bass zwischen den Fingern hervor. Als Takeaki Maruyama alias Goth-Trad das Plattencover von „Crooklyn Dub Consortium Vol. 2“ sieht, macht das jahrelange Sammeln von Platten und Samples plötzlich einen Sinn: „Der Typ hielt seinen Bass wie eine Waffe, das hat mich so beeindruckt, dass ich ab diesem Moment selbst Musik machen wollte“.
Maruyama verbrachte die nächsten Jahre damit, seine akribisch archivierten Samples zu durchforsten und damit zu experimentieren. Mit selbstgebauten Effektgeräten tüftelte er an seinem Sound, bis dieser unverwechselbar war. Er selbst bezeichnet seinen Stil als „Mad Rave“, einer nervösen, energiegeladenen Mischung aus teilweise längst vergessenen Fragmenten der letzten zwanzig Jahre elektronischer Musikgeschichte. Ein eindrucksvolles Manifest dieses Anarcho-Stiles hat Goth-Trad mit seinem zweiten Album vorgelegt. „Mad Ravers Dancefloor“ funktioniert wie ein Hörspiel und blendet beinahe unbemerkt von einem Stil zum nächsten über: Jungle-Rhythmen gesellen sich zu Gabba-Bässen, daneben köchelt eine kleine Portion HipHop, dann wieder ein bisschen Dancehall und plötzlich klingt alles nach UK-Garage. Goth-Trad hat so seine eigene Nische definiert. Und dass er seinen eigenen Kopf hat, zeigte sich spätestens mit dem darauf folgenden Album „The Inverted Perspective“, auf dem ausschließlich verstörender Noise zu hören ist – für jede Schublade zu groß.
Text: Lucas Negroni
Goth-Trad + Addison Groove + James Blake u.a., Berghain, Fr 8.10., 24 Uhr, AK: 12 Euro