Kommentar

Raves in Hasenheide und Treptower Park: Geil, aber unnötig

Seit Kurzem sind Open-Air-Veranstaltungen in Berlin wieder mit mehr Menschen erlaubt, auch Tanz ist inzwischen wieder möglich – mit einigen Regeln. Berlins Raver-Szene ist aber schon weiter, hat genug von Zurückhaltung. In der Hasenheide und im Treptower Park feierten vergangenes Wochenende Hunderte – allerdings ganz ohne Auflagen, dafür ziemlich professionell. Die Berliner Polizei rückte aus, wohin sie konnte. Soviel Spaß das spontane Feiern im Park ohne Eintrittsticket auch macht, wirklich gedient ist damit niemandem, findet unsere Autorin.

Rave Am letzten Wochenende musste die Berliner Polizei tausende Tanzende vom Feiern in der Hasenheide abhalten. Bei allem Verständnis: Mit illegalen, unübersichtlichen Raves ist ehrlich gesagt niemandem geholfen.
Am letzten Wochenende musste die Berliner Polizei tausende Tanzende vom Feiern in der Hasenheide abhalten. Bei allem Verständnis: Mit illegalen, unübersichtlichen Raves ist ehrlich gesagt niemandem gedient. Symbolbild: Unsplash/Michael Benz

Draußen-Raves als gäbe es kein Morgen: Inzidenz bei 6,5 – Vernunft bei 0,5

Bebende Soundanlagen, leere Flaschen, platt getretene FFP2-Masken: In den wenigen dunklen Stunden zwischen Samstag und Sonntag glich der Treptower Park einer riesigen, unübersichtlichen Spielwiese. Auf der knapp 250 Hektar großen Parkanlage fanden mehrere Raves statt. Wieviele Menschen dort tanzten und feierten, dazu konnte die Berliner Polizei am Montag noch keine genaue Angabe machen. Auf der Grundlage eigener Beobachtungen lässt sich jedoch sagen: Im Treptower Park waren es sicher Hunderte, vielleicht Tausende – verteilt auf mehrere Ecken.

Die Stimmung war elektrisiert, von überall hörte man schallendes Gelächter und jubelnde Rufe, Strobolicht flackerte zwischen stampfenden Füßen hindurch, im Dustern zogen die Gruppen durch Gebüsche über Trampelpfade, immer dem besten Bass nach. Wer zufällig vorbeikam, konnte überrascht sein über die Professionalität der Behelfs-DJ-Pulte. Zwischenzeitlich hielt immer wieder die Polizei – drohte aber nur mit der Beschlagnahmung der Anlagen, sollte die Lautstärke nicht gesenkt werden.

In der Hasenheide blieb es nicht bei Warnungen, die Polizei löste einen Rave mit tausenden Teilnehmer:innen auf, wie „Deutschlandfunk“ berichtet. Im Treptower Park, gut fünf Mal so groß, wie die Hasenheide, werden es wohl auch eher mehr als weniger Menschen gewesen sein – nur, dass diese sich eben besser verteilt hatten.

Ab 3. Juli dürfen zwar bis zu 2000 Menschen zusammen draußen feiern – aber unter Auflagen

Seit dem 18. Juni dürfen in Berlin unter freiem Himmel 1.000 Menschen in organisiertem Rahmen zusammenkommen, ab 3. Juli 2000. Sollte es bei Veranstaltungen keine festen zugewiesenen Plätze geben – Stichwort Clubs – verringert sich die Zahl allerdings auf 250. Ab 3. Juli dürfen privat bis zu 100 Leute zusammenkommen. Am Wochenende waren es in vielen Parks bereits deutlich mehr.

Was den „Tanzlustbarkeiten“ vom Wochenende, wie Raves im Berliner Behördenjargon heißen, die Leichtigkeit nahm, war die Unübersichtlichkeit. Niemand kontrollierte niemanden. Aber was nach Leichtigkeit klingt, ist in Wahrheit einfach unerwachsen. Unabhängig von den Open-Air-Raves feierten Menschen in kleinen Gruppen am Wochenende überall im Park. Und diese wurden von den wummernden Bässen angezogen wie die Fliegen vom Licht. Wer bei welchem Rave dazu stieß, getestet oder nicht, das kümmerte im Eifer des Gefechts in dieser wunderschönen Sommernacht natürlich niemanden.

So nachvollziehbar man diese Zusammenkünfte also finden mag, die Veranstalter:innen dieser inoffiziellen Raves sollten sich in Erinnerung rufen: Die Berliner Clubs haben teilweise wieder mit Schutzkonzepten geöffnet und brauchen nach Monaten der Zwangspause jeden Euro. Also, soviel Spaß das spontane Feiern im Park ohne Eintrittsticket auch macht, wirklich geholfen ist damit niemandem. Wir wollen Raves bald nicht wieder vermissen müssen, weil einem Haufen feierwütiger, junger Leute fast alles noch nicht genug war.

Und wer kein Ticket mehr bekommt für den Rave seiner Träume, im Sisyphos oder in der Anomalie, der rufe doch bitte ein organisiertes Event ins Leben und kontrolliere ein paar Abstriche, damit man nicht vollkommen an der Intelligenz der menschlichen Rasse zweifeln muss. Unter anderem die Initiative Draußenstadt will Open-Air-Events schnell ermöglichen.

Das zweite Jahr in Folge: Beschäftigungstherapie für die Polizei

Die Verliererin bei all dem ist? Die Berliner Polizei. Denn diese musste am Wochenende Hunderte feiernde Menschen zur Vernunft bringen. Angestauter Frust, ausufernde Euphorie, Unübersichtlichkeit und Leichtsinn wurden dabei zu einer höchst Corona-unverträglichen Mischung. Laut „Deutschlandfunk“ sieht die Gewerkschaft der Polizei (GdP) die „kommunalen Verantwortlichen“, sprich die lokale Politik, jetzt in der Pflicht, „alternative Angebote“ zu schaffen, damit unangemeldete Raves ohne Konzept nicht eskalieren.

Bereits im vergangenen Jahr sei es „von der Politik versäumt worden Konzepte zu entwickeln“, sagte der Pressesprecher der GdP gegenüber „Deutschlandfunk“. Der SPD-Politiker Tom Schreiber, seit 2006 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, plädiert dafür Parks ab 22 Uhr einzuzäunen. Derzeit wird nimmt diese Debatte vor allem in Bezug auf den James-Simon-Park an Fahrt auf – dort kam es zuletzt eigentlich jeden Wochenendabend zu Großeinsätzen, weil sich hier viel zu viele Menschen sammelten.

Ein Rave kommt selten allein: In der Hasenheide und im Treptower Park feierten am Wochenende tausende Menschen ohne Auflagen.
Ein Rave kommt selten allein: In der Hasenheide und im Treptower Park feierten am Wochenende tausende Menschen ohne Auflagen. Symbolbild: Unsplash/Pelayo Arbues

Raves und Feiern an der frischen Luft: Kreativität statt Ignoranz

Noch ist die Berliner Polizei Hauptleidtragende in der Situation. Aber bald könnten wir es sein, wenn die Politik Wege findet, damit wir die die Coronaregeln ernst nehmen. Wenn es nicht ausreicht, dass an unser Gewissen und die Dringlichkeit der Situation plädiert wird.

Wenn ich an die Nacht im Treptower Park denke, mischen sich bei mir Gefühle des Freudentaumels und der Sorge. Ich wäre am liebsten selber dort geblieben, aber irgendwie kam es mir zu schnell und zu viel vor. Glücklicherweise musste ich nicht lange nachdenken und mich überwinden zu gehen, denn die Musik war, da hatte die Polizei mit ihrem Konzept dann irgendwie ja doch Erfolg, viel zu leise.

Von den Menschen, die diese Raves veranstalten, würde ich mir genauso viel Kreativität und Verantwortungsgefühl wünschen, wie im Falle der vielen privaten Testcenter in unserer Stadt. Dass wir eine Regel mal ausdehnen, um unseren durchgetakteten Alltag interessanter zu machen, dagegen sollte man in einer Stadt wie Berlin keine Argumente suchen. Man denke zum Beispiel an die kostenlosen Schnelltests: Eigentlich waren diese als Bürgertests vorgesehen, aber wer einen lieben Menschen von anderswo zu Besuch hatte, konnte mit ihm oder ihr fast jedes Schnelltestcenter der Stadt aufsuchen und sich testen lassen. Aus Solidarität, aus Menschlichkeit, für die gute Laune und Leichtigkeit, einfach, weil wir Berliner:innen sind.

Aber bitte – keinen unorganisierten, unerwachsenen Blödsinn veranstalten! Die Berliner Clubs haben vielerorts wieder geöffnet und es darf getanzt werden. Ersparen wir uns doch bitte gemeinsam noch weitere nervige Monate – wir haben doch schon längst bewiesen, dass wir erwachsen sein können. Wenn es darauf ankommt.


Mehr zur Berliner Partykultur

Es wird noch entspannter im Sommer 2021: Diese Lockerungen kommen in Berlin ab 3. Juli. Es sind auch einige Festivals rund um Berlin im Sommer 2021 geplant: Da geht einiges! Achso: Und wer raven kann, sollte bitte auch seinen Müll einsammeln – findet tipBerlin-Autorin Xenia Balzereit.

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