Kolumne

Jackie A. entdeckt… Metropol-Eröffnung

Roter Teppich, violett beleuchteter Eingang. Die Türsteher tun geschäftig, und unter meiner Perücke bin ich unwirsch, denn je älter ich werde, um so früher erscheine ich auf Events …

Das Goya heißt jetzt Metropol. Foto: Jackie A.

… Diesmal ist es so früh – 21 Uhr –, dass noch nicht einmal geöffnet ist. Zum Glück bin ich nicht allein: Wilson Gonzales Ochsenknecht steht  gegenüber an der Kreuzung und macht Fotos. Was verständlich ist, denn dieses Haus kann man Club- und Disco-historisch gar nicht oft genug abbilden.

Es ist eines, das Storys erzählen kann aus frühen Theaterzeiten, in denen Bertolt Brecht noch in der Dramaturgie jobbte, über Abende mit einem jungen DJ  Westbam, der hier mit neuem Musikstil „New Beat“ experimentierte, über eine glitzernde LGBT-Community, die hier in selbstbewusster Geste feierte, lange bevor es die Bezeichnung LGBT überhaupt gab, über eine Zeit, als „Disco“ als Versprechen auf eine komplett irre Nacht noch ernst zu nehmen war. Ohne ein Gefühl des Verschleißes, eines Zuviels an Clubs und Touristen, die das Besondere immer öfter gewöhnlich werden lassen. Here we go! Die Tore zum Metropol öffnen sich, die Pleite als Club Goya ist längst vergessen, das Timing perfekt.

„Den Laden holen wir uns zurück“, flüstert mir eine Drag-Queen ins Ohr

Jackie A.

Denn so ein Veranstaltungsort mit genügend Drama in Historie und Fassadengestaltung hat Berlin 2019 gefehlt. Wo man in unzähligen Clubs mit Musik für jeden noch so spezifischen Geschmack unter seinesgleichen die Nächte ironisch distanziert vom Rest der Welt verbringen kann, wird die klassische Diskothek als  szenen- und stileübergreifender Raum plötzlich wieder interessant. In einer unruhigen Zeit, in der Meinungsfreiheit, Rechte von LGBTs und die Eigenständigkeit der Frau wieder als fragile Güter wahrgenommen werden, wird auch die alles umspannende Disco, nicht nur als demokratisches Statement, plötzlich wieder sexy.

Und genau hier könnte sie wiedergeboren werden! Vielleicht bin ich aber auch nur rausgewachsen aus diesem jugendlichen Abgrenzungsdrang, und unterwegs wie so viele Berlinerinnen meiner Generation – in der Kommunikation und auf dem Dancefloor zu allem entschlossen. „Den Laden holen wir uns zurück!“, flüstert mir eine comichaft geschminkte Drag-Queen an der Tanzfläche ins Ohr. Diesen Entschluss haben da am Abend sicher noch mehr Leute gefasst, in einem komplett skurrilen, querbeet gemischtem Publikum. Ein einziges großes, gutgelauntes Kino, auf das ich nun Hoffnungen setze. Liebes Metropol-Team, vergeigt das nicht! Das DJ- Set war bis Mitternacht überraschend uninspiriert und auch in der Gastro hat es geknirscht – alles vermutlich nur Anfangsbeschwerden. Das Potenzial ist da und wir, die Fans, sind es auch. Also Glückwunsch zum Neustart!

Ihr wollt Jackie schreiben? Dann tut es doch. Ihre Mailadresse lautet: [email protected]

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