Konzerte

21 Sunsets im HKW: Ein Gespräch mit Kurator Detlef Diederichsen

Das Festival 21 Sunsets auf der Dachterrasse vom Haus der Kulturen der Welt fährt an 21 Abenden Live-Musik, Freiluftkino und Lesungen auf – vom 15. Juli bis 15. August. Chefkurator Detlef Diederichsen erzählt, wie das Festival entstanden ist, we dieses Jahr mit dabei ist und warum sich der Besuch lohnt.

Heißer Kandidat für die beste Dachterrasse von Berlin: das Haus der Kulturen der Welt am Tiergarten. Hier findet das Festival 21 Sunsets statt. Foto: Silke Briel

tipBerlin Herr Diederichsen, für alle, die noch nicht oben drauf waren: Was ist denn so extrageil an der Dachterrasse auf dem HKW?

Detlef Diederichsen Alles! Der Blick in jede Richtung. Auf die Spree, zum Kanzleramt. Gut, das kann man finden, wie man will (lacht). Kanzleramt plus Reichstag, muss man dazu sagen. Die dritte Richtung ist unser Dach, das ist immer spektakulär. Und die vierte Richtung ist der Tiergarten. Also damit geht’s schon mal los. Und dann haben wir ganz tolle Sonnenuntergänge. Wir hoffen, dass das Wetter mitspielt.

„Bei leichtem Nieselregen ein Konzert sehen – ist schon okay!“

tipBerlin Was ist, falls das Wetter fies wird?

Detlef Diederichsen Das war bei Wassermusik immer so, dass wir einfach reingegangen sind, weil wir auch die Ausstellungsfläche nutzen konnten. Wenn die Wettervorhersage morgens meldete, es wird stürmen und hageln, haben wir gesagt, okay, gehen wir halt rein. Das können wir jetzt aus pandemiebedingten Gründen nicht machen. Also heißt es, wenn es schlimm schneit und stürmt und hagelt, müssen wir absagen.

tipBerlin Aber nicht bei softem Nieselregen?

Detlef Diederichsen Das sollte nicht zum Konzertabbruch führen. Das Publikum hält was aus. Die Schmerzgrenze ist, denke ich, durch den anderthalbjährigen Entzug auch ein bisschen heraufgesetzt. Endlich mal wieder bei leichtem Nieselregen ein Konzert sehen – ist schon okay!

tipBerlin „21 Sunsets“ heißt das Festival. Warum sind’s eigentlich genau 21?

Detlef Diederichsen Naja, wir sind letztes Jahr bei der 20 gelandet. Und das war zufällig das Jahr 2020. Sodass wir dann gescherzt haben: Wenn wir es nächstes Jahr wieder machen, machen wir auf jeden Fall 21 Sonnenuntergänge. Das war allerdings zu einer Zeit, als wir nicht ernsthaft damit gerechnet hatten, dass wir das wirklich wieder machen würden. Aber so kommt’s dann halt manchmal. Und wir machen das gerne.

tipBerlin Man könnte ja meinen, Sie wollen, dass die Leute gar nicht mehr nach Hause gehen, wenn Sie hier immer von Donnerstag bis Sonntag im Vollkaracho Kulturprogramm machen: Konzerte, Lesungen, Filme.

Detlef Diederichsen Sie müssen ja nach Hause gehen, um zu schlafen (lacht). Aber dann sollen sie am nächsten Tag gleich wieder kommen!

Das künstlerische Spektrum ist dieses Jahr noch ein Stück breiter als letztes Jahr schon

tipBerlin Sie haben sich als Chef-Kurator die Arbeit ja diesmal leicht gemacht: indem Sie einfach andere Kurator:innen für einzelne Tage bestimmt haben.

Detlef Diederichsen Also, ich mache mir gerne die Arbeit leicht (lacht). Wenn ich andere dazu anhalten kann, meinen Job zu machen, finde ich das herrlich. Und es hat mehrere Zusatznutzen. Letztes Jahr haben wir versucht, so viele Berliner Künstler:innen auf die Bühne zu holen wie möglich. Die konnten ja seit Februar nicht auftreten. Ähnliches gilt aber auch für die Kurator:innen, Agent:innen, et cetera. Letztes Jahr haben wir deshalb einen Abend mit dem Ausland (der Location in Prenzlauer Berg, Anm. d. Red) gemacht. Das war super gut! Das spült uns auch Themen ins Haus, auf die wir selber gar nicht gekommen sind.

Also haben wir uns gesagt, wir wollen das ausdehnen, um das Ganze noch diverser zu machen – und auch Leuten, die sich jahrelang in der Berliner Szene verdient gemacht haben mit tollen Veranstaltungen, mal wieder was zu tun zu geben; ihnen mal wieder die Chance zu geben, ein bisschen Geld zu verdienen, indem sie das machen, was sie sehr gut können. Das war der zweite Hintergedanke. Für die Besucher:innen bedeutet das: Das künstlerische Spektrum ist dieses Jahr noch ein Stück breiter als letztes Jahr schon.

Der Kurator Detlef Diederichsen hat mit 21 Sunsets ein vielfältiges Kulturprogramm im einzigartigen Ambiente zu bieten. Foto: Laura Fiorio

tipBerlin Mit dem tollen Kiezsalon von Michael Rosen zum Beispiel.

Detlef Diederichsen Ja, da muss man aufpassen! Michael Rosen haben wir als einen von mehreren externen Kuratoren dabei. Aber den Kiezsalon, den er auch letztes Jahr außerhalb des Festivals gemacht hat, macht er auch dieses Jahr wieder. Nochmal extra. Michael tritt da nicht an als Michael, sondern als Kiezsalon. Als Kiezsalon kuratiert er für uns einen Abend bei „21 Sunsets“. Und als Kiezsalon kuratiert er einen Abend außerhalb von „21 Sunsets“.

tipBerlin Jetzt haben Sie uns komplett verwirrt. Da kann einem ja schwindeliger werden als auf dem HKW-Dach.

Detlef Diederichsen Leute, die bewandert sind im Marketing, gehen mit ihren Marken eben sehr sensibel und bewusst um (lacht).

„Ich bin froh, dass wir ihnen eine Räumlichkeit bieten können“

tipBerlin Und wie ist das mit den Doctorella-Zwillingsschwestern, Kerstin und Sandra Grether? Auch die kuratieren bei „21 Sunsets“.

Detlef Diederichsen Ich bin ein großer Fan ihrer Veranstaltungen. Wir kennen uns auch schon lang aus alten „Spex“-Tagen. Ihre „Ich brauche eine Genie“-Abende, die ich besucht habe, haben mich immer bestens unterhalten. Also habe ich sie einfach gefragt, ob sie das nicht bei uns auch mal machen wollen. Und es kommt noch der glückliche Umstand hinzu, dass ein Buch von ihnen erscheint. Sie machen also eine Buchpräsentation samt Lesung und Konzerten. Mit der üblich großen Bandbreite, die man von ihnen kennt.

tipBerlin Und auch die Leute vom Ausland haben Sie weiter eingeladen.

Detlef Diederichsen Das ist eine der tollsten Institutionen in Berlin. Jammerschade, dass da so lang nichts passieren konnte. Ich bin froh, dass wir ihnen eine Räumlichkeit bieten können.

tipBerlin Jens Friebe ist auch noch mit von der Partie – als Gast-Kurator.

Jens Friebe ist wie der Spielertrainer beim Fußball

Detlef Diederichsen Genau. Oder besser gesagt: als Kurator und Künstler, in Personalunion. Sowas Ähnliches wie der Spielertrainer beim Fußball (lacht). Er macht beides. Er hat ein Programm ausgesucht und wird noch selber dabei auftreten. Das gilt übrigens auch für die Grether-Schwestern. Die steigen auch mit auf die Bühne.

tipBerlin Und was hat es mit Adi Gelbart und dem Kammerensemble Neue Musik auf sich?

Detlef Diederichsen Der Abend hat eine ganz interessante Historie: Das ist ein Überbleibsel von unserem Festival „Das Verschwinden der Musik“ im vergangenen Jahr, das wir ja nur virtuell veranstalten konnten. Gelbart hat komponiert und einer Artifical Intelligence den Job des Textschreibers überlassen. Als das nicht möglich war, vor Publikum zu spielen, hat er lieber auf eine andere Gelegenheit gewartet. Und diese Gelegenheit haben wir jetzt im Rahmen des Festivals.

  • Haus der Kulturen der Welt John-Foster-Dulles-Allee 10, Tiergarten, Tickets und weitere Informationen hier

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