Central Cee hat UK-Rap massentauglich gemacht, in den letzten Jahren stürmte er die internationalen Charts. Auch bei seinem Berliner Konzert im Velodrom hat er nicht enttäuscht. Schon vor dem Konzert konnten sich die Fans kaum entscheiden, auf welchen Track sie sich am meisten freuen. Auch die Frage nach dem Lieblingsmoment der Show konnten im Anschluss die wenigsten spezifischer als mit “Alles!” beantworten. Der Star schaffte es, trotz der Größe des Velodroms Stimmung zu machen und seinen Fans nah zu sein.

„Besser als Travis“ und „die Stimmung war crazy“, sagen die strahlenden Jungs nach dem Konzert. Es ist ein Sonntag Anfang April und eben ist der Vorhang gefallen. Dahinter sitzt auf der Bühne, Central Cee in einem weißen Toyota, Scheinwerfer an, nach seinem letzten Track war er eingestiegen. Daran merkt man, dass er ein Star ist – ohne Zugabe, ohne Widerrede hatte er die Fahrertür geöffnet, fast schon hatte man damit gerechnet, dass er einfach darin wegfährt. Irgendwie hätte man es ihm zugetraut. Aber zurück zum Anfang.
Central Cee im Velodrom: Auftritt unter Sirenen und Geschrei
Auf der Leinwand sieht man den Rapper auf der Rückbank eines Autos. Er wirkt entspannt, redet mit seinen Freunden. Dann geht der Bildschirm aus, Sirenen ertönen, Blaulicht. Aus dem Nebel tritt Central Cee. Ohne Vorband, etwa 40 Minuten verspätet betritt er die Bühne, aber niemand scheint es ihm zu verübeln. Mit Beanie auf dem Kopf und im Trainingsanzug wirkt er zu Beginn etwas orientierungslos, als hätte er sich in der Zeit verschätzt. Jetzt steht er da mit seiner funkelnden Kette um den Hals, ein “Live Yours”-Schriftzug, der Name seines Labels. Er ist mehrfacher Millionär und der erste UK-Rapper, der mit seinem Album Platz eins in Deutschland erreicht hat. Berlin hat ihn jedenfalls sehnsüchtig erwartet. In der Menge sind die verschiedensten Personen: Viele einschüchternd gutaussehende Menschen, Freundesgruppen mit einem perfekten Gen-Z-Style, klobige Hosen, Sneaker, braids. Das Publikum besteht aus Hip-Hop-Ultras, volltätowierten Männergruppen, aber auch aus vielen Paaren.
Und… Familien? Die größten Fans sind teilweise überraschend kleine Kinder: “Er macht coole Lieder, er kann gut rappen halt”, sagt ein neunjähriger Konzertbesucher, der selbst britischen Hintergrund hat. Er hat seine Eltern überredet, mitzukommen, diese hören inzwischen selbst gerne Central Cee: “Ich bin mehr oder weniger nur durch meinen Sohn auf ihn gekommen”. Was ist es, dass diesen Musiker so beliebt macht? Wie kann er mit den gleichen Tracks kleine Kinder, 50-Jährige und die ultimativen Szene-Kids erreichen?
Mit melodischem Rap, UK-Drill und Pop-Samples ist für alle was dabei
Keine Begrüßung, ein, zwei Tracks, dann “Berlin, are you ready?”. Der Rapper beginnt mit den ersten Takten von “Day in the life”, dem Lied, das ihm vor einigen Jahren den Durchbruch ermöglichte. Sofort Pyrotechnik, Feuerfontänen schon beim dritten Lied. Ein bisschen früh vielleicht, die Fans sind noch nicht ganz in Stimmung. Aber langsam tauen sie auf. “I’ve been looking forward to this” sagt der Sänger und schenkt dem Publikum sein erstes Lächeln.
Er ist ein Star, und das auch, weil er genau den Nerv der Zeit trifft. Seine Ästhetik, sein Stil, der unvorhersehbar zwischen Markenkleidung und Jogginghose fluktuiert. Konstant bleiben die groben Diamantenketten und sein ernster Blick, wenn er von Drogen, Ausgrenzung und fragiler Freundschaft singt. Seine Fans unterstellen ihm eine gewisse Bodenständigkeit, und das, obwohl er bekannt dafür ist, zwischen Ferraris zu posen. „Er ist trotz allem nicht so super männlich… ist nicht so’n Macho, wie man’s aus der Rapszene gewohnt ist“, sagen Fans vor Ort, das finden sie sympathisch.
Central Cee bestreitet das Konzert alleine, das Publikum singt wann immer möglich mit, aber kommt oft nicht hinterher. Zugegeben: Auch er selbst manchmal nicht. Stellenweise setzt er zu selbstverständlich auf Playback, doch sein bescheidenes Lächeln gibt ihm irgendwie Welpenschutz. Vor allem, weil wenn er dann nach einer Atempause wieder einsetzt, wirklich alles stimmt. Jeder Blick, jedes Wort. Zur Melodie von Passengers „Let her go“ schwebt er auf einer Brücke über dem Publikum, das Sirenen-Blaulicht vom Anfang ist inzwischen einem melancholischen blauen Licht gewichen. Dann fängt er an, auf das Sample zu rappen, irgendwann senkt sich die Hebekonstruktion zu Boden, und er tritt in die Menschenmenge, auf einmal ganz nah.
Central Cee in Berlin – Ein guter Gast im Hertha-Trikot
Später erwarten ihn seine Freunde auf der Bühne und rauchen Shisha im Wohnzimmer-Setting. Cench, wie man ihn auch nennt, setzt sich dazu, der nächste Track beginnt und aus dem diesigen Licht tritt an seiner Seite Luciano. Die beiden wechseln sich ab in “West Connect”, vermischen deutsch und englisch, das Publikum euphorisch. Mag sein, dass es an Lucianos Gastauftritt liegt, vielleicht auch einfach an Cees Outfit. Denn unvermittelt steht er da im Hertha-Trikot, die 11 von Fabian Reese auf dem Rücken – egal ob Fußballfan oder nicht, irgendwie berührend. Wie eine kleine Verbeugung vor der Hauptstadt, vor den Fans, und es zieht.
„From Bush to Beverly Hills“ – Seine Erfolgsgeschichte auf der Bühne
In Videozusammenschnitten zwischen den Tracks sieht man den Rapper in Flugzeugen, Autos, immer unterwegs. Dann ein Auge, das U-Bahnschild von „Sheperd’s Bush” in der Iris. Dort ist er in Westlondon aufgewachsen, jetzt reist er um die Welt: Er singt vom Kontrast zwischen seinem früheren Leben und dem jetzigen Lifestyle. Zur Zeit geht es für ihn ständig bergauf, er hat schon früh Awards als Bester Newcomer gewonnen, inzwischen ist sein Name ein Markenzeichen.
Bonzig oder bodenständig? Ein bisschen beides
Wie die meisten Rapper von sich behaupten, vergisst Cench aber nicht, wo er herkommt, wo er angefangen hat. Seine Line „From Toyota Yaris to Urus” steht wortwörtlich im Zentrum des Abends: Auf der Bühne steht als Requisite ein weißer Toyota Yaris, sein erstes Auto, später erscheint dahinter ein kupferfarbener Lamborghini Urus. Als letzten Track nach „Sprinter”, „Doja” und den anderen Publikumsfavoriten spielt er „No Introduction”, singt davon, dass der Ruhm zwar nicht alles besser macht, aber das Leben davor deutlich härter war. Er mag den neuen Lamborghini-Lifestyle, das ist kein Geheimnis. Und dennoch: Er will sich treu bleiben. Als letzte Handlung auf der Berliner Bühne dreht er sich um, öffnet die Tür des Toyotas und steigt kommentarlos ein. Scheinwerfer an, Tür zu, der Vorhang fällt – dann Dunkelheit. Und ein bisschen Gänsehaut.
Mehr Musik
Kein Bock, nur Rap von Männern zu hören? Hier sind 12 wichtige Berliner Rapperinnen, die ihr kennen sollet. Zum Beispiel bei uns im Porträt die Berliner Rapperin Ebow. Auch die mächtigste Frau in der deutschsprachigen Musikbranche ist Berlinerin: Wir haben Spotify-Chefin Conny Zhang zum Interview getroffen. Hier findet ihr immer die aktuellen Konzerte der Woche in Berlin. Endlich steht die Festivalsaison vor der Tür: Informiert euch zu den schönsten Festivals in und um Berlin. Damit ihr generell informiert seid, abonniert jetzt unseren wöchentlichen tipBerlin-Newsletter. Außerdem halten wir euch hier auf der Website immer zu Partys und Clubkultur auf dem Laufenden. Oder mal wieder ein Print-Heft kaufen?