Berliner Musikerin

Joanna Gemma Auguri: „In Berlin kann jeder sein, wer er möchte“

Joanna Gemma Auguris Album „Hiraeth“ sorgt derzeit für Begeisterung. Nun präsentiert sie ihr neues Werk im Silent Green. Wir sprachen mit der Berliner Musikerin über Kreativität, Ausverkauf und Magie.

Die Berliner Musikerin Joanna Gemma Auguri präsentiert ihr Album "Hiareth" im Silent Green. Foto: Marit Beer
Die Berliner Musikerin Joanna Gemma Auguri präsentiert ihr Album „Hiareth“ im Silent Green. Foto: Marit Beer

tipBerlin Dein neues Album „Hiraeth“ ist Ende Juni erschienen. Wie geht’s dir?

Joanna Gemma Auguri Es war eine intensive Reise. „Hiraeth“ – ein walisisches Wort für Heimweh und Nostalgie – fasst das Thema Sehnsucht nach unerreichbaren oder vielleicht nicht existierenden Dingen gut zusammen. In unseren unruhigen Zeiten sehe ich das Album als Insel des Ankommens, die Zuflucht und Ruhe bietet. Es bietet einen Raum für alle Gefühle, ob positiv oder negativ. 

tipBerlin Dein Album klingt sehr atmosphärisch, gar cinematisch. Hattest du ein bestimmtes Konzept? 

Joanna Gemma Auguri 2021 habe ich mein erstes Soloalbum nur mit Akkordeon und Zither aufgenommen, sehr intim und erzählerisch. Dabei wurde ich als „das traurige Mädchen mit dem Akkordeon“ beschrieben. Für das neue Album wollte ich mich davon lösen und musikalisch erweitern. So entschied ich mich, ausschließlich analoge Instrumente zu verwenden und live im Studio einzuspielen.

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Joanna Gemma Auguri: „Wenn man im Alltagsstress steckt, ist es schwer, kreativ zu sein“

tipBerlin War der Schreibprozess für dich trotzdem eher einsam?

Joanna Gemma Auguri Oft habe ich alleine geschrieben, in meinem Wohnzimmer. Ich brauche auch Raum für Kreativität. Wenn man im Alltagsstress steckt, ist es schwer, kreativ zu sein. Ich versuche, die ersten Stunden des Tages dafür zu nutzen, da bin ich noch am klarsten und habe weniger äußere Einflüsse. In Kreuzberg ist ja vor zehn Uhr morgens noch nicht viel los (lacht).

tipBerlin Welche Themen waren dir im Albumprozess besonders wichtig, wie viel Inspiration ziehst du aus deinem Leben?

Joanna Gemma Auguri Es ist immer eine Mischung. Meine Sehnsucht nach einem Zuhause spielt eine große Rolle. Obwohl ich seit 23 Jahren in Berlin lebe, habe ich mich erst vor kurzem angekommen gefühlt. Das hat sicher auch damit zu tun, dass ich mit fünf Jahren aus Polen nach Deutschland gekommen bin. Meine Familie hat unterschiedliche kulturelle Wurzeln, ich sehe mich als Europäerin. Dass wir in Deutschland gelandet sind, zeigt, wie zufällig die Sache mit der Identität oft ist.

tipBerlin Du bist 2001 nach Berlin gezogen. Wie hat sich die Stadt in deinen Augen seitdem verändert?

Joanna Gemma Auguri Früher waren die Räume hier vielfältig und inspirierend, man traf sich damals überall – in Parks, Hinterhöfen – um gemeinsam Kultur zu erleben und zu feiern. Heute ist die Stadt internationaler als früher, was spannend ist, aber auch mit einem starken Ausverkauf, besonders auf dem Immobilienmarkt, verbunden ist. Die Stadt hätte klüger handeln können, wie Wien zum Beispiel, wo viele Immobilien in staatlicher Hand sind. Hin und wieder überlege ich schon, vielleicht ins Umland zu ziehen, da auch meine Sehnsucht nach Natur wächst. 

tipBerlin Glaubst du, Berlin ist noch eine gute Stadt für die Kunst?

Joanna Gemma Auguri Der Ausverkauf trifft die Kultur hart. Aber ich glaube, Berlin bleibt trotzdem noch ein besonderer Ort für Kunst. Die Stadt ist bunt, chaotisch und bietet viele Möglichkeiten. Trotz Gentrifizierung bleibt Berlin authentisch und individuell – hier kann jeder sein, wer er möchte. Das spiegelt sich in der Kultur wider und macht die Stadt einzigartig.

tipBerlin Am 3. September spielst du dein neues Album erstmals live. Was erwartet uns?

Joanna Gemma Auguri Das Konzert im Silent Green wird unser einziges Berliner Konzert dieses Jahr, und wir treten mit fünf bis sieben Musikern auf. Mit der Kuppelhalle haben wir dafür meiner Meinung nach den schönsten Ort in der ganzen Stadt! Das Album nach zwei Jahren Arbeit vor Publikum zu präsentieren, das hat für mich immer so was von Initiation, wie ein Ritual. Ich glaube, in Zeiten von Digitalisierung und KI sehnen sich die Menschen nach echtem, lebendigem Erleben. Der direkte Austausch mit dem Publikum ist das, was für mich wirklich zählt. Ich glaube, manchmal mache ich nur Musik für diesen Moment, um diese Begegnung mit dem Publikum zu haben.

  • Silent Green (Kuppelhalle) Gerichtstr. 35, Wedding, Di 3.9., 20 Uhr, VVK 23 €, Infos und Tickets siehe hier

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