Kommentar

Kultur ohne Corona-Regeln: Risiko für Kulturschaffende und Gäste

Keine Tests, keine Masken, keine Überprüfung des Impfstatus: In der Kultur gelten keine Corona-Regeln mehr. Also back to normal? Eher nicht. Der Versuch könnte nach hinten losgehen. Den Kulturschaffenden, allen voran den Künstler:innen, denen bei einer Corona-Infektion der Ruin droht, sollte man sich trotz der veränderten Gesetzeslage vor dem Konzertbesuch testen lassen, kommentiert unsere Autorin.

Neue Corona-Regeln, auch für die Kultur: Die neue Freiheit könnte denen schaden, die die Kultur schaffen.
Dicht gedrängtes Publikum beim Moka-Efti-Konzert in Berlin im Mai 2020: Ohne Tests dürfte es bei ähnlichen Veranstaltungen zu mehr Infektionen kommen. Foto: Imago/Pop-Eye/Ben Kriemann

Neue Corona-Regeln in der Kultur: Das Risiko, sich anzustecken, steigt

Seit Freitag, den 1. April sind fast alle Corona-Maßnahmen passé. Die Maskenpflicht fällt beinah überall außer im ÖPNV und in medizinischen Einrichtungen weg, außerdem müssen Restaurants, aber auch Kultureinrichtungen wie Theater, Konzertlocations und Clubs keinen Impfstatus und keine negativen Schnelltests mehr überprüfen. NullG statt 2 oder 3G.

Der Berliner Senat sieht diesen Schritt angesichts von noch immer astronomischen Inzidenzen kritisch, beugt sich aber dem Bund und zieht mit. Damit ist er nicht allein: Laut einer Forsa-Umfrage sind zwei Drittel aller Deutschen mit dem Wegfall der Maßnahmen nicht einverstanden. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese Stimmung negativ auf Kultureinrichtungen auswirkt, ist erheblich. Das ist paradox, wurde doch immer wieder argumentiert, dass man der Kultur mit dem Ende der Maßnahmen etwas Gutes tue.

Es ist eigentlich logisch: Wenn nun Ungeimpfte und Geimpfte ohne Test zu Konzerten gehen können, steigt die Wahrscheinlichkeit, sich dort anzustecken. „Ich kann mir vorstellen, dass die meisten Jüngeren sich freuen und noch mehr ausgehen, als eh schon und viele Ältere jetzt vorsichtiger werden“, sagt Andreas Oberschelp von der Berliner Bookingagentur Puschen. Ob sich das ausbalanciert, wenn Oberschelp Recht hat, ist zumindest fraglich.

Die Ticketverkäufe laufen schleppend

Anne Miethe, Promoterin beim Lido, hat die Befürchtung, dass sich die neue Regelung negativ auf die Ticketverkäufe auswirkt. Für Veranstalter:innen, Konzertlocations und Künstler:innen wäre das angesichts eher schleppender Verkäufe fatal. „Wir haben beobachtet, dass die Menschen in den vergangenen Wochen eher verhalten Tickets gekauft haben“, sagt sie. „Das haben wir auch von anderen Veranstaltern gehört.“ Viele hätten wahrscheinlich noch Konzertkarten für verschobene Veranstaltungen oder seien, die letzten beiden Jahre und die vielen ausgefallenen und verschobenen Konzerte im Hinterkopf, zögerlich geworden.

Für die Musikerinnen und Musiker, die mit ihren Konzerten noch nicht viel Geld verdienen, könnte der neue Umgang mit dem Virus ebenso wie für Konzerthäuser einen verheerenden Effekt haben. Auf Tour setzen sie sich einem hohen Ansteckungsrisiko aus, das nun noch höher ist. Wenn sie Konzerte aufgrund einer Corona-Infektion ausfallen lassen, kann das entscheidend sein für den finanziellen Erfolg ihrer Tour.

„Wir haben nur eine Chance, dieses Jahr zu touren. Wenn wir Covid bekommen, ist die Tour im Eimer und damit auch die Möglichkeit, Rechnungen zu bezahlen und die Energie, sich zu sammeln und es noch einmal zu versuchen. Bitte tragt bei meinen Shows Masken“, twitterte etwa amerikanische Musiker Helado Negro, der gerade mit seiner Band durch die USA tourt. Im Juni spielt er im Frannz Club.

Trotzdem testen lassen, auch wenn es niemand verlangt

Das Lido empfiehlt seinen Gästen, sich vor dem Konzertbesuch testen zu lassen. Zwingen können sie die Menschen aber nicht. In Deutschland wird, anders als in den USA, wo Schnelltests weniger verbreitet sind, nicht darüber diskutiert, bei Konzerten und Partys Masken zu tragen. Gerade auf einem Konzert können Masken besonders lästig sein und das Erlebnis grundlegend verändern, das verstehen auch viele Künstler:innen.

Mit ein bisschen Empathie für die Künstler:innen und dem Bewusstsein, dass es mit der neuen Freiheit auch ganz schnell wieder vorbei sein kann, wenn die Pandemie wieder Fahrt aufnimmt, sollte es aber nicht so schwer sein, sich auch nach Ende der Vorschriften vor einem Konzertabend zumindest testen zu lassen, wenn schon die Maske keine Option ist. Denn auch wenn es wütend machen kann, dass die Politik die Verantwortung bei Kulturschaffenden und Privatleuten ablädt: Rücksicht schadet nicht.


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