Pop

Als wäre sie das uneheliche Kind von David Bowie und Tilda Swinton: La Roux spielt im Metropol

Die Rollenrebellin: Der eingängig tanzbare 80s-Pop von Elly Jackson alias La Roux klingt im besten Sinne vintage. Doch wie sie Geschlechterrollen überwindet – das weist ganz klar weit nach vorne

© Andrew Whitton Photography 2019

Wenn man La Roux mit einem Film vergleichen würde, dann käme das Ganze sehr nah an die 90er-Teenager-Romcom „Eine wie Keine“ mit Rachael Leigh Cook in ihrer Rolle als Laney Boggs. Ein extrem schüchternes Mädchen – mit viel Potenzial – blüht im Laufe der Handlung auf und wird sich vom Underdog zum Cool Kid entwickeln. Dennoch bleibt sie so eigen, dass keine so sein will wie sie, und schafft es doch, alle in ihren Bann zu ziehen. So fühlt es sich auch für Sängerin Elly Jackson an, wie sie im Interview mit dem tip erklärt: „Die Durchschnittsfrau kann sich vermutlich nicht mit mir identifizieren und möchte auch nicht so wie ich aussehen. Sie wollen sich nicht die Haare abschneiden und androgyn wirken. Das würde sie davon abhalten, dass andere Frauen zu ihnen aufsehen oder Männer sie ficken wollen.“

Dennoch feierten Fans und Kritik schon vor zehn Jahren den bis dato einzigartigen Style der damals 21-jährigen Britin – musikalisch wie optisch. Mit ihrer selbstbewussten Single „Bulletproof“, einer eingängigen Popnummer mit krasser Elektro-Bass-Line, gelang La Roux damals über Nacht der internationale Durchbruch. Damals noch als Duo, denn hinter dem französisch anmutenden Namen, der frei übersetzt so viel wie „Die Rothaarige“ bedeuten soll – allerdings grammatikalisch falsch ist –, verbarg sich zudem noch Produzent Ben Langmaid. Dieser hatte in der Vergangenheit mit Größen wie Faithless und Kanye West zusammengearbeitet.

Faithless war auf dem Debütalbum „La Roux“ an manchen Stellen nicht zu überhören, während Kollaborateur Nummer zwei der Grund für die Trennung der beiden war: So führte ein bizarrer Streit um Kanye West und dessen Verhalten zu einem handfesten Twitterbeef und dem Ausscheiden von Langmaid aus der Band. Da Jackson sowieso den Großteil der Aufmerksamkeit auf sich zog, schien es für die Fans keinen gravierenden Unterschied zu machen, dass aus dem einstigen Duo eine reine Solokünstlerin hervorging. Ihre Liebe zu eigenartigen Melodien und entspannten 80er-Jahre-Synthies blieb weiter bestehen und manifestierte ihren Sound. Was zur Folge hatte, dass keiner der Songs danach nur annähernd wie „Bulletproof“ klang oder verkaufstechnisch performte.

Mittlerweile sagt Jackson, sie könne sich ohnehin nicht mehr so richtig mit dieser Nummer identifizieren: „Ich kann mir das Video gar nicht ansehen. Ich finde, dass ich da ziemlich unglücklich aussehe. Man sieht, dass ich mich nicht ganz wohl gefühlt habe.“ Das sei mittlerweile mehr als zehn Jahre her und sie habe kaum noch eine Verbindung dazu, was für auch vollkommen okay für sie sei. Für sie sei es vergleichbar mit einem alten Schulaufsatz, den man in der Oberstufe geschrieben hat, mit dem man sich Jahre später noch immer zu identifizieren versucht. Was aber nicht immer so einfach sei. „Damals sah ich einfach so aus, als sollte ich besser nicht in einem Musikvideo sein. Quasi ein unsicherer Teenager, der vor die Kamera gezerrt wurde“, fasst sie lachend zusammen.

Bitte keine nackten Brüste beim Konzert

Bemerkenswert auch: das große mediale Interesse an ihrer Sexualität. Zwar wurde ihr lässiger androgyner Stil gefeiert, dennoch stand immer die Frage im Raum, ob sie denn nun Frauen liebe oder nicht und ob sie die neue Ikone für frauenliebende Frauen werden könne. Mit dem Ergebnis, dass bei ihren Konzerten einige Frauen im Publikum standen und ihre nackten Brüste präsentierten. Zu viel für die introvertierte Grammy-Gewinnerin, die sich dazu genötigt fühlte, ein Machtwort zu sprechen. Schließlich gehe es um ihre Musik und nicht um Brüste. In einem Interview mit „PinkNews“ sagte sie: „Müssen wir zu 100 Prozent offen mit allem sein, bevor wir auf die Bühne gehen? Ist das wichtig?“ Nein, sie wolle keine nackten Brüste bei ihren Konzerten sehen. Außerdem sprach sie offen die problematische Berichterstattung der Medien zu queeren Themen an. „Das Problem ist, dass, wenn ich sage, dass ich hetero bin, niemand vor mein Haus kommt, um ein Bild von meinem Freund zu machen. Wenn ich aber sage, dass ich homosexuell bin, dann kommt jemand vor mein Haus und versucht, Bilder von meiner Freundin zu machen.“ Sie wolle sich in keine Schublade stecken lassen.

Auch nicht in die Schublade namens Feministin. Wenn auch ihr neues und erstes Album nach fünfjähriger Pause inhaltlich so verstanden werden kann, sei es eher zufällig so gekommen. „International Woman of Leisure“, die erste Single aus „Supervision“, ist ein Empowerment-Song, wie sie verrät: „Es geht darum, deine Macht in den Fähigkeiten einer Frau zu entdecken. Für mich persönlich gab es da einen bestimmten Moment im Studio, wo ich realisiert habe, dass ich keinen Mann brauche, um bestimmte Dinge zu vollbringen.“ Der Job des Produzenten sei nach wie vor eine Männerdomäne. Vor allem die komplexen technischen Aspekte dabei schreckten Frauen noch immer ab.

Elly Jackson ist aber in einem Haushalt groß geworden, in dem sie von ihren Eltern schon früh ermutigt wurde, Dinge zu machen,„die nicht nur weiblich sind.“ Deshalb bemäkelt sie auch, dass gewisse Eigenschaften typisch männlich oder weiblich sein sollten. „Totaler Bullshit!“ Von diesem Denken hat sich La Roux verabschiedet und sich das Produzieren beigebracht. „Warum sollte ich als Frau keine handwerklichen oder elektronischen Dinge können, wenn Frauen sogar sieben Sprachen lernen können oder Neurowissenschaftlerinnen sind? Warum sollte ein Studio da eine Grenze darstellen?“

Metropol Nollendorfplatz 15, Schöneberg, Sa 15.2., 20 Uhr, VVK 35 € zzgl. Gebühren

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