Es gibt Veranstaltungsformen, die drängen sich förmlich auf. „Lebenslinien“, die neue Veranstaltungsreihe des Hauses der Kulturen der Welt, zum Beispiel. Beleuchtet wird dabei das Schaffen herausragender Künstler, deren Lebenswerk dem deutschen Publikum noch wenig erschlossen ist. Gemeinsam mit deren Weggefährten sollen historisch-politische und künstlerisch-biografische Kontexte veranschaulicht werden. Ein spannendes Konzept.
Der erste Protagonist ist der südafrikanische Trompeter, Flügelhornist, Komponist und Sänger Hugh Masekela. Kürzlich feierte er seinen 70. Geburtstag und blickt auf eine 50-jährige Schaffensperiode zurück. Unmöglich, sie auch nur annähernd zusammenzufassen. Doch einige Stationen bedürfen einfach der Erwähnung: Ende 1959 formieren sich Hugh Masekela, Dollar Brand (der heute Abdullah Ibrahim heißt), Kippie, Jonas, Makaya Ntshoko und Johnny Gertze zu den „Jazz Epistles“. Als erste südafrikanische Jazztruppe nehmen sie eine LP auf. Hugh Masekela leiht Miriam Makeba für
ihre Platten seinen gewaltigen Trompetenklang. 1968 gelingt ihm mit „Grazin’ in the Grass“ ein Top-Ten-Hit in den USA. Das Instrumentalstück ist im Mbaqanga-Stil gehalten. Ein Mix aus Zulu-Traditionen, Soul, Jazz und Pop. Hugh Masekela spielt mit The Crusaders, The Byrds oder Bob Marley. 1975 stellt er das Konzert für den als „Rumble in the Jungle“ legendär gewordenen Boxkampf Muhammad Alis gegen George Forman in Kinshasa zusammen. 1981 gründet Hugh Masekela ein mobiles Tonstudios für schwarze Musik in Botsuana an der Grenze zu Südafrika. Er landet 1984 den Dancefloor-Hit „Don’t Go Lose It Baby“ und spielt 1986 mit Paul Simon „Graceland“ ein. Ein Broadway-Erfolg wird 1988 das gemeinsam mit Mbongeni Ngema erdachte Musical „Sarafina“. Es erzählt die Geschichte eines schwarzen Schulmädchens, das an Schülerprotesten teilnimmt. Nach der Freilassung Mandelas bricht Hugh Masekela 1991 zu seiner ersten Südafrika-Tournee auf.
Hugh Masekela probiert sich bereits als Kind an Gesang und am Piano. Als er jedoch 14-jährig den Film „Young Man With A Horn“ sieht, ist es trompetentechnisch um ihn geschehen. Kirk Douglas spielt darin den Jazztrompeter Bix Beiderbecke. Hugh Masekela wird schon früh ein Meister an der Trompete. Großen Anteil daran hat der Anti-Apartheids-Bischof Trevor Huddleston, der Hugh Masekela musikalisch fördert, wo es nur geht. Neben den Einflüssen der großen Jazzer seiner Zeit hebt Hugh Masekela die Wirkung von Louis Armstrong auf ihn ganz besonders hervor: „Er war es, der die afrikanisch-amerikanischen Erfahrungen über den musikalischen Weg im westlichen Denken verankert hat.“ Hugh Masekela macht unter dem Eindruck der Apartheid seine Trompete immer mehr zu seiner Waffe. Nachdem 1960 beim Massaker von Sharpville 69 Schwarze von der Polizei erschossen werden, verlässt auch Hugh Masekela Südafrika. Dies geschieht unter tatkräftiger Mithilfe von Trevor Huddleston und Yehudi Menuhin.
Mitstreiter, Weggefährten, Bewunderer und der Künstler selbst verknüpfen nun erstmals die „Lebenslinien“ Hugh Masekelas zu einem großen Ganzen. Hugh Masekela kann nur als stetiger, rastloser Wanderer zwischen allen Genres porträtiert werden. Denn diese künstlerische Offenheit sucht bis heute ihresgleichen. Eine Konstante hatte dieses bewegte Leben jedoch immer und mehr als deutlich geprägt. Könnte es jemand besser beschreiben als die große literarische Stimme Südafrikas und Nobelpreisträgerin Nadine Gordimer? „Er hat die Musik Afrikas in die Welt getragen und doch niemals seine Identität verloren.“
Text: Franz X.A. Zipperer
Veranstaltungen:
Hugh Masekela liest aus seiner Autobiografie „Still Grazing“, Do 14.5., 19 Uhr, Eintritt frei
Joy Denalane | Jazz Jamaica, Konzerte, Do 14.5., 20 Uhr, Eintritt: 13/10 Euro
Amandla! A Revolution in Four Part Harmony, Regie: Lee Hirsch, Südafrika 2002, 103 Min., engl. UT, Film Fr 15.5., 19 Uhr, Eintritt frei
Rob Mazurek / Sao Paulo Underground | Louis Moholo-Moholo & Band, Konzerte Fr 15.5., 20 Uhr, Eintritt: 13/10 Euro
Sarafina, Regie: Darrell J. Roodt, Südafrika 1992, 103 Min., engl. UT, Film Sa 16.5., 19 Uhr, Eintritt frei
Hugh Masekela & Band, Konzert Sa 16.5., 20 Uhr, Eintritt: 13/10 Euro
Lebenslinien, Haus der Kulturen der Welt, Do 14.-Sa 16.5.