Der Kreuzberger Rapper Pashanim aka Cano Costello hat sein Debütalbum „2000“ veröffentlicht: Auf Retro-Beats und Trap erzählt der 23-Jährige in cineastischen Lyrics von seinem Aufwachsen in Kreuzberg 61. Funktioniert das auch auf Albumlänge?
„Liebe Zuschauer, ganz herzlich willkommen im neuen Millennial“, ertönt es auf dem Intro von „2000“. Pashanim hat sich für den Opener bei einem Ansager von Ina Bergmann, ihrerzeit Tagesschau-Sprecherin, bedient. Dazu melancholische Sonny Black-Streicher. Willkommen im Jahr 2000. Willkommen im Leben von Pashanim.
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Debütalbum von Pashanim: Packs abpacken im babyblauen Tracksuit
Hohe Erwartungen also, an das Debütalbum von Pashanim: Der im Jahr 2000 geborene Rapper ist aktuell einer der erfolgreichsten Musiker Deutschlands. Niemand schafft es so lässig wie er, Gang-Storys und Kindheitserlebnisse durch den ästhetischen Filter der Prada-Shades zu erzählen. Wenn Packs abpacken, dann im Altbau im babyblauen Tracksuit und Espresso samt Giotto. Die wenigen Single-Releases und rare Medienpräsenz wirkten als Brandbeschleuniger für seinen Hype. Gleichzeitig schien ein Debütalbum in weite Ferne zu rücken. 14 Songs sind es auf „2000“, so viele, wie er in den letzten zwei Jahren releaste.
Schieß‘ auf Coladosen nachts Grunewald
Pashanim auf „Moltisanti“
Dabei weicht „2000“, zumindest zu Beginn, nicht großartig von der Erfolgsmixtur vergangener Songs ab: Hausproduzent Stickle lässt Klavierarpeggios auf Dirty South-808s tropfen, Pashanim erzählt in Ellipsen und Halbsätzen aus seinem Mafioso-Dasein: Packs abpacken, A6 fahren, TNs tragen – Songs wie „Florenz“, „GTA“ oder „Moltisanti“ erschöpfen sich schnell. Lediglich „Mittelmeer“, das mehr zwischen Rap und RnB changiert, hat Hitpotenzial und könnte zu „Sommergewitter“ 2.0 werden. Bei Lines wie „Ich wollte 8k, schon als ich acht war“ oder „Hier verkauft jeder ob jung oder alt / schieß‘ auf Coladosen nachts Grunewald“ fragt man sich aber, ob der Stammgast der „Modus Mio“-Playlist wirklich für Gangsta-Rap bestimmt ist.
Pashanim verkörpert den Retro-Zeitgeist der Gen Z
Nach Startschwierigkeiten bekommt „2000“ doch noch die Kurve – Pashanim kehrt vom Mittelmeer zurück und schaltet in seinem weißen Porsche 911er einen Gang runter. Blick in den Rückspiegel der Vergangenheit. Womöglich ist Pashanim auch so erfolgreich, weil er den Retro-Zeitgeist der Gen Z verkörpert: Y2K-Mode, Nokia-Handys, Namedropping einflussreicher Rapper und Fußballstars der 2000er und jetzt sogar schleppende Boom Bap Beats wie auf „Intro“. Doch Pashanim wäre nicht Pashanim, wenn es dabei bliebe: 90er- oder 2000er-Bezüge sind nur Mittel zum Zweck und betten sich elegant in seine Beobachtungen ein.
Unsere Gegend ist Legende wie der Schuhwurf auf Bush
Pashanim auf „2007 skit (hk beatz)“
Etwa auf „Bis hier liefs noch ganz gut“. Der Track sampled das Intro des französischen Banlieue-Kultfilms „La Haine“ – und endlich entfaltet sich sein lyrisches Können: Verse zu schreiben, die im Kopf der Hörer:in einen Kinofilm im Stile des Neo Noir anwerfen: „Spätnachts meine Scheiben beschlagen, mal‘ in die Scheibe dein Namen / vom Sonnenuntergang bis zum Morgengrauen, finden keinen Schlaf, weil sich Sorgen stauen“. Straßenromantik at its best.
Dann kommt das „2007 skit“: ein brachialer Aggro Berlin-Gedächtnis-Beat; und hier funktioniert die härtere Schiene Pashanims dann doch, auch weil er sich, auf subtile Weise, durchaus politisch zeigt: „Immer schlechte Laune, sehn‘ wir Axel-Springer Haus“ oder „Unsere Gegend ist Legende wie der Schuhwurf auf Bush“. Als der irakische Journalist Muntazer al-Zaidi ein paar Schuhe auf den damaligen US-Präsidenten George W. Bush warf und damit Kritik an der US-Invasion in den Irak übte, war Pashanim acht Jahre alt.
Selbstreferenzen und Straßenromantik auf „2000“
Die Zeile „Für immer? Für immer immer“ ist eine unmissverständliche Hommage an den Song „Ms. Jackson“ des Hip-Hop-Duos Outkast, wie auch schon seine gleichnamige Single „Ms. Jackson“. Trotz all der 2000er-Referenzen klingt „2000“ nie verstaubt. Das liegt daran, dass Pashanims Texte völlig ohne den gängigen Deutschrap-Sexismus auskommen, der in den 2000er-Jahren auf die Spitze getrieben wurde.
Trotzdem wird man als Hörer:in immer wieder überrascht von Songs wie „Nokia 3310“, ein atmosphärischer Ghetto-Tech-Lovesong; oder auch der Titeltrack „2000“, wohl einer der persönlichsten Tracks: „Als Musik in mein‘ Leben kam, war ich das erste Mal verliebt“, rappt Pashanim und verweist auch immer wieder auf sich selbst. 2019 rappte Pashanim auf „Hauseingang“ die Zeile „Ich werd‘ höchstens dreißig, canım, nein, ich werd‘ nicht alt“. Jetzt heißt es „Und wenn mich kein Auge und kein Blei trifft, werd ich vielleicht doch älter als dreißig.“
„2000“ dehnt das selbstreferenzielle und straßenromantische Pashanim-Universum weiter aus. Und trotz anfänglicher Startschwierigkeiten funktioniert seine Musik auch auf Albumlänge. Dafür sorgt die sehr starke zweite Hälfte des Albums: Pashanims Songs werden vor dem inneren Auge zu Kreuzberger Mafia-Filmen. Nicht ohne Grund legt der Rapper so viel Wert auf konzeptuelle Musikvideos: „Alle Videos selbst gemacht, mit Premiere CC“, rappt Pashanim auf „Intro“. Cano Costello sollte Kinofilme drehen. Das Zeug dazu hat er.
- Pashanim „2000“ (Urban / Universal)
Mehr Hip-Hop
Der Kreuzberger Rapper Pashanim kommt aus Kreuzberg und hält sich oft am Mehringdamm auf. Weitere prominente Berliner Orte in Hip-Hop-Texten findet ihr hier. Wer wie Pashanim einen nostalgischen Blick zurückwerfen möchte: Hier geht es zu den Bildern zu vier Jahrzehnten Rap in Berlin. Ein ebenfalls aufstrebender Rapper aus Berlin ist Apsilon. Wir haben mit Apsilon über seine Heimat und linken Aktivismus gesprochen. Bushido wiederum sagt, dass er Berlin kein Stück vermisst. Wie es ihm in seiner neuen Heimat Dubai geht, lest ihr bei uns im Interview mit Bushido. Mehr spannende Neuerscheinungen und Konzertankündigungen findet ihr in unser Musik-Rubrik.