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12 Berliner Herbstlieder: Musikalischer Trost für graue Tage

Der Herbst in Berlin kann schon ziemlich trist sein. Zum Glück gibt es wunderbare Berliner Herbstlieder, die graue und verregnete Tage erträglicher oder sogar schön werden lassen. Warme Socken an, Regenmantel überziehen und Kopfhörer auf: Mit Christiane Rösinger, Isolation Berlin oder den Pet Shop Boys auf den Ohren sieht die Welt schon ganz anders aus.

Grau, nass, kalt: Zum Glück gibt es tolle Berliner Herbstlieder, die das Wetter erträglicher machen. Foto: Imago/Emmanuele Contini

Christiane Rösinger: „Berlin“

Christiane Rösingers Berlinbeschreibungen sind Abgesang und Hymne zugleich, und ihr Song „Berlin“ repräsentiert die Zwiespältigkeit dieser Stadt wie kaum ein anderer. Alles nervt, die Leute benehmen sich daneben, egal ob „Laptop-Poser“, „Öko-Eltern“, „Arschlochkinder“ oder Autofahrer, „die kurz am Amok streifen“. Es regnet, die Sonne versteckt sich, „Gullis stinken“, aber irgendwie ist Berlin trotz oder gerade wegen alledem so liebenswert. Meckern macht halt einfach Spaß, erst recht im Herbst. Und „wenn wir zum Vorglühen durch die Spätis ziehen“, ist man doch wieder froh, hier zu sein.


Isolation Berlin: „Alles grau“

Der Bandname Isolation Berlin, der Songtitel „Alles grau“: Das klingt nach harter Kost. Trotzdem schafft es die Berliner Band, überzogenen Herbstfatalismus mit Resteuphorie zu kreuzen. Während Tobias Bamborschke „Ich hab‘ endlich keine Freunde mehr“ herauspresst, verwandelt die heiter vorantreibende Musik den traurigen Satz eher in ein Augenzwinkern. Im Endeffekt ist der Herbst auch nicht so schlimm, und manchmal macht es auch einfach Spaß, allein in der Bude rumzuhängen. Nicht über Berliner Herbstlieder, sondern seinen Gedichtband „Schmetterling und Winter“ sowie das Album „Geheimnnis“ sprachen wir mit Tobias Bamborschke.


Element of Crime: „Fallende Blätter“

Der Herbst passt zu den Meistermelancholikern von Element of Crime wie eine Schultheiss-Tulpe in die Eckkneipe. Auf einem einsamen Spaziergang durch das graue Berlin reihen sich wärmende Spelunken, beschlagene Schaufensterscheiben von unterkühlten Luxusgeschäften und vernachlässigte Parkbänke aneinander. Wehmütige Streicher überzeichnen die wehleidige Schilderung zu einer herrlichen Hymne für fallende Blätter und den herbstlichen Zwiespalt an sich. Der Berliner Herbst war kein Thema, aber mit Sven Regener sprachen wir über alte Zeiten und seinen Roman „Glitterschnitter“.


Joe Jackson: „A Place in the Rain“

So viel kann passieren auf dem Heimweg im Regen: Der englische Musiker Joe Jackson lebt seit 2006 überwiegend in Berlin. In seinem Song „A Place in the Rain“, der natürlich nicht in der Liste zu Berliner Herbstliedern fehlen darf, zeichnet er das Bild einer nassen, apokalyptischen Welt. Alle Lichter gehen aus, Bilder werden abgehangen, Türen und Fenster verriegelt. Es tut gut, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und all den Ballast abzuschütteln wie die Bäume ihre Blätter. Im hymnischen Refrain singt Joe Jackson mit feierlicher Stimme, während sich das überschwängliche Klavier frei entfaltet: „‚Cause it’s amazing what lovers can do /With just a kiss and a glass of champagne, when the rivers run dry, we can go to our place in the rain.“


Rio Reiser: „Herbst“

„Ein himmelblauer Spätherbstmorgen in der Stadt“ wird zur Kulisse für Rios Herzschmerzballade, eines unserer liebsten Berliner Herbstlieder. Es ist eine schöne Vorstellung, wie „der König von Deutschland“ vor dem Ofen sitzt, seine Katze streichelt, Bilder malt und den Autos hinterherschaut. Das Glockenspiel klingt wie Regentropfen, die am Fenster zerplatzen, die herrlich kitschigen Streicher erinnern an das friedliche Windrauschen. Rio Reisers „Herbst“ ist geprägt von Sehnsucht und Einsamkeit, die Jahreszeit selbst scheint hierbei nicht das Problem zu sein. Die Geschichte von Ton Steine Scherben beleuchten wir übrigens hier genauer.


Einstürzende Neubauten: „Am Landwehrkanal“

Ein Herbstspaziergang durch Charlottenburg, Tiergarten oder Kreuzberg: Die Beine werden müde und eine Parkbank am Landwehrkanal lädt zur Pause ein. „Das trübe Gewässer fließt langsam vorbei“ und melancholische Gedanken tauchen auf. Es geht um vergangene Zeiten, alte Ideen, heimliche Treffen, den Berliner Himmel – und immer wieder schleichen Bilder von Rosa Luxemburg dazwischen, die 1919 von Freikorpssoldaten ermordet wurde. Ihre Leiche warfen die Mörder in den Landwehrkanal.


Max Richard Leßmann: „Einen im Tee“

Was wäre der Herbst ohne schummrige Eckkneipen, die Schutz vor Regen und Sturm spenden? Max Richard Leßmann vertreibt sich Sorgen und schlechte Laune an der Theke. Frisch Gezapftes hilft halt, zumindest für einen Moment. Der beschwipste Chanson und das feuchtfröhliche Musikvideo spenden Kraft und Motivation für den Gang in die nächste Kneipe. Wer lieber zuhause bleibt und dem Alkohol nicht so zugeneigt ist, kann auch einfach wortwörtlich „Einen im Tee“ haben.


Thomas Azier: „Berlin“

Der niederländische Sänger Thomas Azier lebte fast zehn Jahre in Berlin, bevor es ihn nach Paris verschlug. In Montmartre ließ er sich von der freundlicheren Umgebung zu sanfteren und glücklicheren Klängen inspirieren. In seinem Song „Berlin“ erinnert er sich an unbeschwerte Zeiten und die Ankunft in einer fremden Stadt. Als eine Matratze auf dem Boden, etwas flüssiges „Poison“, die Vögel am Himmel und der leuchtende Mond reichten, um glücklich zu sein. Eigentlich ist „Berlin“ ein Sommerlied, die Sorgen, die der Herbst bringt, kündigen sich jedoch langsam an: „I thought I needed common sense, you know my only worries when the summer ends.“


Die Heiterkeit: „Tausend Tropfen Regen“

Die Heiterkeit und Stella Sommers warme Stimme liefern generell den perfekten Soundtrack für die kalten Monate und haben viele tolle Berliner Herbstlieder zu bieten. Auf ihrer 2013 erschienenen EP „Daddy’s Girl“, die bei dem Berliner Label „Staatsakt“ erschienen ist, beschwören sie zu Velvet-Underground-artigen Schrabbelgitarren und Mittelalter-Percussion dunkle Wolken. „Keine Blumen und kein Champagner, es wird einfach nur regnen.“ Wie immer bitter-süß treffen die klaren Worte direkt ins Herz. Das klingt alles ziemlich fatalistisch, im Endeffekt spendet die Band jedoch einen kleinen Trost: „Es wird nur Regen sein.“ Es geht auf jeden Fall schlimmer. Ein Porträt von Stella Sommer könnt ihr übrigens hier lesen.


Chuckamuck: „20.000 Meilen“

„Ich steig aus der U-Bahn aus und sehe schon, da kommt der Regen.“ Die Situation, die die Berliner Band Chuckamuck beschreibt, tut weh. Eine Beziehung neigt sich unaufhaltsam dem Ende zu. „So ist das eben, genau wie der Regen.“ So wirklich einfach fällt der Abschied allerdings nicht. Alles wird noch schlimmer, wenn einen sogar die Wolken zu verfolgen scheinen. Die einzige Rettung: „Ich pack 20.000 Meilen zwischen dich und mich und ich fahr nach Nashville, Tennessee.“ Trotz all seiner Bitterkeit versprüht der Song wie viele Berliner Herbstlieder doch eine liebevolle Wärme.


Ja, Panik: „Nevermind“

Eine leicht verzerrte E-Gitarre und Andreas Spechtls hypnotisierende Stimme führen durch Alltagssituationen und Großstadtbeobachtungen, die kaum schöner beschrieben werden könnten. Die künstlerische Verschmelzung von Englisch und Deutsch erzeugt hierbei einen abstrakteren Charakter, der den behandelten Figuren Tiefe verleiht und die melancholische Stimmung von „Nevermind“ auflockert. „Vis-à-vis von meinem Fenster steht Sebastian in the rain, er steht dort täglich Stunden, ich kann ihn rauchen sehen.“ Die Selbstisolation in der Großstadt ist ein zentrales Thema und wurde selten so treffend beschrieben: „Wenn er so durch die Stadt fährt, ist ganz Berlin allein, hunderttausend strangers fallen auf ihn ein.“


Pet Shop Boys: „Burning the Heather“

Die Pet Shop Boys haben ihr Album „Hotspot“ in den legendären Berliner Hansastudios aufgenommen und hierbei Eindrücke und Geräusche der Hauptstadt in ihrer Musik verarbeitet. Neben wunderbar überdrehten Partysongs und einem Weddinger Hochzeitsmarsch darf eine melancholische Ballade natürlich auch nicht fehlen. „Burning the Heather“ beschreibt den Wechsel der Jahreszeiten und das Gefühl, überall und nirgendwo zuhause zu sein: „Seasons are changing, time’s moving along, give me a drink and I’ll be gone.“ Was wäre diese bewegte Jahreszeit ohne all die großartigen Berliner Herbstlieder?


Mehr Lieber über Berlin

Wenn ihr euch noch nicht mit dem Herbst abgefunden habt, hört weiterhin Lieder über den Sommer in Berlin. Berlin ist riesig, aber eine Gegend hat ganz besonders viel Musik inspiriert: Wir haben 12 Songs über Kreuzberg für euch. Wenn ihr es etwas romantischer mögt, sind hier die 12 schönsten Berliner Liebeslieder für euch. Und die Stadt taucht öfter mal auf Albencovern auf, auch wenn sich Berlin da nicht immer von der besten Seite zeigt. Immer aktuell: Tipps für Konzerte in Berlin. Mehr über den Klang der Stadt findet ihr in unserer Musik-Rubrik.

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